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Interview mit Kölner Heimatforscher„Ich habe den Sperrmüll der alten Worringer durchwühlt“

Lesezeit 6 Minuten
Auf Spurensuche geht Hans Josef Heinz in „seinem“ Heimatmuseum. Das ein oder andere Kleinod stammt aus sorgfältiger Sperrmüll-Recherche.

Auf Spurensuche geht Hans Josef Heinz in „seinem“ Heimatmuseum. Das ein oder andere Kleinod stammt aus sorgfältiger Sperrmüll-Recherche.         

Die Eingemeindung Worringens nach Köln ist vielen bis heute ein Dorn im Auge. Einer von ihnen ist Hans-Josef Heinz. Mit dem Gründer des Worringer Heimatarchivs Hans Josef Heinz sprach Bernd Imgrund

Das Heimatarchiv Worringen ist ein unterirdisches Museum. Hier findet man historische Kölschgläser, rare Dokumente zur Dorfgeschichte, aber auch Kuriosa wie jene Dose, die einst „Worringa Hühneraugenpflaster“ enthielt.

Wie gut war der Heimatforscher Heinz in Geografie?

Da habe ich mich eher schwergetan, obwohl unser Lehrer durchaus auch Worringen auf dem Plan hatte.

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Wann entstand schließlich Ihr Interesse für die lokale Vergangenheit?

In den 1970ern hat der Worringer Josef Gödecke eine Geschichte Worringens veröffentlicht, die mich fasziniert hat. Da dachte ich mir: Vor jedem Urlaub machst du dich schlau über das Reiseziel, warum gilt nicht dasselbe für deine Heimat!

Häufig sind Heimatforscher pensionierte Deutschlehrer.

Trifft auf mich nicht zu. Ich habe Großhandelskaufmann gelernt.

Welchen Altersdurchschnitt hat der Heimatverein?

Oh, der ist leider sehr hoch, um die 70 Jahre. Das beschäftigt mich sehr und macht mir Sorge. Wir machen Führungen und Rundgänge für Schüler und Erwachsene. Das Interesse ist da, bei der Mitarbeit hapert es. Leider ist auch viel Wissen der älteren Worringer im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten.

Das museale Archiv haben Sie 2003 gegründet. Wie kamen Sie an die zahlreichen Exponate?

Ich habe den Sperrmüll der alten Worringer durchwühlt. Nachts mit der Taschenlampe, weil ich mich ein bisschen geschämt habe.

Mal erwischt worden?

(lacht) Da fuhren nachts auch so ein paar Altreucher herum, die haben mir Prügel angedroht. Aber ich habe mich nicht einschüchtern lassen. Ich habe die Sachen zuerst bei allen Familienmitgliedern deponiert. Aber irgendwann meinte meine Frau: Wenn du das jetzt nicht ordentlich ausstellst, schmeißen wir das weg. Die Kellerräume hier hat uns eine alteingesessene Landwirtsfamilie mietfrei zur Verfügung gestellt.

Wir sind hier im Breiter Wall. Warum heißt die Straße so?

Breiter Wall und Schmaler Wall waren im Mittelalter als Wallgraben Teile des örtlichen Befestigungssystems. Seltsamerweise ist unser Breiter Wall schmal, der Schmale Wall hingegen breit.

Trinkt man hier, hoch im Norden, noch Kölsch oder schon Alt?

Ich bin jetzt 82. Und so lange ich mich erinnern kann, gab es hier nie eine Kneipe, die Alt ausgeschenkt hat. Nach Kriegsende gab es im Ort 20 Wirtshäuser bei circa 5000 Einwohnern. Jetzt sind es nur noch vier urige Kneipen.

Fühlt man sich hier als Worringer oder Kölner?

Als Worringer! Nach der Eingemeindung vor 101 Jahren wurde uns vom damaligen OB Adenauer viel versprochen. Aber gehalten wurde nur wenig. Bei alten Worringern heißt es bis heute nicht: Wir fahren in die Stadt. Sondern: M´r fahre noh Kölle, was sicherlich einiges über das Verhältnis aussagt.

Fühlen Sie sich von der Stadt vernachlässigt?

Na klar. Unsere ehemalige Hauptschule steht seit zwölf Jahren leer, obwohl wir dringend Schulräume benötigen. Der Krebelshof ist schon lange renovierungsbedürftig. Auch beim ÖPNV und der direkten Anbindung an die Innenstadt gibt es noch Luft nach oben.

Ist Worringen schön?

Ich hänge an Worringen und den Menschen, aber vieles ist eben nicht mehr schön. Alte Bausubstanz verschwindet, unsere Denkmäler sind zum Teil in einem desolaten Zustand.

Wie oft waren Sie als Kind in der Innenstadt?

Beim ersten Mal war ich schon 14, als meine Schulzeit endete. Da hat mein Vater mich mit auf den Kölner Dom genommen. Danach habe ich dann meine Lehre in Köln gemacht, genauer gesagt in Nippes.

Existieren dialektale Unterschiede?

Ja, die gibt es noch. Auf Kölsch heißt es etwa: Ich han jedaach, jesaat, jemaat. Wir sagen jedäät, jesäät und jemäät, oder auch Fösch für Fesch.

In Worringen gibt es 70 Vereine, allein sechs Karnevalsvereine.

(lacht) Karneval hat in Worringen einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus können Sie hier an jedem Wochenende feiern.

Gibt es eine Worringer Hymne? „Don´t Worri, be happy“ oder so?

Bislang noch nicht. Immerhin haben die Bläck Fööss ein Lied über die Schlacht von Worringen im Repertoire. Aber eine eigene Fahne haben wir.

Die nicht rot-weiß ist, nehme ich an.

Das stimmt. Die Hauptfarben sind grün und blau. Sie stehen für Rhein, Feld und Wald.

Auf einer Ihrer Museumskonsolen steht ein alter, kupferner Taucherhelm. Ist der auch aus Worringen?

Wir wohnen am Rhein, und unsere Vorfahren hatten als Fischer, Lotsen, Hafenarbeiter und Taucher stets einen engen Bezug zum Fluss. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gab es hier zwei große Familienunternehmen, die deutschlandweit als Taucher arbeiteten. Es gibt Dokumente zu einem Besuch von Reichspräsident Hindenburg bei den Worringer Tauchern. Und nach dem Zweiten Weltkrieg haben die zum Beispiel Brückentrümmer aus dem Wasser geborgen.

Worringen wurde dem Stadtbezirk Chorweiler zugeschlagen. Empfinden Sie das heute als Niederlage?

Ja. Im ehemaligen Bürgermeisteramt residierte bis 1976 das Worringer Ordnungsamt. Dort konnten Sie alles erledigen − vom Reisepass bis zum Rentenantrag. Und man kannte die Lück, die da am Schalter saßen. Und jetzt müssen wir für sämtliche Formalitäten nach Chorweiler.

Worringen ist bekannt für die legendäre Schlacht von 1288. Wächst man damit auf?

Wo immer man Kölsche trifft, wird man als Worringer darauf angesprochen. Köln hat von dieser Schlacht enorm profitiert. Sie hat Köln vom Erzbischof befreit und zur Freien Reichsstadt gemacht.

Eine weitere Folge war, dass Düsseldorf zur Stadt erhoben wurde.

(lacht) Na ja, das kleine Dorf an der Düssel. Das juckt uns hier nicht. Wir liegen irgendwo zwischen Köln und Düsseldorf, aber in Worringen ist man FC-Fan.

Ist die Schlacht im Ortsbild noch

präsent?

In Nähe der Kirche befindet sich seit 1988 ein Erinnerungsdenkmal an das Ereignis. Der Kampf fand im übrigen nicht hier statt, sondern kurz vor Fühlingen auf der Fühlinger Heide. Den genauen Ort kennt man gar nicht.

Was findet man zur Schlacht in Ihrer Ausstellung?

Wir haben hier einige Originaldokumente von der großen 650-Jahres-Feier Worringens von 1938. Die Nationalsozialisten haben das Jubiläum für ihre Zwecke genutzt und ein großes Fest veranstaltet. Die Schlacht wurde mit historisierten Kostümen und Waffen nachgestellt. Letztendlich war das ein riesengroßer Umzug, an dem auch sämtliche Worringer Handwerksgilden teilnahmen.

Wenn ich Ihnen eine Original-Lanze von 1288 anbiete: Wieviel würden Sie dafür auf den Tisch legen?

(lacht) Wir zahlen hier grundsätzlich nichts für neue Exponate. Wie gesagt: Wir stibitzen vom Sperrmüll.


Zur Person

Hans-Josef Heinz wurde 1941 in Worringen geboren, wo er auch aufwuchs. Nach dem Volksschulabschluss mit 14 Jahren absolvierte er eine Lehre als Großhandelskaufmann. Anfang der 1960er, nach der Bundeswehr, begann er bei Bayer im Einkauf für Dienstleistungen.

2003 gründete er das Worringer Heimatarchiv, das in einem ausgedehnten Kellerareal im Ortszentrum angesiedelt ist. Um an Exponate für die ständige Ausstellung zu kommen, durchstöberte Heinz unter anderem des Nachts die Worringer Sperrmüllhaufen. Viele Vitrinen sind selbstgebaut, die Möbel eigenhändig restauriert.

Darüber hinaus gibt der Verein mit seinen 110 Mitgliedern Broschüren zur Ortsgeschichte heraus und unterhält eine elaborierte Website. Hans-Josef Heinz wohnt wie eh und je in Worringen. Die Ausstellung des Heimatarchivs ist geöffnet mittwochs von 17 bis 19 Uhr, Breiter Wall 2. www.heimatarchiv-worringen.de

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