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„Ich war danach sehr allein“Wie der Kölner Hospizdienst trauernden Menschen hilft

Lesezeit 5 Minuten

Eine Trost-Kerze hat eine ehemalige Teilnehmerin der Trauercafé-Runde des Ökumenischen Hospizdienstes gespendet.

  1. Der Ökumenische Hospizdienst im Kölner Westen bietet Menschen, die einen wichtigen Menschen verloren haben, Gesprächsangebote wie das Trauercafé oder Trauerspaziergänge.
  2. Gegenseitiges Trösten und mögliche Trauer-Blockaden lösen, sind die Ziele der zwanglosen Treffen.

Köln – „Ich trauere sehr um meinen Mann und kann mir eigentlich nicht mehr vorstellen, noch einmal mit einem anderen Partner zusammen zu leben“, sagt eine der Teilnehmerinnen zu Beginn des Trauercafés im Gemeinderaum der Auferstehungskirche am Görlinger Zentrum. Sie möchte lieber anonym bleiben. Die Frau im Seniorenalter ist sichtlich gezeichnet vom Tod ihres Mannes. Eine Erinnerung, ein Gedanke an den verstorbenen Partner reicht aus, und sie zieht sich innerlich zurück und wirkt verschlossen. Über all das zu sprechen, fällt ihr schwer. Sie höre lieber zu, sagt sie.

Elf Frauen haben sich an diesem Nachmittag in der Auferstehungskirche getroffen, um sich auszutauschen über ihre Trauer, ihre Erlebnisse nach dem Verlust des Ehemannes und wie sie den Partner bis zum Tod begleitet haben. Eigentlich sollte heute beim erst dritten Treffen nach dem Corona-Lockdown Mitte März auch ein Mann dabei sein. Doch der musste kurzfristig absagen. Geleitet wird des Trauercafé des Ökumenischen Hospizdienstes im Kölner Westen von Birgitta Lepke-Lehmann. Unterstützt wird sie von Helga Dahmen, die ehrenamtlich im Hospizdienst mithilft. „Männer gehen anders mit der Trauer um. Oft haben sie auch schneller wieder eine Partnerin“, ist Dahmen überzeugt. Fakt ist, dass die Frauen eigentlich immer die große Mehrheit in den Trauergesprächsrunden bilden.

Den Auftakt machen Gedichte und besinnliche Texte

Zu Beginn begrüßt Birgitta Lepke-Lehmann alle anwesenden Frauen der Gesprächsrunde. Der aufgebaute Tischkreis schafft genügend Platz, um den nötigen Corona-Abstand einzuhalten, um ohne Maske sprechen zu können. Offene Fenster sorgen für genügend Frischluft. Kaffee und Wasser wird gereicht, und jeder bekommt ein Stück Kuchen. Das lockert auf. Eine brennende Kerze steht auf dem Tisch. „Eine Dame, die lange dabei war, aber nun nicht mehr teilnimmt, hat sie uns gestiftet“, erzählt Lepke-Lehmann. Dann liest sie einen Text vor, den sie an alle verteilt. Es sind Gedanken des Autors Gunter Bleibohm. „Das hat Tradition“, so Leiterin. Mal sind es Gedichte, mal philosophische Texte oder auch Bibelstellen, die sich mit Tod, Schmerz oder Verlust beschäftigen.

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Birgitta Lepke-Lehmann teilt den Trauerfall eines ehrenamtlichen Mitarbeiters des Hospizes mit, den einige anwesende Frauen kannten. Der Tod ist allgegenwärtig in dieser besonderen Runde. Wer das erste Mal dabei ist, darf zunächst einmal schildern, wie es ihr oder ihm beim Tod des Partners ergangen ist. Manchen fehlen die Worte. Jeder hier versteht das. Anna Wingen (81) macht Mut: „Mein Mann ist 2014 an Krebs verstorben. Davor habe ich ihn vier Jahre lang in der Chemo-Therapie begleitet. Das waren schlimme Jahre. Seit seinem Tod nehme ich hier an den Trauercafé-Gesprächen teil. Mir gibt das jedes Mal ein gutes Gefühl, wenn ich nach Hause gehe.“

Viele Freunde zogen sich zurück

Aber warum bespricht man seine Trauer nicht mit Freunden oder Angehörigen? Liegt das nicht viel näher, als sich in einem Kreis mit fremden Menschen zu öffnen? „Die ähnlichen Schicksale helfen. Ich weiß dann, dass der andere versteht, wovon ich spreche“, weiß Birgitta Lepke-Lehmann. Dann kommt Anna Wingen auf ein trauriges Thema zu sprechen, dass viele der Teilnehmerinnen auch erlebt haben: „Nach dem Tod meines Mannes, waren die meisten ehemaligen Freunde nicht mehr da. Ich war danach sehr allein. Ich verstehe es bis heute nicht.“ Iris Malmedy-Pecha (62) bestätigt diese bitteren Erfahrungen: „Es gab bei der Beerdigung viele Briefe und ein Menge Zuspruch, aber danach kam keiner mehr.“ Vielleicht liege es an der Angst, sich mit dem Tod auseinander zu setzen. Vielleicht störe man als trauernder Mensch aber auch einfach nur. Sie wisse es nicht.

Trauerbegleitung

Der Hospizdienst im Kölner Westen bietet zusammen mit der Evangelischen Kirchengemeinde Bickendorf jeweils am letzten Montag im Monat von 15.30 bis 17 Uhr ein Trauercafé an. Veranstaltungsort ist im Gemeinderaum der Auferstehungskirche, Görlinger Zentrum 39, in Bocklemünd/Mengenich.

An jedem ersten Samstag im Monat können sich Trauernde gemeinsam auf einem etwa zweistündigen Spaziergang austauschen. Auf Wunsch ist zum Abschluss auch die Einkehr in einem Café möglich. Die Veranstaltung findet bei jedem Wetter statt. Treffpunkt ist jeweils um 14 Uhr das Café Augentrost, Venloer Straße 1130, an der KVB-Haltestelle „Westfriedhof“ der Linien 3 und 4.

Corona-bedingt ist eine Anmeldung bei den Trauerbegleiterinnen des Hospizes erforderlich unter der Kölner Rufnummer 53 97 452 . (dhi)

www.hospiz-koeln-west.de

Therese Höfel erzählt, dass sie nach dem Tod ihres Mannes nicht weinen konnte – nicht eine Träne, bis heute. Sie leide darunter. Die anderen Frauen sprechen ihr Trost zu: Man könne es nicht erzwingen. Trauer brauche Zeit, oft viel Zeit. Die Todestage sind nur schwer ertragen, die Hochzeitstage auch, Weihnachten sowieso. Dann komme alles wieder hoch, die Erinnerungen und der Verlust, erzählt Renate Rebhahn (77). Ihr Mann lag lange im Koma. „Ich habe mich verabschiedet. Aber ich bin mir bis heute nicht sicher, ob er es mitbekommen hat. Das bedrückt mich sehr.“

Das sind die großen Trauer-Themen, die die Frauen versuchen zu verarbeiten. Die Gespräche sollen dabei helfen und tun es laut Aussage der Teilnehmerinnen auch. Aber auch heitere Anekdoten werden erzählt. „Wir wollen uns ja gegenseitig aufbauen, nur trauern hilft da nicht“, sagt Anna Wingen. Sie erzählt, dass sie des Öfteren im Fernsehsessel sitzt und denkt, dass ihr Mann, wie in den 51 gemeinsamen Ehejahren zuvor, immer noch neben ihr sitzt. „Ich spreche dann mit ihm, als wenn er noch da wäre. Dann bin ich wieder nah bei ihm.“