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Interview

Rücktritt von Christoph Kuckelkorn
„Irgendwann merkt man die Erschöpfung“

5 min
Christoph Kuckelkorn tritt als Festkomitee-Präsident zurück.

Christoph Kuckelkorn tritt als Festkomitee-Präsident zurück.

An Aschermittwoch endet die Amtszeit von Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn. Im Interview blickt er auf 21 Jahre zurück - aber auch nach vorne.

An Aschermittwoch ist für Christoph Kuckelkorn (61) alles vorbei. Im Interview mit der Rundschau spricht der scheidende Festkomitee-Präsident über Highlights und Tiefpunkte seiner Amtszeit und die Herausforderungen, die auf seinen Nachfolger warten.

Am Montagabend haben Sie auf dem Präsidentenabend ihren Rücktritt als Festkomitee-Präsident bekanntgegeben. Wie haben Sie den Moment auf der Bühne erlebt?

Ich hatte mir den Abend früh vorgestellt und überlegt, was ich sagen würde. Doch als es ernst wurde und klar war, dass ich gleich auf die Bühne muss, wurde es emotional. Ich habe an vielen Punkten auch nicht mehr weiterreden können und musste eine Pause machen.

Welche Reaktionen haben Sie danach erreicht?

Auch die Präsidenten und das Dreigestirn vor Ort hat das emotional sehr angefasst. Es gab danach viele Reaktionen aus der karnevalistischen Welt, aber auch von außerhalb. Ich habe sehr viele sehr persönliche Nachrichten bekommen. Eine Mitarbeiterin sagte etwa: „Für mich bist du Karneval, ich bin mit dir groß geworden.“ Das war sehr besonders.

Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt für Ihren Abschied?

Nach 21 Jahren wollte ich das Amt in gute Hände weitergeben. Irgendwann merkt man die Erschöpfung und dass man mehr Energie investieren muss als früher. Mit 40 fiel mir das noch leichter als mit 61. Dazu kommen neue berufliche Verpflichtungen, die ein Ehrenamt in dieser Größe kaum zulassen

Ihr Vizepräsident Lutz Schade gilt als Ihr Wunschkandidat für die Nachfolge. Warum?

Das Festkomitee ist kein Verein im klassischen Sinne, sondern ein mittelständisches Unternehmen mit großer Außenwirkung. Da kann man die Nachfolge nicht dem Zufall überlassen. Ein radikaler Kurswechsel wäre riskant. Wir brauchen Kontinuität. Ein Kandidat Lutz Schade würde die berufliche und karnevalistische Kompetenz mitbringen, um den in den vergangenen Jahren eingeschlagenen Weg weiterzuführen.

Das Amt des Festkomitee-Präsidenten ist ein Ehrenamt. Vom zeitlichen Aufwand gleicht das Amt aber eher einem zusätzlichen Vollzeit-Job.

Ich habe viele Dinge zur Chefsache gemacht. Gerade nach Corona wurde klar, wie wichtig Lobbyarbeit ist, auch auf Landes- und Bundesebene. Für diese Dimensionen hatten wir keine Vorstandsbereiche. Deshalb blieb vieles auf meinem Tisch. Mein Nachfolger kann das anders strukturieren und neu zuschneiden, damit die Arbeit des Präsidenten wieder machbarer wird. Was dabei hilft, ist unser Unterbau: rund 20 hauptamtliche Mitarbeiter und etwa 100 Ehrenamtliche, die das Festkomitee zu großen Teilen ausmachen.

Sie waren 21 Jahre im Festkomitee-Vorstand, erst als Zugleiter, ab 2017 als Präsident. Welche Momente kommen Ihnen in der Rückschau als erstes in den Kopf?

Es gab viele schöne großen Momente – aber oft bleiben die kleinen viel stärker hängen, weil sie emotionaler sind. Als Zugleiter haben wir etwa getestet, wie es ist, wenn mehrfachbehinderte Menschen im Rosenmontagszug mitgehen. Zwei, drei Wochen nach Rosenmontag stand plötzlich eine Gruppe vor mir, um sich mit ihren körperlichen Möglichkeiten zu bedanken. Das war ein großer Moment. Besonders berührend ist auch unser Projekt „Pänz Große Pause“. Wenn an Schulen 80 Prozent der Kinder nicht aus unserer Kultur stammen, aber Kölsch singen – da kommen mir die Tränen. Genau dafür macht man das.

Ein Meilenstein war sicher auch das große Jubiläum zum 200-jährigen Bestehen des Kölner Karnevals.

Das Jubiläum war ambivalent. Wir kamen direkt aus der Corona-Zeit, die uns finanziell und organisatorisch stark gefordert hatte. Die Planungen begannen, als wir noch im Lockdown waren – niemand wusste, ob es überhaupt weitergeht. Vieles musste improvisiert werden, die Ressourcen waren knapp, und wir konnten das Jubiläum nicht so ausschöpfen, wie wir es uns gewünscht hätten. Trotzdem wurde es am Ende eine starke Session. Besonders war im Jahr davor auch die Friedensdemonstration nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Aus dem corona-konformen Stadion-Zug wurde eine Friedensdemo. Die Entscheidung kostete zusätzlich Geld und Mut – aber am Ende war es ein Moment, in dem ich echt stolz auf die Stadt war. Die Polizei attestierte und hinterher, es habe noch nie eine so gut organisierte Großdemo in Köln gegeben. (lacht)

2015, als Sie noch Zugleiter waren, haben Sie den Motivwagen zum Anschlag auf die französische Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ zurückgezogen – begleitet von großer Kritik. War das der Tiefpunkt in 21 Jahren?

Das war eine schwierige Zeit. Wir haben uns als kleiner Kölner Karneval plötzlich im Weltgeschehen wiedergefunden. In der Stadt hatte sich ein unheimliches Angstgefühl breitgemacht. Einige Kindergruppen haben ihre Teilnahme am Zug abgesagt. Daraus entstand eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Polizei, um Risiken durch provokante Karikaturen und Wagen einzuschätzen. Es gibt mittlerweile für jeden Wagen eine Bewertung durch den Staatsschutz.

In der vergangenen Session gab es große Kritik am Wagen zum Thema Missbrauch. Dieses Mal gab es keinen Rückzug.

Das war wichtig. Wir haben noch nie einen Wagen gehabt, der so viele Reaktionen in beide Richtungen ausgelöst hat, auch viele positive Reaktionen von Missbrauchs-Opfern. Der Wagen hat viele Diskussionen in Gang gebracht. Und genau das ist ja unser Ziel.

Wie hat sich der Karneval in 21 Jahren verändert?

Der Wandel begann mit dem Team um Markus Ritterbach. Diese Phase war geprägt von Mut und Kreativität: Wir haben alles infrage gestellt, am wirtschaftlichen Fundament gearbeitet und versucht, neue Zielgruppen anzusprechen. Wir haben den Zug politischer aufgestellt, haben bewusst provoziert und das Motto dazu benutzt, um Diskussionen in Gang zu bringen. Auch die kölsche Musik haben wir gefördert, auch dadurch gibt es heutzutage kein Lebensalter mehr, in dem Karneval uncool ist.

Wie hat sich das Feiern in all der Zeit verändert?

Auch da ist der Karneval vielfältiger geworden: Früher gab es Sitzungen, Bälle und den Zug. Heute existieren unzählige Formate: Clubbing, Party, alternative Sitzungen, barrierearme Angebote. Die Schwelle ist niedrig – egal ob man körperliche Einschränkungen hat oder kulturell anders sozialisiert wurde. Der Karneval ist für alle offen – das war früher nicht so.

Welche Baustellen bleiben für Ihren Nachfolger?

Wir haben ein Bauchgefühl, wo die Baustellen liegen, sei es der Straßenkarneval auf der Zülpicher Straße oder das Thema Frauen im Karneval. Mit unserem Strategieprojekt „Alaaf 2040“ wollen wir herausfinden, wie diese Themen von den Menschen gesehen werden, um dann ins Handeln zu kommen.

Nach der Corona-Pandemie hatten vor allem kleine Vereine mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen und Tickets für ihre Sitzungen zu verkaufen. Wie geht es den Vereinen aktuell?

Es ist deutlich besser geworden. Die größten Sorgen galten während der Krise nicht den Vereinen selbst, sondern der Infrastruktur: Säle, Technik, Künstler – all das musste gesichert werden, damit der Motor nach der Pandemie überhaupt wieder anspringen konnte. Dass die Vereine wieder voll besetzte Veranstaltungen melden, war nicht selbstverständlich, ist aber Realität. Trotz all der Krisen.

Warum ist das so?

In Krisenzeiten wächst die Bedeutung des Karnevals. Wenn es den Menschen schlecht geht, feiern sie besonders intensiv. Der Karneval bietet Halt. Es ist eine Zeit, in der man Regeln bewusst aussetzt, sich verkleiden darf, über die Stränge schlagen kann – und danach in den normalen Alltag zurückkehrt. Für Köln ist das total wichtig.

Ihr Vorstand wird Ihnen in Ihrer letzten Session als Präsident schon einige Aufgaben abnehmen. Wie wird ihre letzte Session aussehen?

Ich werde wie sonst auch jeden Tag unterwegs sein, dieses Mal aber mit einem anderen Bewusstsein. Es wird die Möglichkeit geben, sich von vielen Weggefährten zu verabschieden. Es haben sich auch schon viele Menschen gemeldet, die mich auf meinen Touren begleiten wollen.

Wie emotional wird das?

Sehr emotional. Ich habe ein bisschen Angst vor Rosenmontag. Der Zug ist und bleibt für mich immer das Größte. Schon als Jugendlicher habe ich im Rosenmontagszug mitgeholfen, zum Beispiel als Kamellejung auf dem Bagagewagen. Rosenmontag war immer mein Ding.