Im Kontext der steigenden Todesfälle auf Kölner Straßen fordert der ADFC bei seiner achten stillen Gedenkfahrt eine Verbesserung der Infrastruktur und eine Geschwindigkeitsbegrenzung.
Achte Fahrt durch KölnADFC erinnert mit Gedenkfahrt an getötete Radfahrende
Schweigend wickelt eine Frau mittleren Alters tibetische Gebetsfahnen um das Gestänge des weißen Geisterfahrrads, das jetzt seinen festen Platz neben der Luxemburger Straße an der Haltestelle Sülzgürtel gefunden hat. Eine andere Frau steckt einen kleinen Blumenstrauß in die Speichen des Vorderrads und zündet Kerzen an. „Hier verstarb am 9. April 2024 Elke“, steht zum Nachlesen auf einem Schild, das der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) angebracht hat. Der Schock sitzt noch tief. „Das ist ein solcher Unfall-Horror. Wir vermissen sie alle so sehr. Sie war ein liebenswerter und wunderbarer Mensch und so eine defensive Fahrradfahrerin“, sagt die Freundin und wischt sich einige Tränen aus den Augen.
Drei Radfahrende sind in diesem Jahr bereits auf Kölns Straßen ums Leben gekommen. Elke (63) geriet an der Kreuzung Luxemburger Straße/Sülzgürtel unter die Hinterachse eines Kipplasters. Sie starb noch am Unfallort. „Wir wünschen uns breite rote Radstreifen, wie auf den Ringen. Und auf der Luxemburger Straße muss Tempo 30 herrschen“, fordert Christoph Schmidt, Vorsitzender des ADFC Köln in einer kurzen Ansprache beim „Ride of Silence“. Die achte stille Gedenkfahrt des ADFC führt am Mittwoch Station nach Sülz und andere Schauplätze tödlicher Verkehrsunfälle. Etwa 120 Menschen beteiligen sich an dieser besonderen Fahrradtour.
Innenminister Herbert Reul (CDU) hat bei der Vorstellung der Verkehrsunfallzahlen dieses Mal sehr nachdrücklich die „Vision Zero“ ausgegeben, also das Fernziel von null Verkehrstoten. Zumindest aber soll bis zum Jahr 2030 die Zahl der Unfallopfer um 30 Prozent gesenkt werden. „Allen Verkehrsteilnehmern muss bewusst sein, dass die polizeiliche Verkehrsüberwachung unangekündigt jederzeit und überall erfolgen kann und Verstöße konsequent geahndet werden, denn regelkonformes Verhalten ist ein wesentlicher Garant für die nachhaltige und wirkungsvolle Reduzierung der Anzahl der Schwerverletzten und Getöteten im Straßenverkehr“, sagt Reul.
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Im vergangenen Jahr sind 25 Menschen auf Kölns Straßen gestorben – so viele wie lange nicht mehr. Nun soll die Aufmerksamkeit vor allem auf die ungeschützten Verkehrsteilnehmenden wie Menschen auf Fahrrädern und E-Scootern oder zu Fuß Gehende gerichtet werden. Für den ADFC gehören hierzu auch gute Radwege. Anders als am Bergischen Ring in Mülheim. Am 23. Februar ist hier eine Radfahrerin (44) gestorben, weil sie von einem Lastwagenfahrer übersehen worden war, der mit seinem tonnenschweren Fahrzeug auf ein Tankstellengelände fuhr. „Hier gibt es eine unfassbar schlechte Infrastruktur. Der Radweg ist überhaupt nicht sichtbar“, kritisiert Christoph Schmidt.
Polizeipräsident appelliert an vernünftiges Miteinander
Bei der Gedenkfahrt sind die Teilnehmenden mit Polizeischutz unterwegs, ein Streifenwagen fährt mit eingeschaltetem Blaulicht vorweg. So unbehelligt funktioniert das Radfahren in Köln normalerweise nicht. „Es wird mächtig eng auf den Straßen in Köln. Wichtig ist, dass alle Verkehrsteilnehmer mehr Verantwortung übernehmen. Es geht nur mit gegenseitiger Rücksichtnahme“, betont Polizeipräsident Johannes Hermanns. Seit Jahren liegt die Zahl der Fahrradunfälle in Köln konstant hoch, voriges Jahr verunglückten 2065 Radfahrende, dabei wurden 232 verletzt und einer getötet. In diesem Jahr starben schon drei Radfahrende in Köln.
In Sürth wurde am 6. März eine Radfahrerin (68) auf der Straße Unter Buschweg von einem Auto erfasst – die Frau starb zwei Tage später in einer Klinik. Auch dort soll im Laufe des Jahres ein Geisterfahrrad aufgestellt werden. Vor allem den vermeidbaren Unfällen hat die Polizei den Kampf angesagt (siehe Kasten). Durch verstärkte Kontrollen soll die Sicherheit erhöht werden, in den vergangenen Tagen gab es Schwerpunktaktionen rund um den Stadtteil Ehrenfeld.