Einsturz des StadtarchivsDas ist der Stein, der das Unglück in Köln verursachte

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Wäre dieser Stein sachgemäß aus über 20 Meter Tiefe aus dem Erdreich unter dem Waidmarkt entfernt worden, es wäre wohl nie zu Einsturz des Kölner Stadtarchivs gekommen.

Wäre dieser Stein sachgemäß aus über 20 Meter Tiefe aus dem Erdreich unter dem Waidmarkt entfernt worden, es wäre wohl nie zu Einsturz des Kölner Stadtarchivs gekommen.

Seit rund sieben Jahren wurde er den Blicken der Öffentlichkeit entzogen. Nun ließen die Kölner Verkehrs-Betriebe und die Stadtverwaltung erstmals zu, dass der Stein, der den Archiveinsturz auslöste, fotografiert werden kann.

Viele Wortspielereien wären denkbar im Zusammenhang mit einem Stein. Doch bei diesem Stein verbieten sie sich alle. Er ist eben nicht irgendein Trachytblock, der in irgendeiner städtischen Halle irgendwo im rechtsrheinischen liegt. Nein, es ist der Stein, den die Bauleute des geplanten Gleiswechselbauwerks am Waidmarkt in der Südstadt im Jahr 2005 in 20 Meter Tiefe haben liegen lassen, ihn nicht bargen. Sie Entschlossen sich, die Schlitzwandlamellen, an ihm vorbeizutreiben, die Betonwand über ihn hinweg zu gießen. Ein katastrophaler Fehler, in dessen Folge am 3. März 2009 das Kölner Stadtarchiv einstürzte. Zwei Menschen starben. Unzählige historische Dokumente wurden stark beschädigt. Nicht wenige sind für immer verloren. Am Waidmarkt klafft auch 14 Jahre danach eine „schmerzende“ Wunde.

Ein Teilstück steckt noch im Boden

Haben die Stadtverwaltung und die Kölner Verkehrs-Betriebe als Bauherrin diesem Stein nicht die historische Bedeutung beigemessen, die ihm zukommen muss, oder wollten sie ihn lieber unter den Teppich kehren? Aus Pietätsgründen sei keinen Aufhebens daraus gemacht worden, als der Stein 2016 in Teilen geborgen wurde, lautet die offizielle Begründung dafür, dass der Trachytblock still und leise in einer Betriebshalle eines städtischen Amtes verschwand.

Nur auf Nachdruck auch der Rundschau wurde er nun doch zum Fotografieren freigegeben. Im Ganzen ließ sich der Stein in Länge von 1,20 Metern nicht nach oben schaffen. Ein Teil war zu fest im Beton der Schließwand eingegossen. Was gelöst werden konnte, war fortan Gegenstand gutachterlicher Untersuchungen. Um zu belegen, was das Landgericht Köln in erster Instanz als erwiesen ansah: Dass das Verbleiben des Steins im Erdreich Ursache für den Archiveinsturz ist. So schloss die Wand nicht in über 20 Meter Tiefe nicht dich ab. Anstehendes Grundwasser konnte den Bereich langsam aber stetig unterspülen. Bis schließlich ein Freiraum entstand, so groß, dass es dem Stadtarchiv den Boden unter den Füßen wegzog.

Vergleich statt Urteil

Bis heute tun sich die Baufirmen schwer damit, diese Gerichtsbegründung anzuerkennen, was wohl der inoffizielle Grund dafür sein dürfte, dass der Stein klammheimlich ins Rechtsrheinische verbracht wurde. Doch weil die Einschätzung des Gerichts den zu erwartenden Urteilsspruch erkennen ließ, einigten sich die Firmen mit der Stadt auf einen Vergleich. 600 Millionen Euro zahlen die in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengefassten Bauleute an die Stadt. Das Gleiswechselbauwerk am Waidmarkt wird zudem gerade auf ihre Kosten saniert. Dazu haben sie eine Gedenkstätte zu finanzieren. Das Bergen und die Begutachtung haben Spuren an dem Stein hinterlassen. Furchen wie vom Baggerschaufelzähnen zeichnen seine „Außenhaut“. Rohre stabilisieren ihn an den Stellen, an denen Proben entnommen wurden.

Was wird aus dem historischen Dokument?

Warum er auf ein Gestell aus Plexiglas ruht, weiß heute keiner mehr recht zu beantworten. Wohl, um den Gutachter den Rundumblick zu ermöglichen. Auf seinem Gestell wirkt der Stein so, als sei er schon bereit für eine Ausstellung. Was soll aus diesem historischen Zeitdokument werden, das für eine der größten Katastrophen in der Kölner Nachkriegszeit steht? „Die KVB verfolgt keine weiteren Vorhaben hinsichtlich des Trachytblocks“, sagt eine Sprecherin des Verkehrs-Betriebs. Als wollten sie ihn am liebsten immer noch unter den Teppich kehren.

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