Seit mehr als zehn Jahren ärgern sich Anwohner über Lärm und Müll am Brüsseler Platz. Das sagen die Kölner Ratsfraktionen zu der Situation im Belgischen Viertel.
Belgisches Viertel in KölnDas sagt die Kölner Politik zum Brüsseler Platz

Das Belgische Viertel ist seit mehr als zehn Jahren Anlaufstelle für dutzende, manchmal Hunderte Nachtschwärmer. Längst nicht mehr nur am Wochenende.
Copyright: Nabil Hanano
Ist das Belgische Viertel ein Wohn- oder ein Ausgehviertel? Es ist wohl beides. Doch seit Jahren gehen die Interessen von Anwohnern und Nachtschwärmern auseinander. Wie berichtet, soll es im Lärm-Streit am Brüsseler Platz nun im Laufe des Jahres endlich ein Urteil geben. 2015 hatten Anwohner die Stadt verklagt, die Bewohner des Viertels vor dem nächtlichen Lärm zu schützen. In diesem Jahr will das OVG Münster das Hauptsacheverfahren verhandeln.
Stadt wirbt mit Brüsseler Platz als „Must Visit“
Viele Maßnahmen gegen den nächtlichen Lärm am Brüsseler Platz brachten keine Verbesserung. Es kamen im Laufe der Jahre sogar noch mehr Menschen. KölnTourismus wirbt auf seiner Internetseite sogar explizit mit dem Brüsseler Platz. So heißt es dort: „Einer der populärsten Orte für den warmen Sommerabend – als Start oder als Ausklang: der Brüsseler Platz ist legendär. Es gibt ein Büdchen in Premiumlage – Le Kiosk, eines der bekannten der über 1000 Kölner Büdchen –, eine Tischtennisplatte, Platz zum Sitzen, Stehen, Plauschen. Die Abende hier zählen zu den Kölner Must Visit.“
Für die Anwohner ist das ein Schlag ins Gesicht. „Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses Wohnviertel dem Partytourismus aus zweifelhaften Tourismusförderungsgründen geopfert wird, ohne dass erkennbar in der Stadt oder in der Politik die Belange der Anwohnerinnen und Anwohner nachhaltig berücksichtigt werden“, sagt ein Anwohner im Gespräch mit der Rundschau.
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Ratsbündnis stimmte 2022 gegen den Bebauungsplan
In der Politik ist nach dem Aus für den Bebauungsplan scheinbar Stillstand beim Thema Belgisches Viertel eingetreten. Nach sechs Jahren intensiver Diskussionen hatte sich das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt im Juni 2022 gegen den Bebauungsplan entschieden. Er sollte das Wohnen im Viertel schützen und festlegen, wo noch Kneipen und Restaurants erlaubt sind. Nach Kritik von Gastronomen hatte die Politik Änderungen am Entwurf der Verwaltung gefordert, die Stadt hielt diese aber für rechtlich nicht machbar.
Der Bebauungsplan sei kein Allheilmittel für die Situation im Belgischen Viertel gewesen, sagt Isabella Venturini aus der Kölner Volt-Fraktion. „So wie er war, ist die Gastro- und Kneipenszene die Leidtragende.“ Auch die Grünen sehen keinen neuen Anlauf für den Bebauungsplan: Eine ordnungsrechtliche Verbesserung sei nicht durch Baurecht zu schaffen, teilt die Fraktion auf Nachfrage mit. Die Fraktion DIE LINKE hatte sich 2022 für den Beschluss des Plans ausgesprochen. „Sachlich wäre es nach wie vor richtig, ihn zu beschließen. Er schafft einen rechtlichen Rahmen, die Entwicklung zu steuern, also das weitere Überhandnehmen der Gastronomie zu verhindern“, sagt Fraktionsgeschäftsführer Dr. Hans Günter Bell. Es fehle im Rat aber erkennbar der politische Wille, diesen Schritt zu gehen, man knicke vor dem Druck der Gastronomie ein.
Aufgeben ist definitiv keine Option.
Wie soll es also nun weitergehen? „Aufgeben ist definitiv keine Option“, sagt CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau. „Es muss auch in einer belebten Innenstadtlage möglich sein, unterschiedliche Interessen so in Einklang zu bringen, dass alle Seiten damit leben können.“ Die eine Lösung werde es dabei nicht geben, sagt Isabella Venturini (Volt). „Es wird auf einen Kompromiss für beide Seiten hinauslaufen.“ Sie plädiert für gegenseitiges Verständnis und warnt vor voreiligen Verurteilungen: „Junge Menschen sollten nicht per se als Störfaktor wahrgenommen werden.“ Dass das Belgische Viertel bei jungen Leuten eine hohe Anziehungskraft genieße, sei nämlich zunächst eine gute Nachricht für den Standort, findet auch die Kölner Fraktion der Grünen.
Forderung nach Angeboten für Innenräume Wie aber könnte ein Kompromiss aussehen? Die Fraktionen wollen zunächst das Gerichtsurteil des OVG abwarten. Nur so könne die Verwaltung Handlungskonzepte erarbeiten und sie dem Rat zur Entscheidung vorlegen, so Petelkau. „Das Problempaket liegt beim Ratsbündnis vor der Tür“, sagt FDP-Fraktionsvorsitzender Ralph Sterck. Seine Partei hatte für den Bebauungsplan gestimmt. Doch auch bei der Opposition gibt es Vorschläge, was im Veedel getan werden muss.
SPD für Nachtbürgermeister
Linke-Fraktionssprecherin Güldane Tokyürek schlägt vor, kostengünstige oder nicht kommerzielle Angebote für Innen zu schaffen, damit der Feierlärm nicht mehr unter freiem Himmel bleibt. Auch die Grünen wollen kulturelle Angebote über den ganzen Stadtraum ausbauen, um Fehlentwicklungen einzelner Hotspots vorzubeugen. Maria Helmis, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion, spricht sich für das ebenfalls diskutierte Konzept des Nachtbürgermeisters aus. „Er bündelt die verschiedenen Interessen und koordiniert sie gegenüber den städtischen Dienststellen bestmöglich. In Amsterdam und zum Beispiel auch Bonn hat sich dieses Konzept bereits bewährt“, so Helmis.