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Interview mit Ortsvorsteher in Odendorf„Der Hype wegen der Überflutungsflächen ist mir zu groß“

6 min
Jürgen Bröhl ist Ortsvorsteher in Odendorf und wohnt an der Germanenstraße.

Jürgen Bröhl ist Ortsvorsteher in Odendorf und wohnt an der Germanenstraße.

Interview mit Jürgen Bröhl, dem Ortsvorsteher in Swisttal-Odendorf über Flut, Wiederaufbau und die Zukunft des 4000-Einwohner-Ortes.

Wie steht es um Odendorf?

Das ist schwer zu sagen. Der Ort hat etwa 4000 Einwohner und ich erreiche davon etwa zehn Prozent. Die asozialen Netzwerke scheue ich. „Soziale Netzwerke“ sind das ja nicht. Ich bin demnach auf Vereine angewiesen. Hier leben aber viele Soldaten und Beamte, die auch älter geworden sind. Und die haben kein Interesse, sich zu engagieren. Im Ort bei den Festen sehe ich immer dieselben 300 oder 400 Menschen. Es gibt also eine große schweigende Masse, die keine Probleme hat oder sie einfach nicht nach außen trägt. Je weiter die Leute vom Bach weg wohnen, umso besser geht es ihnen. 

Das wird Klaus Jansen von Flut-Gedenken und jeder, der im Sommer 2021 Wasser über die Felder in den Keller bekommen hat, vielleicht anders sehen ...

O.k. Das stimmt.

Wie steht es um den Wiederaufbau?

Mit der Wiederherstellung der Orbachstraße soll jetzt begonnen werden, und das wird frühestens 2031/32 fertig.

Weil es, wie die Bürgermeisterin ja nicht müde wird zu erklären, so viele Beteiligte gibt und die Straße mit Betonrinne für den Bach, Versorgungsleitungen und Decke nur von unten nach oben neugebaut werden kann ...

Genau so. Vor zwei Wochen ist die Frankenstraße saniert worden, und da kamen die Leute und fragten: Warum? Den Leuten das zu erklären! Wie die Straße vielleicht im Untergrund aussah ...

Oder im unteren Teil, näher am Orbach ...

Richtig. Außerdem ist die Bacheinfassung nicht schön. Ich habe mir die in Arloff-Kirspenich angeschaut. Die haben eine Ufereinfassung aus großen Basaltsteinen. Aber ich musste einsehen, dass wir hier den Platz dafür nicht haben.

Was ist mit der Fußgängerbrücke an der Burg?

Hier wohnen viele ältere Nachbarschaften, die diese kurze Fußverbindung in die Dorfmitte zurückwünschen. Es ist erschreckend: Dieselben, die sagten: Haben die da oben auf dem Hügel denn keine anderen Probleme, sagen nun im Wahlkampf, dass wir diese Verbindung brauchen. Das gibt auch Hoffnung.

Und die „Umflut“, von der die Bürgermeisterin schon gesprochen hat und von der die Oberdreeser befürchten, dass sie dann das Wasser aus der Steinbach zusätzlich abbekommen?

Diese Ableitungsrinne betrifft interessanterweise dasselbe Gebiet Richtung Oberdrees, das als „Wohnen an der Schiene“ mit einer eventuellen Förderung durch die Bahn noch beim Wirtschaftsgespräch erwähnt wurde. Da beißt sich doch der Hund oder die Katze in den Schwanz. Ich habe an der Stelle geschwiegen, weil das Dorf schon immer größer wird. Wir haben zwei Allgemeinmediziner, zwei Zahnärzte, von denen einer gefühlt nie da ist. Es gibt vier Kindergärten und eine Grundschule, die am selben Standort neu gebaut werden soll. Der Abriss soll im Herbst/Winter erfolgen.

War der nicht für allerspätestens Frühjahr angekündigt?

Das war Wunschdenken. Nach der dritten oder vierten Ausschreibung gibt es jetzt endlich einen Bieter, der den Zuschlag bekommen konnte. Wir werden sehen, ob der Platz reicht.

Mit einer Turnhalle, die dann aber zwischenzeitlich mal am Friedhof in den Feldern geplant war ...

Einem Ort, der sich dann aber als Überflutungsgebiet herausgestellt hat. Es gibt keinen Plan B der Gemeinde. Ich habe extra nachgefragt. Alles andere waren Parolen.

Auch das gerade als Gewerbegebiet präsentierte Gelände Richtung Essig hat doch Überflutungsvermerke ...

Die Berechtigung dafür kann man doch in Frage stellen. Ich habe in Köln-Rodenkirchen 100 Meter vom Rhein entfernt gelebt. Da stand der Rhein regelmäßig im Keller. Der war halt gefliest, und wenn das Wasser weg war, wurde er ausgespritzt. So bin ich groß geworden. Der Hype wegen der Überflutungsflächen ist mir zu groß. Wir sind doch heute mit der Technik etwas weiter. Es wird mit weißer Wanne gebaut, es gibt Rückhaltebecken ...

Aber im Sommer 2021 waren die nach tagelangem Regen voll.

Stimmt, auch am Bendenweg. Aber wann wird die nächste Flut dieser Art – trotz Klimawandel – kommen? 

Muss man dann den Leuten konsequenter sagen: „Du musst Dich selbst schützen!“?

Das ist eigentlich richtig. Die Wälle müssen vielleicht weg, die Unterführung der Bahn vielleicht mit einem größeren Freiraum versehen werden und jeder braucht eine Elementarversicherung. Der Staat kann das doch nicht immer bezahlen. Aber da wird Kai Imsande mehr sagen können.

Da Sie seinen Namen nennen. Er ist ja wohl ein Glücksfall für das Dorf ...

Mehr als das! Wenn wir ihn nicht hätten, und wie er seine Mitarbeiter im Fluthilfebüro eingesetzt hat. Da bin ich mehr als dankbar für. Und er hat auch ringsherum, sogar an der Ahr, unterstützt. Ich musste mich nach der Flut erstmal um meine Sachen kümmern und dann rasch zurück an die Arbeit in Köln.

Nun ist die Flut schon vier Jahre her. Was ist noch zu tun?

Die Gemeinde Swisttal hat 70.000 Euro für die zerstörte Infrastruktur angesetzt. Aber vom Swisttaler Partnerort Hochkirch in Sachsen wissen wir, dass die zehn Jahre nach dem Hochwasser auch noch nicht fertig waren. Ich maße mir nicht an, einen Zeitraum zu benennen. Ein Kumpel aus Rheinbach ist vor fünf oder sechs Wochen mit dem Hochwasser fertig geworden und ist hier in der Frankenstraße eingezogen. Aber direkt am Orbach sind noch einige nicht fertig, und ich weiß auch nicht von allen, was aus ihnen geworden ist, wer noch abreißen muss oder weggezogen ist. Da sind wir wieder bei den 90 Prozent anonymer Mehrheit.

Was ist aus Ortsvorsteher-Sicht noch zu tun?

Kurzfristig gab es einen großen Zusammenhalt. Der ist aber wie ein Strohfeuer zusammengefallen. Jeder hat sich in seine Wohlfühlposition zurückgezogen. Die Aufbruchstimmung fehlt. Wenn vielleicht die Beschäftigten hiesiger Betriebe, wie das beim Wirtschaftsgespräch gesagt wurde, mit kleinen Kindern hierhin ziehen würden, wäre das vielleicht anders. Aber das ist schwer zu sagen.

Was ist in Odendorf wegen der Flut an Plänen liegengeblieben? Was sind Ihre Ziele?

Wir müssen den Laden am Laufen halten! Ich sage: Die Gemeinde, auch wenn Ihr nicht mit ihr übereinstimmt, ist für Euch da! An mich wird herangetragen, wenn 30 Grad im Saal eingestellt sind, wenn die Straßenlaterne nicht leuchtet – ich kümmere mich gerne! Aber die Leute scheuen sich, sowas der Gemeinde selbst zu sagen. Ich bin für die Leute da. Kann einen Anstoß geben, den Finger in die Wunde legen, schauen: Was können wir machen? Das ist kein großer Aufwand.

Und persönlich?

Wenn ich vielleicht in Altersteilzeit gehe, könnte ich mich mehr einbringen, auch zu Alters- und Ehejubiläen gehen. Das kann ich derzeit nicht leisten. Auch eine Sprechstunde wäre dann möglich. Bislang werde ich nur auf Zuruf aktiv. 

Haben Sie einen Wunsch für Odendorf?

Wir mögen von der nächsten Katastrophe verschont bleiben, sei es Flut, ein Erdbeben oder irgendwas. Mögen wir in Frieden alt werden. Wenn man heute die Zeitung liest und die Welt voller Egomanen sieht, ist der Wunsch nach Frieden besonders groß.


Zur Person

Jürgen Bröhl ist Ortsvorsteher in Odendorf und wohnt an der Germanenstraße.

Jürgen Bröhl ist Ortsvorsteher in Odendorf und wohnt an der Germanenstraße.

Jürgen Bröhl ist 61 Jahre alt. Vor fünf Jahren wurde er ohne Mitgliedschaft in einer Partei aber, wie er sagt, auf Anfrage von drei Parteien Ortsvorsteherkandidat und gewählt. Der Vater von zwei Töchtern, die „schon aus dem Haus“ sind, sagt über sich: „Eigentlich komme ich aus Köln, wohne aber seit 30 Jahren in Odendorf. Hier bin ich in diversen Vereinen gewesen, habe mich für Kinder und Jugendliche engagiert, habe beim TUS Fußball gespielt und war im Vorstand der Karnevalsgesellschaft.“

Beruflich ist er eigentlich gut ausgelastet. Er arbeitet in der Bauverwaltung der Schulabteilung bei der Stadt Köln. „In mir brennt aber irgendwo eine soziale Flamme, und wegen meiner Berufserfahrung kann ich gut mit Verwaltung und Politik sprechen.“