Der Bau des Jüdischen Museums verteuert sich um bis zu 57 Prozent. Auch die Interimsausstellung im Praetorium gerät in Gefahr.
Deutliche VerteuerungMiQua in Köln kostet rund 200 Millionen Euro
Angesichts der vielen Probleme auf der Baustelle des Jüdischen Museums am Rathaus werden die Baukosten erneut stark steigen. Vor der Ratssitzung am 27. Juni wird die Stadt nach Rundschau-Informationen einen aktualisierten Kosten- und Terminplan vorlegen. Fast 200 Millionen Euro soll der Bau des „LVR-Jüdisches Museum im Quartier“, kurz MiQua, demnach jetzt kosten. Davon geht die Verwaltung derzeit aus. Als die Stadt dem Stahlbauer im November 2021 wegen schwerer Baumängel gekündigt hatte, stand die Kalkulation bei 127 Millionen Euro. Der Bau verteuert sich also um bis zu 73 Millionen Euro, ein Plus von 57 Prozent. Zuerst hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ darüber berichtet.
Generalunternehmer soll das Projekt voranbringen
Mit dem MiQua entsteht im Herzen Kölns, am einstigen Sitz der ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen, ein weltweit einzigartiger Kulturort mit archäologischen Zeugnissen aus 2000 Jahren Stadtgeschichte. Als der Rat das Museumsprojekt 2010 beschloss, ging man von 48,1 Millionen Euro Baukosten aus. Ein Jahr später waren es bereits 51,8 Millionen, dann 61,5 Millionen (2015), kurz darauf 77,0 Millionen Euro (2017). Beim letzten Stand von 127 Millionen sollte es 33,7 Millionen Euro Förderung vom Land NRW geben, der städtische Anteil lag damals bei 93,3 Millionen.
Nun wird es noch mal drastisch teurer. In den knapp 200 Millionen sei aber ein ordentlicher Risikopuffer enthalten, heißt es. Dem Vernehmen nach will die Stadt einen Generalunternehmer (GU) beauftragen, der das MiQua zum Festpreis fertigbaut. Das kostet zwar mehr, hat aber den Vorteil, dass die Stadt die Gewerke nicht einzeln ausschreiben muss und der GU die baulichen Risiken trägt. Ausgegeben wurden laut Sachstandsbericht vom 23. April bislang 80,5 Millionen Euro.
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Die Gründe für die Kostenexplosion gehen über die reine Baupreissteigerung hinaus. Immer wieder musste der Bau umgeplant werden. Vor allem wegen der archäologischen Funde aus Römerzeit, Mittelalter und Neuzeit, die künftig auf einem 600 Meter langen Rundgang unter dem Museum zu sehen sein werden. Immer wieder mussten die Bauleute die Planungen anpassen, damit die originale Bausubstanz erhalten werden konnte. Durchgänge und ein ganzer Fahrstuhlschacht wurden dafür versetzt.
Nach dem Terroranschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel am 24. Mai 2014 mit vier Toten war auch das Sicherheitskonzept des MiQua verschärft worden. Der Eingangsbereich wurde völlig neu konzipiert und vom Alter Markt auf den Rathausvorplatz verlegt, er erhält eine Sicherheitsschleuse wie am Flughafen. Ein geplanter zweiter Eingang in Richtung Wallraf-Richartz-Museum (WRM) wurde gestrichen.
Auch baulich ist das Projekt eine enorme Herausforderung. Tragende Teile des Gebäudes mussten teils in Millimeterarbeit um die historische Bausubstanz herum errichtet werden. Jahrhundertealte Mauerreste im Baugrund erhalten in aufwendigen Verfahren neue Fundamente. Nicht zuletzt muss das neue Stahlbaukonsortium die von der Vorgängerfirma hinterlassenen Mängel mit viel Aufwand beseitigen.
Während die Kosten durch die Decke gehen, sieht es beim Faktor Zeit offenbar besser aus. Dem Vernehmen nach könnte der bisher nicht offiziell genannte, aber intern avisierte Termin für eine Fertigstellung 2027 möglicherweise gehalten werden. Der neue Stahlbauer baue zügig durch und könne die Arbeiten wohl noch in diesem Jahr abschließen, heißt es. Danach folgen die Dachhaut und die Fassade, ehe der Innenausbau beginnen kann.
Dass es dabei wieder Verzögerungen geben kann, dafür liefert zurzeit nicht nur die Bühnensanierung den Beweis. Auch die Baustelle neben dem MiQua im Bereich des ehemaligen römischen Statthalterpalastes (Praetorium) hinkt erneut dem Zeitplan hinterher. Wie berichtet, hat sich die Stadt im Januar wegen gravierender Mängel von der ausführenden Firma im Gewerk Elektro- und Nachrichtentechnik getrennt. Zudem hat die Trockenbau-Firma ihren Auftrag gekündigt.
Dem Vernehmen nach soll auch hier ein Generalunternehmer beauftragt werden, der die Arbeiten fertigstellt. Die Verzögerungen sind bereits so groß, dass die zuletzt für August 2024 geplante Interimsausstellung im Praetorium erneut verschoben werden muss. Der Landschaftsverband Rheinland (LVR), der das MiQua betreiben wird, hat die Ausstellung mit dem Titel „Das MiQua kommt“ als Vorgeschmack auf das Museum entwickelt, um die lange Wartezeit bis zur Eröffnung zu überbrücken. Geplant ist ein Rundgang im Praetorium zum römischen und jüdischen Köln mit originalen Fundstücken, interaktiven Touchscreens und kurzen Filmen.
Doch nun ist fraglich, ob diese Ausstellung überhaupt stattfindet. Ursprünglich sollte sie 18 Monate dauern, von Anfang 2024 bis Mitte 2025. Sie kann aber nur so lange gezeigt werden, bis die Bauarbeiten zum Anschluss des Praetoriums an das MiQua beginnen.
Zeitfenster für Interimsschau im Praetorium schließt sich
Und das ist das Problem. Wegen der Verspätungen am Bau ist das Zeitfenster für die Interimsausstellung offenbar auf nur noch vier bis sechs Monate zusammengeschrumpft. Da stellt sich die Frage, ob man für so eine kurze Überbrückungsschau wirklich 1,3 Millionen Euro ausgeben will.
Die Stadt wollte sich auf Anfrage nicht zu der Kostensteigerung und dem Sachstand im Praetorium äußern. Sie teilte lediglich mit: „Auf Grundlage der Einschätzungen der Projektleitung, Projektsteuerung und Planer diskutieren aktuell Stadt Köln und LVR gemeinsam die Bauabläufe, Vergabestrategien und Kostenziele. Dies auch im Hinblick auf einen reibungslosen Einzug der Ausstellungstechniken und Gegenstände. Sobald dies abgeschlossen ist und Ergebnisse vorliegen, werden die politischen Gremien und die Öffentlichkeit informiert.“ Der LVR erklärte: „Der neue Bauzeitenplan soll Ende Juni den politischen Gremien vorgelegt und dort beraten werden.“ Die Fragen könnten erst danach beantwortet werden.
Eine mögliche Alternative wäre, die Interimsausstellung oder Teile davon in anderen Räumlichkeiten zu zeigen. Unabhängig davon hat der LVR mit dem „MiQua-Forum“ und anderen Formaten bereits eine Veranstaltungsreihe zur Geschichte des jüdischen Kölns gestartet (siehe Infotext). Auch sie liefert einen Vorgeschmack auf das reiche kulturelle Erbe, das dereinst im MiQua präsentiert werden soll.