Kölner Schüler verschicken Hitler-BilderIn Klassenchats grassieren rassistische Memes

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Engagiertes mobiles Team: Patrick Fels und Julia Klatt vom NS-Dok beraten Schulen beim Umgang mit Problem-Chats.

  • Unter Kölner Schülern werden zunehmend rassistische, verstörende und pornografische Inhalte via Whatsapp verschickt.
  • Ein gefährlicher Trend, der Fremdenfeindlichkeit salonfähig macht. Die versendeten Bilder, die es auch in harmloser Variante gibt, heißen Memes.
  • Doch was tun? Das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln berät Schulen im Umgang mit rassistischen Medien.

Köln – In WhatsApp-Gruppen an Schulen wird gern mal gelästert über Lehrer und Hausaufgaben, Tipps für Youtube-Filme kursieren – aber auch „Memes“ mit rassistischen Sprüchen. Immer öfter machen kleine krasse Bilder auf den Handys von Kindern und Jugendlichen die Runde. Und schockieren: Ein Bild zeigt Adolf Hitler, lachend. Darüber steht: „Du bist lustig. Dich vergas ich zuletzt.“ Einige Schüler zeigten (vor Corona) einen solchen Chat an einem Kölner Gymnasium verunsichert ihren Eltern. Andere erfuhren vom Klassenlehrer, dass gerade rassistische, sexistische, antisemitische Darstellungen in Messenger-Gruppen grassieren.

„Ich dachte, mich trifft der Schlag. Da blieb mir erstmal die Sprache weg“, sagt Stefanie Ruffen, Mutter eines Neuntklässlers. „Ich war geschockt“, so die Architektin. „Das Thema darf man nicht unter den Tisch kehren. Die Schüler sehen das als Hype an und denken sich nicht viel dabei. Das ist nicht witzig, sondern bittere Realität.“

Kölner NS-Dok berät Schulen

Was tun? Die Schule ihres 14-jährigen Sohnes habe schnell gut reagiert und ein Team des NS-Dokumentationszentrums um Unterstützung gebeten. Solche Chats bei Messengern wie WhatsApp, Telegram & Co. sind keine Einzelfälle, wissen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Köln. Die üblen Memes sind Trend bei der Generation Smartphone. „Wir beraten aktuell viele Schulen“, berichten Politikwissenschaftler Patrick Fels und Sozialarbeiterin Julia Klatt.

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Manche Darstellungen zeigen Schwarze oder Menschen mit Behinderungen, kombiniert mit herabsetzenden Schlagworten, Beschimpfungen. Auch bundesweit machen immer wieder Fälle von Hass-Posts und rechtsradikaler Hetze in Chats bei WhatsApp Schlagzeilen – ein Messengerdienst, der erst ab 16 Jahren genutzt werden sollte.

Viele dieser Darstellungen „sind hochgradig besorgniserregend“, so Fels. „Wir wissen nicht, ob die Fälle zugenommen haben, es werden vielleicht auch mehr gemeldet.“ Betroffen seien alle möglichen Schulen und Schulformen im Bezirk, seit anderthalb Jahren würden die Fälle sich häufen. In den letzten Monaten vor der Corona-Schließung gab es Anfragen von sechs Schulen. In den seltensten Fällen „werden Bilder von Rechtsextremisten in die Gruppen geschleust, sind es Leute aus der Mitte der Gesellschaft.“

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Die meisten Jugendlichen machten sich gar keine Gedanken über den historischen Kontext und machen mit, weil es vermeintlich den Coolnessfaktor erhöht, wenn sie solche Memes posten. Fels appelliert, „unbedacht handelnde einzelne Jugendliche nicht generell zu stigmatisieren und zu Straftätern abzustempeln“. Die Zugangshürden sind ziemlich niedrig. Bei WhatsApp oder Telegram stehen zuhauf solche Sticker ungeschützt im Netz, führt Fels mit dem Smartphone vor und erhält sekundenschnell Gruppenangebote mit Hakenkreuz und anderen verfassungswidrigen Nazi-Symbolen. Die Verbreitung einiger der kinderleicht zu ladenden Bilder ist strafbar (s. Interview).

Auch pornografische und verstörende Inhalte werden verschickt

Auch pornografische, verstörende Inhalte gelangen über die Medienkanäle an Minderjährige. „Bei anderen Schulen wurden durch die Polizei die Handys kassiert. Eine deutliche Verwarnung der Schulleitung reicht meist pädagogisch auch“, betonen Fels und Klatt. Vielen Kids sei nicht klar, „dass sie sich mit den Chats in einem öffentlichen Raum bewegen und diese strafbar sein könnten.“ Die Darstellungen einzudämmen und im Netz zu verfolgen, sei aber ein Kampf gegen Windmühlen.

Umso wichtiger ist es laut NS-Dok-Team, sie mit der Klasse zu besprechen, wenn sie auftauchen und zu überlegen, wie ein Chat gut gestaltet werden kann, warum manche Darstellungen menschenverachtend sind. Lehrer dürften nicht Teil solcher Chats in Schulen sein, aus datenschutzrechtlichen Gründen keine sensiblen personenbezogenen Daten darüber austauschen. Meist vor Erwachsenen verborgen, kursieren Mitteilungen bis in den späten Abend.

„Es ist leider ein Massenphänomen geworden – eine sehr krasse Sache, die abgestellt werden muss“, sagt Fels. „Wir wollen so unaufgeregt und pädagogisch angemessen wie möglich an die Sache herangehen.“ Helfen könnte im Umgang mit dem Problem zum Beispiel, eine vertrauliche Anlaufstelle an Schulen zu schaffen und so früh wie möglich die Medienkompetenz zu fördern. Außerdem seien Themen rund um NS-Zeit und Holocaust frühzeitig im Unterricht einzubinden. Eltern sollten im Gespräch mit ihren Kindern bleiben. Klatt: „Es muss ein Klima geschaffen werden, in dem solchen Sachen offen widersprochen wird.“ Sorge bereitet ihr, wenn Kinder auf die Frage, was sie an den drastischen Darstellungen verstört, nichts Negatives empfinden, abstumpfen.

Stefanie Ruffen und ihr Mann haben mit ihrem Sohn die Sache mit dem rassistischen Chat besprochen und das NS-Dok besucht. Die Nutzung von Messengern ganz abzustellen, das ist nach Ansicht der Lokalpolitikerin illusorisch: „Ohne WhatsApp kann man ja nicht mal mehr das Sportprogramm organisieren.“ Die Themen konsequent zu besprechen, hält auch Fels für unabdingbar: „Da sehen wir die Schulen in der Verantwortung.“  

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