Kölner SPD-Spitze im Interview„Das Ratsbündnis versagt beim Wohnungsbau“

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Köln, RSK, Interview mit Claudia Walther und Florian Schuster von der SPD

Die Kölner SPD-Vorsitzenden Claudia Walther und Florian Schuster beim Besuch im Rundschau-Haus an der Stolkgasse.

Seit November 2022 wird die Kölner SPD erstmals von einer Doppelspitze geführt. Mit den Parteivorsitzenden Claudia Walther (60) und Florian Schuster (29) sprach Michael Fuchs.

Sie sind vor fünf Monaten angetreten, um die zerstrittene Kölner SPD wieder auf Kurs zu bringen. Wie hat sich die Partei aus Ihrer Sicht entwickelt?

Claudia Walther: Die SPD ist wieder da! Wir haben mit ganz vielen Menschen in der Stadt Gespräche geführt. Unsere Dialogtour durch die Stadtbezirke und Ortsvereine wird gut angenommen. Wir spüren überall eine große Lust und Bereitschaft, konstruktiv zu diskutieren. Ende Januar hatten wir eine Klausurtagung des Unterbezirksvorstands. Die Atmosphäre war sehr gut. Die inhaltliche Arbeit in unseren Schwerpunktthemen   Wohnen, Bildung und Mobilität kommt gut voran.

Florian Schuster: Aus persönlicher Sicht können wir sagen: Wir sind als Team angetreten und wir agieren auch als Team. Wir beide miteinander, aber auch   mit dem übrigen Vorstand. Es gibt viele unglaublich motivierte, talentierte und engagierte Leute in der SPD. In der Partei ist inhaltlich jetzt deutlich   mehr Leben, als wir das vorher festgestellt haben. Das werden wir dafür nutzen, für eine sozialere und gerechtere Stadt zu kämpfen.

Konflikte gibt es aber weiterhin in der SPD. Fraktionschef Christian Joisten hat sich mit den Landtagsabgeordneten über die städtischen Kliniken gestritten und sich jede Einmischung verbeten. Dann wurde Fraktionsgeschäftsführer Mike Homann fristlos entlassen. Wie gehen Sie damit um?

Walther: Klar, die Situation um die Fraktionsgeschäftsstelle ist kompliziert. Die Entscheidungen dazu liegen nicht in der Partei, sondern in der Fraktion, aber wir reden derzeit mit allen Beteiligten und setzen uns dafür ein, eine menschlich wie politisch vernünftige Lösung zu finden.

Schuster: Wir haben in Partei und Fraktion gemeinsam um die Position zur Neuaufstellung der Kliniken gerungen und sind uns mit allen Beteiligten völlig einig, dass die Vorlage der Verwaltung so, wie sie ist, überhaupt nicht zustimmungsfähig ist. Deswegen unser Ersetzungsantrag. Die parteiinterne Debatte dazu war sehr intensiv, wertschätzend und fair.

Geschäftsführung und Betriebsrat der städtischen Kliniken sind dafür, die drei Standorte in Merheim zu zentralisieren. Warum besteht die SPD darauf, das Krankenhaus Holweide und die Kindermedizin in Riehl trotz gewaltiger Defizite zu erhalten?

Schuster: Die Zentralisierungspläne werden ja vor allem finanziell begründet. Als SPD muss man die Gesundheitsversorgung aber vom Menschen her denken und nicht vom Geld. Wir brauchen ein gutes medizinisches Angebot für alle Kölnerinnen und Kölner – und zwar wohnortnah und gerecht verteilt. Zudem steht in Bund und Land derzeit eine grundlegende Reform der Klinikfinanzierung an. Mit den geplanten Vorhaltepauschalen könnte sich die finanzielle Lage der städtischen Kliniken künftig deutlich verbessern. Bis die   neuen Rahmenbedingungen feststehen, darf man in Köln doch keine Krankenhäuser schließen.

Walther: Es darf nicht sein, dass die Gesundheitsversorgung davon abhängt, wo man wohnt. Wir werden nicht zulassen, dass Teile der Stadt medizinisch systematisch unterversorgt werden, wie das Rechtsrheinische und der Kölner Norden. In Chorweiler gibt es kaum Kinderärzte. Die SPD-Ratsfraktion fordert eine umfassende Bedarfsermittlung für die kindermedizinische Versorgung in ganz Köln. Wir wollen nicht, dass in der Debatte um die städtischen Kliniken benachteiligte Stadtteile gegeneinander ausgespielt werden.

Wie will die SPD in Köln wieder nach vorne kommen?

Walther: Köln wird von CDU, Grünen und Volt chaotisch regiert. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Schulplatzvergabe und fehlenden Schulplätzen oder beim Thema Wohnungsbau, wo das Bündnis seit Jahren versagt. Köln braucht eine bessere Bildungsplanung, mehr Kita- und Schulplätze, vor allem bei den Gesamtschulen. Das haben die Kölnerinnen und Kölner verdient. Da muss jede Möglichkeit genutzt werden, aber das sehen wir leider aktuell nicht. In der SPD intensivieren wir jetzt unsere inhaltliche Arbeit auf allen Politikfeldern, im Oktober wollen wir uns bei einem Parteitag programmatisch neu aufstellen.

Schuster:   Die SPD will sich auch um eine zukunftsgerichtete Wirtschafts- und Arbeitspolitik kümmern. Köln ist von den Transformationsprozessen besonders betroffen, siehe Ford oder die chemische Industrie. Uns beschäftigt: Wie kann Köln ein starker Industriestandort bleiben? Wo entsteht noch Arbeit? Wie stellen wir uns Köln im Jahr 2030 vor? Diese Themen besetzt das Ratsbündnis nicht. Auch beim Wohnungsbau tut sich nichts. Ein Masterplan Grün ist schön und gut, aber das darf nicht die einzige Priorität sein. Die Menschen müssen bezahlbar wohnen, dafür braucht es Flächen, und das muss mindestens dieselbe Priorität haben wie Grün vor der Haustür. Die SPD nimmt im Gegensatz zum Ratsbündnis die soziale Situation der Menschen in den Blick.

Walther: Dasselbe gilt für Schule und Kita! Da ist das Mehrheitsbündnis im Leerlauf.

Wann wird die SPD eine Kandidatin oder einen Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl 2025 aufstellen?

Walther: Wir erarbeiten gerade mit Vorstand und Basis Kriterien für Bewerberinnen und Bewerber, dazu gehören, dass die Person unseren Markenkern – soziale Politik für alle in Köln – mit Leib und Seele verkörpert, und dass sie die Breite der Stadtgesellschaft und der Partei abdeckt. Am 20. April wollen wir den genauen Prozess und die Verantwortlichkeiten dafür im Vorstand festlegen, natürlich unter Beteiligung der Fraktion. Die Gespräche mit potenziellen Kandidaten sollen dann bald starten.

Schuster: Der Zeitplan ist noch flexibel, aber das Ziel ist klar: Wir wollen im Jahr 2024, vorzugsweise im zweiten oder dritten Quartal, unsere Kandidatin oder unseren Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt der Öffentlichkeit vorstellen, um 2025 die Wahl zu gewinnen und soziale Politik für Köln zu machen.

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