Drogenszene am NeumarktGeschäftsleute beklagen zunehmende Verwahrlosung

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Drogen-Szene_Neumarkt

Die offene Drogenszene um den östlichen Teil des Neumarkts ist für Anwohner, Geschäftsleute und Besucher eine tägliche Belastung. 

  • Der Neumarkt gehört zu den Hotspots der Kölner Drogenszene
  • Die Ladeninhaber rufen täglich die Polizei, um das Geschehen zu beruhigen
  • Sie fordern die Politik auf endlich tätig zu werden

Köln-Innenstadt – „Wir Ladeninhaber und Anwohner sind uns einig: Wenn die Stadt nichts unternimmt, werden wir einen privaten Sicherheitsdienst für den Ostteil des Neumarkts engagieren. Unsere Geduld ist am Ende“, schimpft Henrik Hanstein, Leiter des Auktionskunsthauses Lempertz. Die Versprechungen seitens der Stadt reichen nicht mehr. „Wir rufen hier jeden Tag die Polizei.“ Es müsse endlich etwas geschehen, legt Hanstein nach.

„Ich habe die Stadt und die Politik informiert, dass wir die Zustände am Neumarkt nicht länger hinnehmen werden.“ Grund der Aufregung bei den Anwohnern, Geschäftsleuten, die zum Teil auch Mitglieder der Bürgerinitiative „Zukunft Neumarkt“ und Interessengemeinschaft „IG Neumarkt“ sind, ist die „zunehmende Verwahrlosung des Neumarkts und seiner Nebenstraßen und benachbarten Plätze“.

Immer wieder gefährliche Situationen

Eine größer werdende Obdachlosen- und Drogen-Szene verschlechtere zunehmend die Aufenthaltsqualität und führe immer wieder zu gefährlichen Situationen für die Anwohner und Ladenkunden. „Hier werden mutwillig Geschäftsexistenzen gefährdet, weil niemand wirklich etwas gegen die Drogenkriminalität und die unzumutbare Verschmutzung des Neumarkts unternimmt“.

Walter Schuch, Geschäftsleiter des Gesundheitsdienstleisters Stortz in der Nähe des Neumarktes, stellt sich an die Seite Hansteins: „Aggressive Übergriffe von Obdachlosen und Drogenabhängigen in Hausfluren oder Eingängen rund um den Ost-Neumarkt hat fast jeder von uns Anwohnern schon mal erlebt. Deutliche Worte an die Stadt und Politik sind absolut angebracht.“

Brief an Bezirksbürgermeister Andreas Hupke

In einem Brief an Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (liegt der Rundschau vor) nimmt Henrik Hanstein den Lokalpolitiker der Grünen persönlich in die Verantwortung und wirft ihm Untätigkeit, eine Verharmlosung des Problems und Missachtung der Interessen der Geschäftsleute am Ost-Neumarkt vor. Hupke zeigte sich am Mittwoch empört über die radikale Form der Sprache und Angriffe: „So bricht man jeden Dialog ab und erweist der Sache einen Bärendienst“. Das Problem am Neumarkt sei komplex und im Übrigen liege die Zuständigkeit hier beim Stadtrat und nicht bei der Bezirksvertretung Innenstadt.

Drogen-Mobil

Drogenmobil und Beratungsbus auf dem Cäcilienhof stehen Drogenabhängigen werktags für zwölf Stunden zur Verfügung.

Einen differenzierteren Blick auf die Problemlage fordert auch Dr. Oliver Lueb, Vize-Direktor des benachbarten Rautenstrauch-Joest-Museums: Die Zusammenarbeit mit Ordnungs- und Gesundheitsamt funktioniere eigentlich gut. Die von Hanstein erhobene Forderung nach einer fest installierten Wache auf dem Neumarkt lehnt die Polizei ab: Ein Gebäude schaffe noch keine Präsenz, so Sprecher Wolfgang Baldes. Fakt sei aber, dass die Konsumenten von harten Drogen am Neumarkt sichtbare Probleme machten. Die Polizei nehme daher die Beschwerden der Anwohner ernst und sei mit verdeckten Ermittlungen und verstärkter Videoüberwachung am Neumarkt im Einsatz.

Stadt verweist auf bereits getroffene Maßnahmen

Die Stadt Köln verwies am Mittwoch auf ein umfassendes Maßnahmenpaket, das in den vergangenen Wochen und Monaten umgesetzt worden sei – zum Beispiel die Ausweitung des Drogenmobil-Angebotes auf dem Cäcilienhof (siehe Kasten) auf zwölf Stunden sowie mehr tägliche Rundgänge der Sozialarbeiter zu den Abhängigen.

Die Stadt bestätigte aber auch, dass es einen erhöhten Bedarf an Drogenkonsumräumen am Neumarkt gibt. Dazu sollen auf dem Gelände des Gesundheitsamtes zwölf Konsumplätze eingerichtet werden. Zudem werde aktuell der Neumarkt und sein Umfeld intensiv gereinigt und herumliegende Spritzen eingesammelt – dazu gehörten auch private Flächen.

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Der Kriminalpräventive Rat der Stadt hat nun einen Fachkreis „Plätze mit besonderem Handlungsbedarf“ ins Leben gerufen, der am Freitag erstmalig tagte. In diesem Gremium unter der Leitung der Beigeordneten Andrea Blome sollen Vertreter von Stadt, Polizei, Abfallwirtschaftsbetrieben, Rheinenergie und KVB regelmäßig über laufende Maßnahmen und weitere Lösungen sprechen.

Gestern Abend tagte zudem erstmalig die „Arbeitsgruppe Neumarkt“ – laut Stadt mit dem Ziel, zusammen mit Mitgliedern der Bürgerinitiative „Zukunft Neumarkt“ und der IG Neumarkt die Lage am Neumarkt für die Anwohner und Gewerbetreibenden deutlich zu verbessern.

Konsum unter medizinischer Aufsicht im Drogenmobil

Das mobile Drogenhilfeangebot auf dem Cäcilienhof an der Kirche St. Peter in Neumarktnähe ist Mitte April 2020 ausgebaut worden. Die Öffnungszeiten für das Drogenkonsummobil und den Beratungsbus wurden auf zwölf Stunden täglich erweitert, es ist  von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Samstags und sonntags steht es allerdings noch nicht zur Verfügung.

Die Stadt weist darauf hin, dass der Wartebereich vor dem Drogenkonsum ausgeweitet wurde, so dass der Abstand zur aktuell notwendigen Infektionsvorbeugung gewahrt werden kann.

Das Angebot des Drogenmobils wird von suchtkranken Klienten laut Angaben der Stadt und der Politik gut genutzt. Seit Start des Projektes im Dezember 2019 bis Ende August 2020 wurden dort 7310 Mal Drogen unter Aufsicht konsumiert. Aktuell sind täglich 75 bis 85 Konsumvorgänge zu erwarten, so das Gesundheitsamt. (dhi)

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