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Erpresser in Falle gelocktWie ein Kölner half, einen Kunstraub in Italien zu klären

4 min
  1. Ein Glasexperte vom Kölner Auktionshaus Van Ham trat als Mittelsmann in einem Fall um kostbares Diebesgut auf.
  2. In zahlreichen Telefonaten sprach er mit dem angeblichen Anwalt.
  3. Schließlich kam es zu einem Treffen in Italien.

Düsseldorf/Köln – „Entweder bezahlt ihr ordentlich, oder ihr seht die Dinger nicht mehr.“ Das soll der mutmaßliche Erpresser am Telefon zum Direktor des Glasmuseum Hentrich, Dedo von Kerssenbrock-Krosigk, gesagt haben. Das war Anfang des Jahres. Die Rede war von fünf wertvollen Gläsern, ein Teil jener 14 Stücke, die im Jahr 2000 aus dem Museum gestohlen worden waren. 200.000 Euro wollte der Erpresser.

„Obwohl der Diebstahl verjährt war, hatten wir durch die Erpressung einen Tatbestand“, erläuterte Dirk Sybertz von der Düsseldorfer Polizei am Freitag bei einer Pressekonferenz. Er leitete die Ermittlungskommission „Herzogin“, deren Arbeit dazu führte, dass der 67-jährige Tatverdächtige und eine 63-jährige Freundin Ende Juli im italienischen Alba verhaftet wurden. Auch fünf der gestohlenen Gläser konnten sichergestellt werden. Bei einem sechsten Glas ist unklar, ob es aus dem Düsseldorfer Museum stammt.

Rippenglas

Dieser Rippenkrug aus Achatglas – um 1600 in Murano gefertigt – war 2000 in Düsseldorf gestohlen worden.

Eine Schlüsselfunktion bei der Überführung des mutmaßlichen Täters hatte der Kölner Christoph Bouillon. Er ist Glasexperte und Sachverständiger beim Kölner Auktionshaus Van Ham. Von Kerssenbrock-Krosigk bat den 50-Jährigen, als Mittelsmann aufzutreten. Das war Ende Mai. „Damals dachte ich, das ist schnell über die Bühne“, erinnert sich Bouillon in einem exklusiven Gespräch mit der Rundschau.

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Beamte hörten alles mit

Aber die Verhandlungen mit dem Erpresser zogen sich in die Länge. Der Mann, der sich Thomas nannte, rief immer wieder an. Erst sollte die Übergabe im Auktionshaus stattfinden, dann in Monte Carlo, schließlich in Italien. „Bei den Telefonaten ging es zwei Schritte vor und drei Schritte zurück“, erzählt der Kunstexperte. Eine Erfahrung, die die Düsseldorfer Kripo teilte. Beamte hörten alle Gespräche mit und berieten den Kunstexperten über die weitere Taktik.

„Der Erpresser gab sich als Anwalt eines inzwischen verstorbenen französischen Sammlers aus. Und er verwickelte sich in Widersprüche. „Mal hatte er die Kunstwerke legal erworben und war Eigentümer, mal war er Vermittler. Je länger die Verhandlungen dauerten, desto genervter wurde er“, sagt Bouillon und fügt hinzu: „Ich glaube, er war maßlos überfordert.“ Die Wahl für eine Übergabe fiel schließlich auf die Kleinstadt Alba in der Nähe des Wohnorts des Erpressers. Inzwischen war die italienische Polizei mit im Boot. „Operazione Kristall“ nennt sie die Ermittlungen.

„Die Stücke aus der Schusslinie bringen“

Christoph Bouillon fährt alleine im Auto los, Sybertz und eine Kollegin kommen nach. Vor Ort planen deutsche Kripo und italienische Carabinieri. Es wird beschlossen, dass sich die Düsseldorfer Polizistin als Assistentin von Bouillon ausgibt. Am 23. Juli kommt es zur Übergabe.

Millionenbeute

Das Glasmuseum Hentrich ist eine Abteilung des Düsseldorfer Kunstpalastes. Benannt ist es nach dem Düsseldorfer Architekten Helmut Hentrich, der seine herausragende Glaskunstsammlung dem Museum schenkte. Präsentiert wird auf drei Ebenen ein Überblick über die Geschichte der Glaskunst von der Antike bis zur Gegenwart. Wegen Umbauten ist das Museum noch bis Sommer 2022 geschlossen.

Der Wert der gestohlenen Glasobjekte wurde im Jahr 2000 laut Polizei mit 2,2 Millionen Mark angegeben. Allein die fünf Glasobjekte aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die in Italien sichergestellt wurden, sind mit einer Summe von 700 000 Euro versichert. Das wertvollste der Gläser ist ein Rippenkrug aus Achatglas, der in Murano hergestellt wurde. Bis heute nicht wieder aufgetaucht sind noch sechs bis sieben Glasobjekte.

Die Umstände des Diebstahls liegen bis heute im Dunkeln. Die Täter nutzten wahrscheinlich einen Nachschlüssel, um in das Museum zu gelangen. (dha)

Der Kunstsachverständige und seine mutmaßliche Assistentin warten in einem Hotel in Alba. Der Raum ist überwacht mit Kameras und Mikros. Bouillon wundert sich, als er den 67-Jährigen mit dem wertvollen Gepäck sieht: „Der hatte Mehrwegtüten dabei. Eine von Aldi. Das sah so grotesk aus, völlig absurd.“ Der Mann packt sofort alles aus. „Ich hatte das Gefühl, er will es hinter sich bringen. Ich habe jedes Stück untersucht, protokolliert und dann sofort verpackt. Mir war es wichtig, die Stücke aus der Schusslinie zu bringen.“ Als das Glas vom Tisch ist, erfolgt der Zugriff. „Der Mann hat mich wüst beschimpft.“ Er habe fast ein schlechtes Gewissen gehabt, gesteht Bouillon: „Aber dann sagte der Botschaftsattaché, der auch dabei war, dass ich meinem Vaterland einen großen Dienst erwiesen habe“.

Die italienischen Behörden haben jetzt ein eigenes Verfahren gegen die beiden Tatverdächtigen eingeleitet. Erst wenn das abgeschlossen ist, dürften die wertvollen Gläser wieder zurück nach Düsseldorf kommen.