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Kölner Ex-AfD-PolitikerRoger Beckamp prüft Schritte gegen Verfassungsschutz-Gutachten

6 min
Der Verfassungsschutz hat den Ex-Politiker Roger Beckamp im Visier.

Der Verfassungsschutz hat den Ex-Politiker Roger Beckamp im Visier.

Der Ex-AfD-Abgeordnete Roger Beckamp aus Köln wird vom Verfassungsschutz ausführlich erwähnt. Gegenüber der Rundschau rechtfertigt er sich.

Roger Beckamp ist wütend. Wenn der umtriebige Ex-Politiker der „Alternative für Deutschland“ (AfD) auf dem Balkon seiner Wohnung im Kölner Westen ist, hört er zuweilen Gesänge aus seiner Nachbarschaft. Da erklingt beispielsweise „Bella Ciao“, das Lied, das zur Zeit des Zweiten Weltkriegs durch die Widerstandsbewegung gegen den Faschismus in Italien prominent geworden war und in der jüngeren Vergangenheit als Techno-Version die Charts stürmte. Nun wird es als Form des Protests gegen einen Menschen genutzt, dem manche offenbar Faschismus vorwerfen. Ganz aus der Luft gegriffen ist das nicht. Schließlich wird Roger Beckamp im Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), das die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistische Partei rechtfertigen soll, mehr als zwei Dutzend Mal namentlich genannt.

Aktuell hat Roger Beckamp kein öffentliches Mandat mehr. Er war Vorsitzender der AfD-Stadtratsfraktion, vertrat bis Jahresbeginn den Rhein-Sieg-Kreis im Bundestag. Aus dieser Zeit stammen die Äußerungen von Beckamp, die die Verfassungsschützer akribisch zusammengetragen haben. In einer Zeit, in der die AfD versucht, sich einen seriöseren und weniger radikalen Anstrich zu geben, sind die belastenden Statements des kürzlich nach Köln gezogenen Parteimitglieds nicht gerade hilfreich.

Beckamp spricht von zulässiger Zuspitzung

Doch Beckamp geht in die Offensive. Im Internet wehrt er sich mit einem Video gegen die gesanglichen Provokationen seiner Nachbarschaft. Und von der Rundschau befragt zu den Erwähnungen im Papier des Verfassungsschutzes, zeigt er sich dünnhäutig und angriffslustig. Der einstige Politiker, der beruflich als Rechtsanwalt firmiert, verlangt zu jeder einzelnen Erwähnung einen „Vorhalt“, wenn man darüber berichten wolle. Um das zu ermöglichen, wurden ihm sämtliche Stellen ausführlich „vorgehalten“ – mit zuweilen überraschenden Reaktionen.

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So beschäftigt sich der Verfassungsschutz mit Äußerungen von Roger Beckamp, die in der einen oder anderen Weise die Theorie eines Austausches der einheimischen Bevölkerung unterstützen. „Tauschen wir die Regierung aus, bevor sie das Wahlvolk austauscht!“, soll sich Beckamp beispielsweise zu eigen gemacht haben. „Eine zulässige Zuspitzung im Rahmen der Kritik an einer Migrationspolitik, die langfristig demografische Auswirkungen hat“, meint Beckamp dazu auf Anfrage. Eine von ihm im Internet geteilte Grafik hatte er mit dem Hinweis „Der Bevölkerungsaustausch ist eine rechtsextreme Verschwörungstheorie!!1!“ kommentiert. „Ironische Gegenrede zur Diskriminierung legitimer Begrifflichkeiten“, ordnet er das ein.

An die Debatte um den AfD-Politiker Alexander Gauland und seine Einordnung der Nazi-Herrschaft als „Vogelschiss der Geschichte“ erinnert eine Einlassung von Beckamp in Reaktion auf eine Rede des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Anlässlich der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg hatte Beckamp ausgeführt, dass Deutschland „heutzutage vielerorts in Politik und Medien zu einem unentrinnbaren Schuldzusammenhang geschrumpft“ sei, „der als einzigen Ausweg die Auflösung der Nation kennt“. Das sei eine „Fixierung auf nur einen Teil der Geschichte“. Beckamp teilt dazu mit, eine solche geschichtspolitische Debatte sei erlaubt, auch wenn sie kritisch und mit Blick auf die nationale Selbstvergewisserung geführt werde.

„Macheten-Mutombo und Böller-Bilal“

Ausschreitungen in einem Berliner Freibad kommentierte Roger Beckamp öffentlich mit „Hach, diese südländische Lebensfreude!“, was er auf Nachfrage als „satirische Überspitzung realer Vorfälle“ bezeichnet und explizit nicht als Pauschalverurteilung von Herkunftsgruppen verstanden wissen will. Zur Debatte über Übergriffe in einer Silvesternacht in der Hauptstadt im Jahr 2022 kritisierte Beckamp auf Instagram die „Massenmigration“ und verwendete die Begriffe „Macheten-Mutombo und Böller-Bilal“. Auch hier ordnet er das nun als satirische Personalisierung zur Veranschaulichung eines Sicherheitsproblems ein und verwahrt sich gegen den Vorwurf des Rassismus.

Roger Beckamp

Roger Beckamp

Einen Aufruf zu „Notwehr und Nothilfe“ gegen „ständige Übergriffe vorwiegend durch junge orientalische und afrikanische Migranten“ bei Telegram sieht Beckamp als bloße Kritik an Staatsversagen im Sicherheitsbereich. Diese werde von ihm „verbunden mit expliziter Solidarität mit rechtschaffenen Migranten“, betont er heute.

Der Verfassungsschutz legt dem früheren AfD-Politiker ferner einen Tweet zur Last, in dem er eine zugespitzte Gleichung aufgemacht hatte: „Einwanderung aus Afrika und dem Orient = Messerstraftaten = Tote und Verletzte = Angst im öffentlichen Raum“. Dies sei eine empirisch belegbare Entwicklung und sein Recht, dies anzusprechen, meint er. Selbst eine Äußerung zur „afghanischen Raumnahme“ der „erst auf den zweiten Blick freundlichen Herren aus dem Morgenland“ sei eine politische Metapher und kein Angriff auf Ethnien, sondern auf mangelnde Integrationspolitik.

Die aktive politische Nähe zu Organisationen wie der inzwischen aufgelösten „Jungen Alternative“, dem „Institut für Staatspolitik“ und der Bewegung „Ein Prozent“, die allesamt vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurden, hält Roger Beckamp für unproblematisch. Auch die von den Beamten als problematisch gesehenen Medien „Sezession“ und „Verlag Antaios“ sowie der „identitäre Tarnverein AHA!“ in Syrien wurden in Statements von Beckamp gelobt. „Gespräche mit oppositionellen Denkern, Lektüre alternativer Medien und Fördermitgliedschaften sind Ausdruck demokratischer Vielfalt“, gibt er dazu zu Protokoll.

Solidarität mit „Revolte Rheinland“

Mit einem Schritt hat sich der damalige AfD-Politiker unterdessen besonders weit in die Kritik begeben. Nachdem Ende 2023 die Organisation „Revolte Rheinland“ auf die Unvereinbarkeitsliste der AfD gesetzt worden war, hatte Roger Beckamp eine Solidaritätserklärung veröffentlicht, in der er die „mutigen Aktivisten der Gruppe“ anspricht. Auf Anfrage erläutert er dazu, dass Solidarität mit gewaltfreien Aktivisten legitim sei. Eine „Kontaktschuld“ lehne er ab.

Insgesamt sieht der Kölner eine „fortgesetzte Einseitigkeit, mit der oppositionelle Beiträge seziert, skandalisiert und kontextlos zitiert werden“, was er nicht hinnehme. Schließlich würden gleichzeitig öffentliche Gewaltfantasien und Geschmacklosigkeiten aus dem linksliberalen oder öffentlich-rechtlichen Milieu nahezu kommentarlos durchgewunken.

„Ich stehe für meine Aussagen ein“, betont Roger Beckamp resümierend gegenüber der Rundschau. Kritik an staatlichem Handeln müsse auch in deutlicher Sprache zulässig bleiben: „Dass sie im Verfassungsschutzbericht erscheint, ist ein politischer Vorgang – kein rechtlicher Makel.“

Ex-Politiker prüft gerichtliches Vorgehen

Beim Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das derzeit noch vom Verwaltungsgericht geprüft wird, handelt es sich laut Beckamp „weniger um eine fundierte Analyse, sondern vielmehr um eine Sammlung aus dem Kontext gerissener Memes und Social-Media-Beiträge“. Keine der darin genannten Aussagen erfülle auch nur im Ansatz den Tatbestand strafbaren Verhaltes oder stelle sonst ein Problem im Rahmen rechtsstaatlicher Maßstäbe dar: „Ich prüfe daher ein gerichtliches Vorgehen, das auch meiner Sicht gute Erfolgsaussichten hätte.“

Unterdessen hält er die „linksextremen Gesänge“ sowie „Antifa-Rufe und Beschimpfungen“ in seinem Kölner Wohnviertel für „feige und albern“. Leider hätten diese Beschimpfungen nicht nur ihn persönlich, sondern auch seine Familie und insbesondere seine Kinder getroffen. Er werde nicht woanders hinziehen und habe die Polizei eingeschaltet. Er habe viele positive Rückmeldungen auf sein erstes Video erhalten, auch aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft.

Ein weiteres Video werde er noch veröffentlichen, kündigte er gegenüber der Rundschau an. So etwas macht er derzeit auf Youtube – bei seinen Accounts auf anderen sozialen Netzwerken, die im Gutachten des Verfassungsschutzes genannt werden, ist es dagegen ziemlich ruhig geworden.