Trotz Abfindungen fühlen sich Beschäftigte des Kölner Ford-Werks unter Druck gesetzt. Ein dreistufiges System soll „freiwillige“ Abgänge fördern – doch von Freiwilligkeit könne keine Rede sein, kritisiert ein langjähriger Mitarbeiter.
StellenabbauMitarbeiter von Ford fühlen sich offenbar unter Druck gesetzt

Die Ford-Werke in Niehl
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Seit gut 30 Jahren ist Berkay Yilmaz (Name geändert) stolzer Fordler. Hat Höhen und Tiefen miterlebt, war bis vor sechs Jahren gewerkschaftlich organisiert und immer eng mit dem Kölner Werk verbunden. Jetzt aber sei eine Grenze erreicht, sagt er: Vom Betriebsrat fühlt er sich im Stich gelassen, vom Management sowieso. Massiv Druck aufgebaut werde zurzeit auf die Belegschaft, weshalb er auch seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will.
Mitarbeiter unter Druck: Abfindungsregelungen bei Ford
„Nach außen hin wird alles schön verpackt“, sagt er. Die Abfindungszahlungen für freiwillig ausscheidende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ausgehandelt und fielen in vielen Fällen auch gar nicht schlecht aus, wie Yilmaz selbst einräumt. Nur: Von freiwillig könne keine Rede sein. Und es würden längst nicht alle gleichbehandelt.
Dreistufiger Plan: Abfindungsangebote und ihre Konsequenzen
Drei Stufen regelten die Abfindungsverhandlungen: Stufe eins ist das Angebot der vollen Abfindung, die sich je nach Jahren der Betriebszugehörigkeit durchaus lukrativ gestalten kann. Es folgen drei Monate Bedenkzeit, dann greift automatisch Stufe zwei: 30 Prozent weniger bei allen weiteren Verhandlungen. Werde auch hier keine Einigung erzielt, liefen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter letztlich Gefahr, eine betriebsbedingte Kündigung zu erhalten. Das wäre dann Stufe drei.
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Ungewissheit und Investoren: Unsicherheiten bei Ford Köln
Allerdings erhielten längst nicht alle Mitarbeitenden überhaupt ein Angebot. Bereiche, die vor einer möglichen Übernahme durch einen Investor stünden, blieben außen vor, so Yilmaz. Von einer Absicherung im Falle der Entlassung nach der Übernahme sei auch keine Rede mehr. „Alle reden über VW, aber Ford läuft irgendwie unter dem Radar“, beklagt er sich. „Viele in der Belegschaft sind jetzt verunsichert, fühlen sich auch unter Druck gesetzt. Das passt alles nicht mehr zu Ford Köln.“
Konkrete Namen kursierten momentan in der Belegschaft, was mögliche Investoren für Teilbereiche des Ford-Werkes und deren Dienstleistungen angeht. Der eines eigentlich auf die Vermarktung von Gewerbeflächen spezialisierten Immobilien-Dienstleisters mit Sitz in Dallas/Texas zum Beispiel. Dieser hat bereits ein von den Ford-Werken genutztes Grundstück in einem strukturierten Bieterverfahren und im exklusiven Auftrag von Ford an Panattoni, einem Entwickler von Industrie- und Logistikimmobilien ebenfalls mit Hauptsitz in den USA, vermittelt und die Vermarktung der Flächen übernommen.
Ausgliederung und Dienstleistungsvergabe sorgen für Verunsicherung
Dass die Company Bereiche ausgliedern und Dienstleistungen an Fremdfirmen vergeben will, ist kein Geheimnis. Sogar Betriebsbesichtigungen habe es gegeben, so Yilmaz. Konkrete Informationen aber gebe es nicht, weder vom Betriebsrat noch vom Management. Dafür piept der Flurfunk in den höchsten Tönen – und der tut der Atmosphäre im Werk nicht gut, ist Yilmaz überzeugt. „Klar macht sich dann jeder seine eigenen Gedanken.“
IG Metall und Ford: Verhandlungen über Abfindungen laufen
Wie es weitergeht, scheint momentan keiner so recht zu wissen. Zurzeit wird um Verständnis dafür geworben, dass die Umsetzung von Stufe eins der Abfindungsverhandlungen noch nicht gestartet werden könne. Momentan liefen noch Gespräche mit dem Management.
David Lüdtke, Leiter des IG Metall-Vertrauenskörpers bei Ford, kann die Unruhe in der Belegschaft verstehen. Im Juli hatten Management und Arbeitnehmervertreter eine Grundsatzentscheidung über Abfindungen beim Ausscheiden aus dem Unternehmen abgeschlossen. Vielen Mitarbeitenden winken Zahlungen bis zu 200.000 Euro, es können in Einzelfällen auch 300.000 Euro sein.
Stufenplan als Kompromiss: Herausforderungen bei den Verhandlungen
Der Vereinbarung hatten Anfang September 93,5 Prozent der IG Metall-Mitglieder zugestimmt. Einzelheiten müssen aber immer noch in den Verhandlungen von Arbeitnehmervertretern und Management geklärt werden. Dabei geht es beispielsweise darum, wo denn genau wie viele Stellen gestrichen werden, so Lüdtke. Den Stufenplan habe der Arbeitgeber unbedingt gewollt, führt er weiter aus. Er wollte auch betriebsbedingt kündigen können, wenn sich nicht genug Freiwillige für einen Stellenabbau finden. „Das war die Kröte, die wir schlucken mussten, um eine Absicherung für die Mitarbeitenden auch im Falle einer Insolvenz der Ford-Werke zu bekommen“, so Lüdtke.
Wann die erste Stufe im Stellenabbau starte, bei dem betroffene Mitarbeitende Abfindungsangebote bekommen, sei noch unklar. Geregelt sei aber auch, dass Mitarbeitende, die nicht vom Abbau betroffen seien, Ford gegen Abfindungen verlassen könnten, wenn sie einen Tauschpartner aus einem Abbaubereich finden, so Lüdtke. Auch ein Tausch mit Mitarbeitenden in Werkteilen, die verkauft werden, sei möglich.
