Freie Wohlfahrtsträger fordern die Übernahme der massiv gestiegenen Lohnkosten durch Kommune und Land.
Protestaktion „Köln bleib(t) sozial“Darum sind 500 Einrichtungen in Köln zwei Tage lang zu
So gewaltig wie die Dimension des Protestes sei das Problem. „Nur so können wir sichtbar machen, was passiert, wenn es uns nicht mehr gibt“, begründet Caritas-Chef Peter Krücker die von den Sozialverbänden der Liga der Freien Wohlfahrtspflege initiierte Protestaktion „Köln bleib(t) sozial“. Mehr als 500 Dienste und Einrichtungen im sozialen Bereich, die von Verbänden oder Freien Trägern verantwortet werden, blieben gestern und sind auch heute geschlossen. Die Mitarbeitenden machten mit zahlreichen Aktionen in den Veedeln — gemeinsam mit Bewohnenden, Klienten, Eltern und Kindern — sowie einer Menschenkette über die Deutzer Brücke auf ihre Notsituation aufmerksam. Für heute wird ab 11.11 Uhr eine Großdemonstration vom Deutzer Bahnhof bis zum Aachener Weiher folgen.
Das Problem: Im Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst wurden mit Blick auf die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten im Schnitt Lohnsteigerungen von rund 10 Prozent vereinbart. „Diese notwendigen Lohnsteigerungen trägt die Kommune bei Beschäftigte der öffentlichen Hand mit großer Selbstverständlichkeit. Doch die freien Träger sollen die enormen Mehrkosten alleine stemmen. Das können wir nicht“, so die Vertreter der in der Liga-Verbände Caritas, Paritätischer, DRK, AWO, Diakonisches Werk und Synagogengemeinde.
Diese Verbände und Freie Träger betreiben in Köln einen großen Teil der Seniorenzentren, Kitas, Schuldnerberatungen, OGS-Betreuungen, Jugendzentren und Einrichtungen für Geflüchtete, bieten Integrationsberatungen und Hilfen für psychisch kranke Menschen an. „Wir stellen viele Pflichtaufgaben der Stadt sicher, wie etwa Kitas oder Schuldnerberatung“, so Ulli Volland-Dörman, Geschäftsführerin des AWO-Kreisverband Köln. „Und das oft günstiger als die Stadt.“
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„Seit einem halben Jahr weisen wir die Politik und Verwaltung auf diese Notsituation hin. Bis heute gibt es keinen Vorschlag, wie sie abgewendet werden kann“, so Liga-Sprecher Krücker. „Handlungsbedarf sehen viele Ratspolitiker. Aber sie handeln nicht, sondern sitzen die Situation aus. Und das nach Jahrzehnten guter Zusammenarbeit“, kritisiert Marc Ruda, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Köln.
Träger ohne Rücklagen seine durch die hohe Mehrbelastung schon jetzt akut von Schließung bedroht. Deshalb müssten sowohl das Land als auch die Kommune dringend einen Teil der gestiegenen Lohnkosten übernehmen, so Krücker. „Wir brauchen jetzt eine konkrete Initiative der Kölner Politik und Verwaltung zur Anpassung der Finanzplanung 2024 und 2025.“ Die im Jahr 2022 für den Doppelhaushalt 2023/24 veranschlagte Zweiprozentige Tariflohnerhöhung sei fern der Realität. 18 Millionen Euro würden die Träger benötigen, um die Tariflohnsteigerungen im Jahr 2024 aufzufangen. Dazu müssten sie weiter die Teuerung durch Inflation stemmen. Wenn nicht schnell etwas passiere, müssen Träger Insolvenz anmelden oder Bereiche schließen.
Das droht auch dem Sozialverband In Via, der an 32 Grundschulen eine OGS-Betreuung anbietet. „Um die Folgen der Pandemie aufzufangen, bräuchte wir mehr Mitarbeitende statt Kürzungen“, sagt Andrea Redding, Geschäftsführerin von In Via. „Etliche Erstklässler, die zu uns kommen, können keinen Stift halten und nicht mit einer Schere schneiden.“ Auch das soziale Lernen ist in der Zeit der Isolation bei vielen Kindern zu kurz gekommen. In der OGS lernen sie etwa, wie man Konflikte löst, indem man miteinander redet. Die Unterstützung in schulischen Dingen helfe vor allem Kindern aus belasteten familiären Verhältnissen, ihre Schulzeit gut zu beginnen. Beziehungsarbeit sei wesentlich, doch die kostet Zeit. „Aber nur wer sich in einer Gruppe wohlfühlt, kann auch gut lernen“, sagt Redding. Doch die Personalsituation im OGS ist schon jetzt denkbar eng. 25 Kinder werden von einer Gruppenleitung und einer Ergänzungskraft mit 15 Wochenstunden betreut. „Und das zu extrem ungünstigen Arbeitszeiten, was es sehr schwer macht, Mitarbeitende zu finden“, so Redding.
Ohne Übernahme der Zusatzkosten könne man keine angemessene Betreuung mehr sicherstellen. „Um der Stadt zu zeigen, dass wir es ernst meinen, haben wir die Kooperationsvereinbarung für das Schuljahr 203/24 noch nicht unterzeichnet“, sagt die Geschäftsführerin. Bei der heutigen Demo sei man dabei, zudem prüfe man juristische Schritte.
Für weitere Proteste rüsten sich auch die Verbände der Liga. „Wir haben keine Zeit mehr. Bei der Ratssitzung am 7. Dezember muss ein Beschluss gefasst werden.“ Auf die Kita-Schließungen hatte der LVR als mit einer internen Mail an die Verantwortlichen dieser Kitas reagiert. Er wies auf die rechtlich zulässigen Grenzen einer Schließung als „Ausdruck politischen Protestes hin“. In Rede stand eine „Zuverlässigkeitsprüfung der Träger“ mit Blick auf die Betreuungzusage. Der sieht Krücker gelassen entgegen: „Wir kämpfen ja dafür, dass es diese Kitas im kommenden überhaupt Jahr noch gibt.“
Demonstration: Mittwoch, den 29. November 2023, ab 11.11 Uhr zieht die Demo zum Aachener Weiher. Start ist der Platz am Deutzer Bahnhof.