Abo

Seit 50 Jahren„Dienstags Kaffee“ in Meschenich ist Anlaufstelle für Senioren

4 min
Teil der Treffen ist auch ein Bingo-Spiel

Teil der Treffen ist auch ein Bingo-Spiel

Der „Dienstags-Kaffee“ in Meschenich ist seit fünfzig Jahren ein Treffpunkt für Senioren. Dank einer Spende der Rundschau-Altenhilfe bleibt er auch weiterhin bestehen.

Das silberne Plastikkrönchen glitzert auf Anita Küsters Kopf. Ihre Freundinnen wuseln um sie herum, schenken Sekt ein, servieren Kuchen. Der wöchentliche Seniorentreff „Dienstags-Kaffee“ ist heute auch eine Geburtstagsfeier. 99 Jahre alt ist die Kölnerin geworden, die lächelnd an einem langen Tisch sitzt. „Ich habe meinen Sohn mitgebracht, damit er mir hilft, die ganzen Geschenke zu tragen“, sagt sie und zwinkert.

Natürlich wolle sie auch mit denen feiern, die sie seit Jahrzehnten regelmäßig trifft. Die sie aufnahmen, als sie frisch nach Meschenich gezogen war und niemanden kannte, erklärt sie. Von rund 30 Personen, die früher jeden Dienstag in die Gemeinderäume der Kirche St. Blasius kamen, seien heute weniger als die Hälfte übrig. „Viele von ihnen sind schon gestorben.“ Und Neuzugänge habe es in den vergangenen Jahren kaum gegeben.

Anita Küsters feierte ihren 99. Geburtstag mit der Gruppe.

Anita Küsters feierte ihren 99. Geburtstag mit der Gruppe.

Willi Bollenbeck (83) und seine Frau Hildegard (82), die den „Dienstags-Kaffee“ von Anfang an begleiten, wollen das ändern. Vor rund 50 Jahren wurde er von der Haushälterin des damaligen Pfarrers von St. Blasius gegründet und solle nun wieder mehr Leuten das bieten, was er für den harten Kern nach wie vor ist: „Ein Ort, um Freundschaften zu knüpfen und zusammen etwas zu erleben“, sagt Willi, der aktuell der einzige Mann der Gruppe ist. „Das hält einen einfach fit.“ Von seinem Wunsch hat der Rundschau berichtet, für die er über 10 Jahre arbeitete. „Es könnten ruhig noch 30 Leute mehr kommen. Wir haben Platz und alle sind willkommen.“

Selbstgebackener Kuchen und Bingo

Den Kuchen für das Treffen backt das vierköpfige Orga-Team jede Woche selbst. Und auch ein Bingo-Spiel mit einem kleinen Geldeinsatz gehört zum „Dienstags-Kaffee“. An Feiertagen gehe die Gruppe oft zusammen in ein Restaurant. „Ein schönes Weihnachtsessen, Spargelessen oder Fisch an Aschermittwoch gibt es dann“, erklärt Willi. All das schien spätestens dieses Jahr in Gefahr zu sein. „Wir sammeln von den Teilnehmenden drei Euro pro Treffen ein, von denen wir dann die Verpflegung und die Restaurantbesuche bezahlen. Aber weil die Gruppe schrumpft und alles immer teurer wird, reicht das einfach nicht mehr.“

ildegard Bollenbeck hat dabei geholfen den Dienstags Kaffee zu gründen.

ildegard Bollenbeck hat dabei geholfen den Dienstags Kaffee zu gründen.

Als die Altenhilfe der Rundschau DIE GUTE TAT e.V. von dem „Dienstags-Kaffee“ hörte, wollte sie zum Erhalt des Angebots beitragen. Mit einer Spende über 500 Euro sollen die nächsten Treffen gesichert sein. „Leute“, ruft Willi Bollenbeck in das Stimmengewirr der Unterhaltungen am Tisch. „Ich habe eine Überraschung.“ Aus der verwirrten Stille wird Applaus, als er von der Spende erzählt. Damit auch ist das anstehende Weihnachtsessen in einem Gasthaus gesichert.

„Das bedeutet mir sehr viel“, bedankt sich Hildegard bei der Altenhilfe. Als Mitgründerin der Gruppe, ist eine der Frauen, die regelmäßig für die Runde backt. Ihre dunkelblaue Schürze, bedruckt mit dem Titel des Treffs, trage sie mit Stolz. „Es sind kleine Sachen wie ein Bingo-Spiel, die total viel Spaß machen“, sagt sie. Um eine Gemeinschaft zu pflegen, brauche es keine ausgefallenen Dinge.

Selbstgebackener Kuchen ist obligatorisch

Selbstgebackener Kuchen ist obligatorisch.

Doch es sei schwieriger geworden, dieses Gefühl des Zusammenhalts zu wecken, sagt Willi. Denn Meschenich habe sich stark verändert. Er muss es wissen, denn der Rentner wurde dort geboren. Eine Zeit, in der seine Heimat noch ein eigenständiges Dorf war, bevor es 1975 Teil von Köln wurde. Zwei Jahre zuvor begannen bereits die Bauarbeiten des Kölnbergs, der regelmäßig Schlagzeilen als Brennpunkt macht. Das habe Meschenich offenbar ein schlechtes Image verschafft.

„Viele Häuser stehen hier mittlerweile leer“, sagt Willi. Denn auch an Kultur- und Sportangeboten mangele es mittlerweile. Der Anteil von Menschen mit Wurzeln in anderen Ländern sei stark gestiegen. „Ich habe oft Probleme, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, weil viele kein Deutsch sprechen.“

Es könnten ruhig noch 30 Leute mehr kommen. Wir haben Platz und alle sind willkommen.
Willi Bollenbeck über den Seniorentreff

Die Bollenbecks haben den Glauben an eine Veedelskultur in Meschenich aber nicht verloren. Schließlich haben sie sich dort nicht nur kennengelernt, sondern auch ihr ganzes Leben in dem Stadtteil verbracht. Seit fast 60 Jahren sind sie beiden verheiratet. „Wir haben beide im Kaufhof an der Hohe Straße gearbeitet und uns im Bus auf dem Weg nach Hause kennengelernt. Davor waren wir aber schon im selben Kindergarten in Meschenich und auch in derselben Grundschulklasse. Nur richtigen Kontakt hatten wir bis zu dem Moment im Bus nie, als ich mich getraut habe, mich neben sie zu setzten“, erinnert sich Willi.

Eine Institution im Veedel: Der Seniorentreff Meschenich

Eine Institution im Veedel: Der Seniorentreff Meschenich

Sein nostalgischer Rückblick währt nicht lange. Die Gruppe stimmt lauthals ein Geburtstagslied für Anita an. „Gibt es jetzt noch mehr Geschenke?“, fragt sie danach lachend und rückt sich ihr Krönchen zurecht. „Auf dass du ein bisschen braver wirst“, kontert Willi und hebt sein Sektglas. „Und darauf, dass wir auch deinen 100. Geburtstag zusammen feiern.“