Wechsel auf ÖkostromErzbistum Köln zieht der Rheinenergie den Stecker

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Bei der Beleuchtung romanischer Kirchen wie hier Groß St. Martin ist die Rheinenergie Dienstleister für die Stadt.

Köln – Der Kölner Regionalversorger Rheinenergie hat nach der Stadt Köln weitere prominente Kunden verloren. Nach Rundschau-Informationen haben 17 der 36 katholischen Kölner Kirchengemeinden, ein Kirchengemeindeverband und das Generalvikariat des Erzbistums Köln ihre Lieferverträge für Strom und Gas gekündigt. Seit September werden sie vom Ökostrom-Anbieter Wemag AG mit Sitz in Schwerin und der Knauber Erdgas GmbH aus Bonn mit Strom und Gas beliefert. Der Anbieterwechsel ist Teil einer neuen Strategie des Erzbistums zur „schöpfungsfreundlichen Energieumstellung“. Bis 2030 will es klimaneutral werden. Mehr als ein Viertel der 525 Pfarrgemeinden im Erzbistum Köln haben sich bereits zusammengeschlossen und beziehen seit September ihre Energie von zwei gemeinsamen Anbietern.

Ökologische und finanzielle Interessen

Neben ökologischen Zielen geht es dabei auch um handfeste finanzielle Interessen. Durch die Bündelung der vielen Einzelverträge, die die Gemeinden bisher eigenständig abgeschlossen haben, will das Erzbistum mit nur noch zwei Großverträgen günstigere Konditionen erzielen. Das Angebot zur Umstellung wird derzeit in den Gemeinden offensiv vom Erzbistum beworben: Sie könnten dadurch sparen und die Verwaltung vereinfachen Die Teilnahme ist freiwillig.

Im November und März finden eine zweite und dritte Vergabewelle statt. Bei der ersten Ausschreibung von Ökostrom hatte sich die Wemag AG mit dem besten Preis und weiteren Kriterien durchgesetzt. Der Versorger mit Fokus auf die Region Mecklenburg und Westprignitz trägt das Ökostrom-Siegel „ok-Power Label“, das nur Anbieter erhalten, die nicht an Kohlekraftwerken beteiligt sind.

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Die Rheinenergie, die ab Januar 2022 allen Privat- und Gewerbekunden nur noch Ökostrom liefert (wir berichteten), kann da nicht mithalten. Sie besitzt 49,6 Prozent der Anteile am Kohlekraftwerk Rostock. „Wir haben uns für die höchsten Ökostromqualitäten entschieden“, so eine Sprecherin des Erzbistums. Diese würden nicht von allen Ökostrom-Anbietern angeboten. „Dazu zählt auch die Rheinenergie.“ Inwieweit der Kölner Versorger von den Vertragskündigungen in mehr als 130 Kirchengemeinden im Erzbistum betroffen ist, wollte die Rheinenergie auf Nachfrage nicht preisgeben.

14 Millionen Kilowattstunden Ökostrom pro Jahr

Das Bistum erklärte, die fraglichen Gemeinden hätten ihre Energie von 40 verschiedenen Energieversorgern bezogen. 60 Prozent dieser Gemeinden hätten bis dato keinen Ökostromvertrag gehabt. Das Erzbistum Köln erstreckt sich rund um Köln von Düsseldorf und Mettmann im Norden bis Euskirchen, Bonn und Altenkirchen im Süden.

Der Liefervertrag mit der Wemag umfasst laut Bistum künftig rund 14 Millionen Kilowattstunden Ökostrom pro Jahr. Das entspricht dem Verbrauch von rund 4000 Drei-Personen-Haushalten. Zum Vergleich: 2020 setzte die Rheinenergie 10,38 Milliarden Kilowattstunden Strom ab.

Anbieterwechsel

120 Gigawattstunden beträgt in etwa der Jahresverbrauch an Strom, den die Stadt Köln im Mai 2020 für ihre rund 2800 Gebäude neu ausgeschrieben hatte. Den Zuschlag bekam der Ökostromhändler „Lichtblick SE“, eine Tochter des Mitsubishi-Konzerns, der auch Kernkraftwerke baut.

Die Rheinenergie, die zu mehr als 75 Prozent der Stadt Köln gehört, zog bei der Ausschreibung den Kürzeren. Rheinenergie-Chef Dieter Steinkamp war entsetzt. „Das ist so, als würde ein Bäcker seine eigenen Brötchen nicht essen.“ Seit Januar 2021 liefert Lichtblick den Strom für die Ämter, Schulen, Kitas und Museen der Stadt. Der Vertrag läuft drei Jahre. Die Politik will ihn 2023 so neu ausschreiben, dass auch die Rheinenergie eine Chance hat. (fu)

Wirtschaftlich gesehen, dürfte der Verlust der Lieferverträge mit Kirchengemeinden für die Rheinenergie somit marginal sein. Jedoch trifft die Kündigung den Versorger zu einer Zeit, wo er sich nach langem Ringen mit der Bürgerinitiative Klimawende Köln dazu verpflichtet hat, schneller klimaneutral zu werden. Bis 2035 will er sowohl seine Strom- und Wärmeversorgung komplett dekarbonisieren und dabei die erneuerbare Energie in der Region massiv ausbauen.

Hinzu kommt: Die Rheinenergie ist im Rheinland verwurzelt, sie unterstützt hier viele Projekte im Bereich Kultur, Sport und Soziales. Im Auftrag der Stadt Köln kümmert sie sich um die Beleuchtung des Kölner Doms und der romanischen Kirchen, hat sich hier früher auch als Sponsor engagiert. Nun fließen die Erlöse aus dem Stromverbrauch der Gemeinden nach Mecklenburg-Vorpommern.

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Der Verlust von Kirchen-Lieferverträgen weckt Erinnerungen an den Anbieterwechsel der Stadt Köln, die ihre Stromverträge mit der Rheinenergie Ende 2019 auslaufen ließ und seit 1. Januar 2020 Strom von der Lichtblick SE bezieht (siehe Infotext). Zum Heizen bezieht das Erzbistum auch künftig reines Erdgas. Man verzichte auf Biogas, da „Energiepflanzen, die auf fruchtbaren Äckern angebaut werden, den Anbau von anderen Nahrungs- und Futtermitteln verhindern“.

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