William Nketia aus Ghana im Interview„Ich finde Köln sehr ausländerfreundlich“

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Hat einen Sprachführer auf Twi geschrieben, der meistgesprochenen Sprache in Ghana. 

  • Wenn er Heimweh hat, kauft sich William Nketia ein ghanaisches Bier in einem Afrika-Shop.
  • Wie er nach Köln gekommen ist und was er an der Musik von Brings mag, erzählt er im Gespräch mit Bernd Imgrund.

Sein Wasserglas habe ich William Nketia auf ein Guinness-Deckchen aus einem Irish Pub gestellt. Nketia gefällt das – die Decke erweckt in ihm Heimatgefühle.

In Köln leben über 400 Ghanaer. Was sind das für Leute?

Die meisten sind einfache Arbeiter. Die Frauen arbeiten oft als Reinigungskraft. Nur wenige hatten den Mut, in Deutschland zu studieren oder eine Ausbildung zu machen

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Kennen Sie die alle?

Viele. Ohne Corona treffen sich die Ghanaer in Köln oft zu familiären Anlässen. Dann kochen wir ghanaische Gerichte und tanzen unsere Tänze.

Welchen Ruf hat Ghana in Afrika bei seinen Nachbarn?

Wir sind die Streber! Ghanaer gelten als sehr fleißig. Als die Wirtschaft in den 70ern am Boden lag, sind viele nach Nigeria zum Arbeiten geflüchtet – und die wurden sehr gern genommen.

Zur Person

William Nketia wurde 1959 in Kumasi/Ghana als eines von sechs Geschwistern geboren. Er besuchte die Kumasi High School und machte eine Ausbildung als Lehrer am Presbyterian Teachers Training College. Er arbeitete als Lehrer für Volkswirtschaft und Sozialkunde in Kumasi und Abeokuta/Nigeria sowie als Englischlehrer für Mitarbeiter des UNO-Flüchtlingshilfswerk in Dakar/Senegal.

Wegen regierungskritischer Äußerungen musste er Ghana 1985 verlassen und kam über die DDR nach Westdeutschland. Hier studierte er BWL und arbeitet als Sprachlehrer und Dolmetscher. Zudem war er Mitgründer verschiedener ghanaischer Organisationen, etwa der Kölner Ghana Union. Dem NRW-weiten Ghana Council steht er bis heute vor.

Nketia hat eine Tochter aus erster Ehe und ist seit 2016 mit Dietlinde Deimann verheiratet, der Mutter von Peter und Stephan Brings. Die beiden leben im Severinsviertel.

www.ghana-council.nrw

Sie waren Lehrer und haben sich zur Zeit der Militärdiktatur in den 80ern kritisch über die Wirtschaftspolitik geäußert. Was geschah dann?

Ich musste fliehen, habe nur mein Diplom mitgenommen und bin nach Nigeria. Dort habe ich wieder als Lehrer gearbeitet. Aber als Nigeria eigene Lehrer ausbildete, wurde ich entlassen.

War das nicht ausländerfeindlich von den Nigerianern?

„America first“, hat Trump gesagt. Und so machen sie das in Nigeria auch.

Sie wollten dann in Europa zunächst nach Schweden. Wieso das?

Unter Flüchtlingen erzählte man von einem schwedischen Programm namens Resettlement – ein Integrationsprogramm, das sehr gut sein sollte. Aber dann bin ich 1985 erstmal in der DDR gelandet.

Ziemlich weit weg von Schweden.

Die DDR hat jedem Afrikaner ein Visum gegeben. Aber wenn man dann dort war, wurde man noch am selben Tag weiter in den Westen geschickt. Die wollten auf diese Art die BRD-Wirtschaft schädigen. In Berlin habe ich mich verirrt, ich bin dreimal über die Grenze und wieder zurück.

Letztlich sind Sie in Köln gelandet.

Ich hatte eine Deutsche kennengelernt, der ich bis nach Köln gefolgt bin. Aber irgendwann wollte sie mich nicht mehr.

Aber Sie sind geblieben.

Ich habe Asyl beantragt und wurde in ein Hotel in Ehrenfeld gebracht. Da kam ich dann in Kontakt mit dem Allerweltshaus, wo man mir geholfen hat, um in Deutschland anzukommen. Das waren junge, alternative Leute, die sich für die Integration von Ausländern engagiert haben. Und über die Friedrich-Ebert-Stiftung bekam ich ein Stipendium, um BWL zu studieren.

Was gefiel Ihnen in Deutschland?

Ich wartete anfangs mal auf einen Zug, der um 11.53 Uhr ankommen sollte. Um 11.52 sah ich ihn am Horizont auftauchen. Da dachte ich mir, die Deutschen sind Zauberer! In Ghana weiß man nie, wann der Zug kommt, man geht zum Bahnhof und wartet. Faszinierend fand ich auch die Automatisierung: Du ziehst dir Zigaretten und bekommst sogar das korrekte Wechselgeld zurück!

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In den 80ern gab es noch nicht so viele Schwarze hierzulande.

Auf einem Straßenfest fragte mich mal ein kleines Kind, warum ich so dunkel bin. Da habe ich geantwortet, dass ich dreißig Jahre nur in der Sonne gelegen habe. (lacht) Zum Beweis wollte das Kind auch meinen Bauch sehen.

Haben Sie rassistische Erfahrungen gemacht?

Persönlich nicht. Ich finde Köln sehr ausländerfreundlich. Wenn sich mal in der Bahn jemand nicht neben mich setzen wollte: Na gut, dann hatte ich eben mehr Platz für meine Tasche. Manchmal frage ich auch meinen Sitznachbarn, ob er keine Angst vorm schwarzen Mann hat und weglaufen will. So entsteht immer eine nette Unterhaltung. Ich nehme das locker.

Sie sind mit Dietlinde Deimann, der Mutter der Brings-Brüder verheiratet. Wie haben Sie sich kennengelernt?

Meine erste Ehe war kaputt. Nach ein paar Jahren habe ich eine Annonce aufgegeben, und Dietlinde hat mich angerufen. 2016 haben wir geheiratet.

Woran haben Sie gemerkt, dass Peter und Stephan ziemlich berühmt sind?

Da war mal eine Aktion: Köln soll sauberer werden. Der Peter hat sich daran beteiligt, und das stand dann tatsächlich in der Zeitung!

Gefällt Ihnen die Musik von Brings?

Finde ich toll. Ich mag den Rhythmus und die Texte. Mir gefällt es auch, Backstage zu sein und da umsonst Kölsch zu trinken und vom leckeren Büfett zu essen. Ich trage dann auch immer so ein typisches Brings-Hütchen und eine karierte Krawatte. Wenn mich ein Roadie fragt, was ich da will, sage ich immer: Ich bin der Stiefvater von den Jungs auf der Bühne.

Gibt es Bier in Ghana?

Wir haben drei, vier Brauereien, auch Guinness braut bei uns. Wenn ich Heimweh habe, hole ich mir eine Flasche ghanaisches Bier im Afrika-Shop. Aber am liebsten mag ich Gaffel Kölsch!

Haben Sie oft Heimweh?

Nein. Im Internet bekommt man ja alles mit, was da passiert. Außerdem fahren meine Frau und ich öfters hin. Das ist allerdings sehr stressig, weil man keine Sekunde Ruhe hat vor den Familienmitgliedern. Alle wollen uns sehen, und wir bringen auch immer kofferweise Geschenke mit: Shampoo, Parfüm, Hemden …

Wie kam es zur Gründung des Ghana Council NRW?

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat 2007 eine Partnerschaft zwischen Ghana und NRW ins Leben gerufen. Ich habe damals eine Rede im Landtag gehalten und bin bis heute Präsident des Ghana Council, das den zivilen Austausch der Menschen aus Ghana und NRW organisiert. Ich war auch lange in leitender Position beim deutschlandweiten Dachverband Union of Ghanaian Associations in Germany (UGAG), der in Köln sitzt.

Kann man in Ghana Urlaub machen?

Ja, schon. Aber manchmal ärgere ich mich, dass unser Tourismus nicht so weit entwickelt ist wie etwa in Kenia oder Algerien. Es gibt ein paar Tierparks, aber kaum Hotels. Und schon gar keinen Ballermann.

In der Bundesliga haben viele Ghanaer gespielt: Anthony Yeboah, Otto Addo, Gerald Asamoah. Kennen Sie die?

Ich habe in meiner Heimatstadt Kumasi mitgeholfen, Jugend-Fußballmannschaften zusammenzustellen. Die Teams wurden nach Körpergröße eingeteilt. Eines Tages kam der sehr junge Anthony Yeboah an, war aber für sein Alter viel zu groß. Ich wollte ihn wegschicken, da sagte er: Stell mich ins Tor! 1988 kam er dann in die Bundesliga, allerdings nicht als Torwart.

Die genannten Fußballer wie auch Ex-UN-Chef Kofi Annan und Sie selbst sprechen Twi. Sie haben sogar ein Lehrbuch über diese Sprache geschrieben.

Ja, das hat sich schon rund 10 000 mal verkauft. Ich unterrichte auch Twi an Kölner Schulen − das ist in Ghana die meistgesprochene Sprache.

Gibt es Gedicht und Romane auf Twi?

Nur sehr, sehr wenige. Twi wird als Schriftsprache nicht gefördert und ich kenne auch keine Twi-Zeitungen – sehr schade! Allerdings gibt es die Bibel auf Twi, damit möglichst viele Leute sie lesen können. Unsere Schriftsteller schreiben auf Englisch, wir waren ja bis 1957 eine britische Kolonie.

Was heißt auf Twi „Et kütt wie et kütt“?

William Nketia lacht, überlegt, und dann greift er zum Kugelschreiber: „DeƐ Ɛb ba biara yƐ“, was ungefähr so klingt: Deä Äbäba biara jä. Et kütt eben wie et kütt!

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