Diskussionen auf der phil.Cologne beleuchten internationale Krisen und betonen die Notwendigkeit von Dialog und Zusammenhalt in Europa.
Diskussion auf der phil.CologneJean Asselborn mahnt in Köln zum Zusammenhalt in der EU

Jean Asselborn bei der phil.Cologne 2025.
Copyright: Katja Tauber/phil.Cologne
Bereits in seinem ersten Satz, stellt Jean Asselborn eine Sache klar: „Wir leben in einer Welt, in der man nicht weiß, was in einer Stunde los ist.“ Die Auswirkungen dessen zeigen sich auch bei der phil.cologne. Asselborn, langjähriger Außenminister Luxemburgs, und Moderatorin Isabel Schayani sitzen zusammen, um über das Thema „Europa. Wie weiter?“ zu sprechen.
Damit kennen sich nicht viele besser aus Asselborn, schließlich war er so oft in der belgischen Hauptstadt, dass er „jede Pommes in Brüssel mit Vor- und Nachnamen kennt“, wie Schayani es formuliert. Aufgrund der politischen Entwicklungen auf dem internationalen Parkett kommt die Sprache zunächst auf den Krieg zwischen Iran und Israel.
Jede Pommes in Brüssel
Asselborn präsentiert sich zunächst als launiger Geschichtenerzähler, der auch mit Humor besticht. „Die Tische waren damals im Kreml noch runder als länger“, beschreibt er die Veränderungen in Moskau seit seinem ersten Besuch 2005. Oder angesprochen auf die Größe Luxemburgs: „Es geht nicht um die Größe. Wenn sie wüssten, wie viel Geld die Russen in Luxemburg haben ...“
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Zu dem eigentlichen Thema der Veranstaltung, der Zukunft der EU, äußert sich Asselborn leidenschaftlich. Das Hauptproblem der Faszination Europa sei, dass niemand mehr verstehe, wie das politische System funktioniere. Er plädiert für eine EU, „die wie ein großer Staat strukturiert ist und so funktioniert.“ Die aktuelle Krise der EU gehe ihm nah und ginge mehr an die Substanz als je zuvor, da „viele nicht an Europa glauben“. Zum Ende hin plädiert er an das Publikum in den Balloni-Hallen, nicht die zu wählen, „die Europa kaputtschlagen wollen.“
Asselborns Warnung verweist darauf, wie brüchig der Zusammenhalt westlicher Demokratien geworden ist – und wie schnell der politische Diskurs von Misstrauen und Abgrenzung bestimmt werden kann.

Yascha Mounk und Claudia Brühwiler auf der phil.Cologne 2025
Copyright: Katja Tauber/phil.Cologne
Dies wird auch am gleichen Ort wenig später deutlich. Die Politikwissenschaftler Claudia Brühwiler, Claus Leggewie und Yascha Mounk blicken unter der Leitung von Moderator Wolfram Eilenberger über den Atlantik und diskutieren die polarisierte Gesellschaft der USA.
Auch in dieser Runde spricht man zunächst über die Situation im Iran und speziell den Kriegseintritt der USA. Diese bewerten die Experten unterschiedlich. „Wenn der Waffenstillstand hält, wäre es gut für die Welt, hätte aber den Nebeneffekt, dass Trumps innenpolitische Position gestärkt wird“, erklärt Mounk, der selbst in den USA lehrt.
Zu wenig Widerstand gegen Trump
„Nichts ist so schnell vergessen wie der kleine Frieden am Vorabend“, widerspricht Brühwiler Mounk. Einig sind die beiden bei der Frage, weshalb sich wenig Widerstand gegen Trump formiert. Beide beobachteten in den vergangenen Jahren eine kulturelle Revolution in den USA, die den Republikanern zum Sieg verholfen haben.
„Die Demokraten haben sich zu einer Identitätspartei entwickelt,“ so Brühwiler, es fehlen eigene politische Inhalte. Mounk beschreibt den aus seiner Sicht verengten und aufgeladenen Meinungskorridor, Stichwort „Wokeness“, neben dem die Republikaner als Vernunftspartei dasteht.
Leggewie hingegen sieht in der „Kulturalisierung aller Themen“ eine Taktik, von den wichtigen Herausforderungen in der Wirtschafts- oder Migrationsfrage abzulenken.
Weltweite Gräben
Der Professor der Universität Gießen bewertet, zur Freude des Publikums, Trump insgesamt strenger als seine beiden Kollegen. Leggewie sieht „Elemente des Faschismus“, die in einen „Trumpismus“ einfließen: „Es ist eine neue Form von Übergriffigkeit, die für sich steht.“ Woraus sich alle drei hingegen einigen können: Trump sei ein „Super-Narzisst“.
Die Gräben, von denen Brühwiler, Leggewie und Mounk berichten, sind kein rein amerikanisches Phänomen. Sie prägen auch das Zusammenleben hierzulande – und stellen Menschen vor die Frage, wie Begegnung und Verständigung möglich sind. Das steht am Mittwochabend im Mittelpunkt, als Meron Mendel und Saba Nur Cheema im Comedia-Theater zum „muslimisch-jüdischen Abendbrot“ laden.

Saba Nur Cheema und Meron Mendel auf der phil.Cologne 2025
Copyright: Hieronymus Rönneper/phil.Cologne
Mendel, Israeli und Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, und Cheema, Politologin und Tochter pakistanischer Flüchtlinge, erzählen von ihrem Leben als Paar und den damit verbundenen Herausforderungen. So habe sie eine „Explosion an antisemitischen Vorurteilen meinem Umfeld erlebt“, als sie ihren jüdischen Freund vorstellte, erzählt Cheema. Als Mendel seinen Eltern von der Beziehung erzählte „schwiegen sie erstmal“.
Heute beschreibt das Paar ihre Dynamik als „hybride Identität: muslimisch, israelisch und hessisch.“ So gebe es jetzt Baklava zum Zuckerfest, die Familien verständen sich trotz der Sprachbarriere sehr gut.
Plädoyer für Mündigkeit
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sei die Stimmung angespannt und traurig. Neben „Enttäuschungen im Freundeskreis“ beobachten beide einen „Backlash in der Debatte“ über den Nahostkonflikt, reaktionäre Bestrebungen gewännen die Oberhand.
Entscheidend für die Verständigung untereinander sei, „dass man sich der Herausforderung der Argumente stellt, egal ob es um den Nahen Osten geht oder etwas anderes.“ Mendel hielt ein Plädoyer für die Mündigkeit: „Man kann als selbstdenkender Mensch die Urteilskraft nicht auslagern.“ Ein Gedanke, der stellvertretend für den Sinn und Zweck der phil.cologne steht.