Die „Chromakopia“-Tour des exzentrischen Rap-Künstlers Tyler The Creator begeistert auch in Köln mit experimentellen Sounds und kreativen Bühneninszenierungen.
Konzert in Köln„Tyler The Creator“ erfindet in der Lanxess Arena den Rap neu

Rapper Tyler The Creator. Beim Konzert in Köln waren keine Fotografen zugelassen.
Copyright: Shaun Llewellyn
Das Leben ist schön. Um 23.15 Uhr auf dem Weg von der Lanxess Arena zur Straßenbahn. Wenn in der Luft der Duft nach Gras liegt, so intensiv, als sei die Wiese links vom Weg gerade erst gemäht worden, und der Mond am Himmel blinkt wie ein halber, blankpolierter Silberdollar und man gerade erleben durfte, wie der Rap neu erfunden wurde. Von Tyler The Creator.
95 Minuten dauert die Show der Superlative, die der 34-jährige US-Amerikaner auf seiner „Chromakopia“-Welttournee präsentiert. In Köln vor so gut wie ausverkauftem Haus. Wer vorher dachte, dass sich der Kunstname Tyler The Creator ziemlich großkotzig anhört – man muss dabei an den denken, der in sieben Tagen die Welt schuf, aber auch an fiktive Überkämpfer wie Conan The Barbarian oder Rocky The Stallion – ist hinterher eines Besseren belehrt.
One Man Show in der Lanxess Arena
Auch dadurch, dass Tyler Gregory Okonma, wie er bürgerlich heißt, Luxus-Autos, Luxus-Armbanduhren, Goldschmuck und Juwelen liebt, dass in seinen Texten nicht jugendfreie Begriffe und Tätigkeiten vorkommen, passt er voll ins Klischee.
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Aber er sammelt auch Koffer, Fahrräder, Druckerzeugnisse – und Musikstile. Auf inzwischen sieben Studioalben (das erste, 2009 im Eigenverlag erschienene, nicht mitgerechnet) collagiert er Hip-Hop, Soul und Gospel, R’n’B, Jazz und Pop.
Dazwischen säuseln Frauenchöre wie aus Revuefilmen der 1940er geklont, werden Sätze wie Schläge auf einen Punchingball rausgehauen, alles ist ständig im Wandel, ändert sich zwischendrin immer wieder abrupt und fließt doch als Ganzes in das, was man einen eigenen Stil nennen muss.
Seine Show ist eine One-Man-Show, die ganz ohne rappende Kollegen, DJ und Tänzerinnen auskommt. Das Bühnenbild wird dominiert von einer riesigen, grün glühenden Wand aus aufeinander gestapelten Schiffscontainern. Sie lassen sich hoch und runterfahren und mit einer Brücke verbinden, die einstweilen noch unter der Decke auf ihren Einsatz wartet, um später hoch über dem Innenraum zu einer zweiten quadratischen Innenbühne zu führen.
Tyler The Creators Alter Ego: St. Chroma
Um 20.34 Uhr schieben sich die Container auseinander, um St. Chroma freizugeben. Das neueste alter ego von Tyler The Creator, eine von vielen, exzentrischen Kunstfiguren, die er erfunden hat, um, dahinter verborgen und dadurch geschützt, seine Geschichte zu erzählen.
St. Chroma trägt eine flaschengrüne Uniform mit Epauletten auf den überbreiten Schulterpolstern, eine schwarze Perücke mit einer barocken Frisur, die aussieht, als wäre ein Rasenmäher in der Mitte lang gefahren, um rechts und links zwei Flügel übrig zu lassen, die wie Katzenohren abstehen. Und er trägt eine Maske.
Draußen vor der Halle steht St. Chroma als unmaskierte Figur in Zweimeter-Größe. Mit seinen übergroßen Augen und seinem Winkehändchen wirkt er eher niedlich. Die Fans haben Schlange gestanden für ein Foto. Der St. Chroma in der Halle tanzt wie Michael Jackson und feuert mit „Rah Tah Tah“, „Noid“. „Darling I“, „I Killed You“ und „Judge Judy“ gleich die erste Breitseite vom neuen Album ab.
Es knallt und zündet und zischt, grelle Feuerblitze, die den Geruch von Schwefel hinterlassen. Die Arena wird gerastert von Perlenschnüren aus rotem und weißem Licht. Die Halle rast, brüllt jedes Wort mit.
Bei „Sticky“, da ist er schon auf der Brücke, lässt er Scheine aus seinen Taschen auf die Fans herabregnen, ehe es Zeit ist, die Maske fallen zu lassen: „Take Your Mask Off“. Mit schweißnassem Gesicht lässt er sich vom Jubel überfluten. Über die quadratische Innenraumbühne stülpt sich derweil eine Leinwand, die mit einem Häuschen bedruckt ist, so wie das, in dem Tyler früher in seiner Kindheit wohnte. Hier verwandelt er sich in einen, der ein weißes T-Shirt trägt, eine Kappe, eine weite Hose. Der aus einer Tasse nippt und an einem Keks knabbert. Ein Normalo.
Nur dass in dem Bühnenwohnzimmer unterm Häuschenüberzieher auf dem Sideboard ein Grammy steht. Aus einer Plattenkiste holt Tyler The Creator Alben hervor, um sie auf einen Plattenspieler zu legen. Jedes Cover wird mit schrillen Rufen der Begeisterung kommentiert. Sie tragen Titel wie „Igor“, „Goblin“ und „Wolf“, „Flower Boy“ und „Call Me If We Got Lost“.
Es sind seine Alben – und aus denen speist sich der zweite Teil des Abends mit Stücken wie „Eathquake“, Yonkers“. „Rusty“ oder „Dogtooth“. Alle zwar in verkürzter Version, aber durchweg großartig. Tyler The Creators „Dankeschön“ steigert sich bis hin zum gebrüllten Ausbruch. Aber: er lächelt.
Nach der Rückkehr auf die „Chromakopia“-Bühne lässt er dann alle Vorsicht fallen. Der letzte Teil von „Thought I was dead“ a capella gesungen zeigt seine Stimme ganz ungeschützt. Und mehr Verletzlichkeit als in der darauffolgenden Ballade „Like him“, wo er mit seiner angeblichen Ähnlichkeit zu seinem Vater hadert und den Lügen, die ihm seiner Mutter über denjenigen erzählt hat, der ihn einst im Stich ließ, kann man nicht zeigen. Vielleicht braucht man ja Masken, als Anlauf, um so einen Seelenstriptease öffentlich hinzubekommen?
„See You Again“, „New Magic Wand“ und „I Hope You Find Your Way Home“ beschließen den Abend. Als letztes Bild, ehe ihn wieder der grüne Container verschluckt, nimmt man das von Tyler The Crator mit, der sich dreht und tanzt und von unten mit Luft bepustet wird.
Sein Hemd flattert und man denkt an Marylin Monroe überm Lüftungsschacht. Auch an Ruby Rhod denkt man, den schrillen queeren Showmaster aus Bessons „Das dritte Element“. War das grün? Ja, das war grün. Kristallgrün. Grüner geht’s nicht.