Das US-Duo Twenty One Pilots brilliert mit einer fulminanten Show in der ausverkauften Lanxess Arena.
Konzert in Lanxess ArenaTwenty One Pilots verzaubern das Publikum in Köln

Twenty One Pilots, das sind Drummer Josh Dun (l.) und Sänger Tyler Joseph, in der Lanxess Arena.
Copyright: Thomas Brill
Ein nostalgisches Kinderkarussell, bestückt mit Pferdeskeletten, dreht sich im glutroten Licht und zerbirst am Ende. Einer, der eben noch auf der Bühne stand, verschwindet – und taucht Sekunden später im Oberrang wieder auf. Und Fans, die für ihre Plätze vorne im Innenraum lange haben anstehen müssen, weichen bereitwillig zurück, um eine rot markierte Fläche in Kreisform freizugeben. Drei von vielen wundersamen Ereignissen beim Konzert der Twenty One Pilots Donnerstag in der ausverkauften Lanxess Arena.
Was in Gänze – über mehr als zwei Stunden hinweg – auf einen wunderbaren Abend hinausläuft. Zu verdanken ist er Tyler Joseph und Josh Dun und ihrem Team. Derzeit befindet sich das Musiker-Duo aus Columbus, Ohio, auf „Clancy World Tour“, benannt nach dem Titelhelden des letzten Albums. Clancy ist der Held einer Fantasygeschichte rund um die fiktive Region „Trench“, in der neun lebensfeindliche Bischöfe die Bewohner der Stadt Dema regieren und gefangen halten. Clancy versucht immer wieder, aus Dema zu entkommen. Er erfährt Unterstützung von den Bandidos, einer Art Guerillakämpfer, die im bergigen Umland leben, und mausert sich am Ende zum Erlöser.
Fans verkleiden sich wie die Figuren der Geschichte
Was über mehrere Alben hinweg erzählt wird, durch Filme visualisiert und eine Website ergänzt, verarbeitet metaphorisch Depression und Kreativität, Tod und Wiedergeburt, Oberflächlichkeit und Durchgeistigt-Sein. Auf der Bühne und in der Gemeinschaft der Fans wird das zum Rollenspiel. Wer die Details nicht kennt, weiß weder, was die gelben und roten Klebestreifen auf der Kleidung der Akteure und ihrer Anhängerschaft bedeuten. Noch, warum Hals und Hände von Sänger und Multi-Instrumentalist Tyler Joseph schwarz gefärbt sind. Oder warum leitmotivisch Gesichtsmasken, Fackeln und Geier auftauchen. Und manchmal auch Skelette und Totenköpfe.
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Ganz ohne all das zu wissen, kann man die Bilder auf sich wirken lassen. Etwa, wenn bei „Nico and The Niners“ die Skyline von Dema in all ihrer dystopischen Schönheit aufragt. Oder bei „Stressed Out“ die überhaupt nicht kindgerechten Knochenpferdchen ihren dämonischen Ritt aufnehmen. Wobei nicht alles nur düster ist. Beileibe nicht. Songs wie „Palatin Strait“ (mit Drummer Dun am Keyboard und Tyler mit Ukulele) sorgen für romantische Gefühle, bei „Lavish“ zeigen die Pilots, als stenzhaft stolzierendes Paar mit schrillen Sonnenbrillen, ihren Sinn für Komik, ja sogar akrobatische Einlagen wie Flanken übers Piano oder Salto rückwärts vom selben sind bei ihnen drin.
Große musikalische Bandbreite
Auch sonst kennt die Wandlungsfähigkeit der beiden 36-jährigen Protagonisten kaum Grenzen. Sowohl stilistisch als auch räumlich und musikalisch. Twenty One Pilots können rockig, poppig oder elektronisch klingen, egal, ob Reggae, Rap oder Retro-Punk – es funktioniert. Gesungen und gespielt wird auf der Bühne, links und rechts davon und rundherum, auf zwei externen Bühnen im hinteren Innenraum und mittenmang. Wo die Fans dann Platz machen für die Zugabe „Trees“. Ganz ohne Ordner. Nur auf Zurufe von Joseph. Wie der es bei „Car Radio“ fertigbringt, so schnell den Platz zu wechseln? Das gehört ins geheime Reich der (Bühnen)-Zaubertricks.
Auch bei Josephs variabler Stimme, die alles – vom delikaten Raunen übers rasante Rap-Stakkato bis hin zum veritablen Rockschrei – drauf hat, könnte man an Hexerei denken. Ein rundum wunderbarer Abend. Und in einem Songtext Capri-Sonne, Napoleon und einen Proktologen unterzubringen, das macht den Twenty One Pilots auch so schnell keiner nach.
