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Museum SchnütgenGlaube und Humor im alten Gebetbuch

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Psalm in der Sonderausstellung „Glaube mit Humor. Ein Gebetbuch aus Nordfrankreich"

Psalm in der Sonderausstellung „Glaube mit Humor. Ein Gebetbuch aus Nordfrankreich“

Unter dem Titel „Glaube und Humor“ stellt das Museum Schnütgen sein neues Gebetbuch aus Frankreich vor.

Der kleine Hund will spielen. Schade nur, dass sein Herrchen gerade arbeiten muss. Die Szene verarbeitet der Buchmaler denn auch umgehend im Bild: Während der Wauwau nach dem Ball schnappt, wird fleißig auf dem Pergament gemalt. Eine Art Comicszene oder ein Ausschnitt aus einer Graphic Novel? Es ist eher eine lustige Randfigur, die da in den Fokus rückt. Entstehungszeit — um 1300.

Ball- und Wurfspiele

Und der Titel der Story? Es ist ein Gebetbuch aus Nordfrankreich, der ganze Stolz des Museum Schnütgen, das die Neuerwerbung gestern unter dem Titel „Glaube mit Humor“ vorstellte. Diese Art der Buchmalerei hatte Vorbildcharakter für die Kölner Handschriftenproduktion. In der Ausstellung wird dies exemplarisch mit vier Leihgaben aus Privatbesitz und der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek anschaulich. Alles wurde digitalisiert, so dass sich virtuell blättern lässt.

Die Verzierungen um die Psalmen des Stundengebetbuchs sind allerliebst – erzählen sie doch viel aus dem Alltag des Mittelalters, das auf einmal gar nicht mehr so finster scheint, wie es oft beschrieben wird. Einblicke in die damalige Lebenswelt zeigen etwa Ball- und Wurfspiele sowie Jahrmarktszenen mit Dudelsackspieler und Jongleur. Mitunter erscheinen sie auch wie humorvolle Kommentare zu den feierlichen Gebettexten.

Da werden Feste mit den Haustieren in der Kirche gefeiert, lustige Mischwesen, halb Mensch halb Tier, hoppeln entlang der 900 Buchseiten und zeugen von viel Hingabe, aber auch Hintersinn der professionellen Buchmaler und Schreiber, die es in Frankreich um diese Zeit in ihrer Zunft zur Perfektion brachten.

Infos zum Kirchenjahr

Es gibt ein Kalendarium zur Bestimmung des Osterfestes, ein Verzeichnis der Heiligen — was so an Infos im Kirchenjahr braucht. Teure Pigmente, Gold und wertvolles Pergament machten das Buch nicht zu irgendeinem Nachschlagwerk. Es war Luxusgut für den Orden der Prämonstratenser, ein Schätzchen für die „High Society“, wie es Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung bezeichnet. Neben der Harald und Gertrud Kühnen Stiftung half diese maßgeblich beim Erwerb bei der Kunstmesse Tefaf in Maastricht. Und auch der Freundeskreis des Museum Schnütgen, die Kulturstiftung der Kreissparkasse und Stadt sind im Boot.

Was es kostete, verriet Hoernes nicht, quasi wie bei einem Buch mit sieben Siegeln. Eine Erklärung blieb er aber nicht schuldig. „Es ist ein Unikat. Wenn wir verraten würden, dass wir einen günstigen Preis ausgehandelt haben, würde sich das in der Szene herumsprechen. Und umgekehrt auch, wenn wir zu viel bezahlt hätten. Und wir wollen keine Begehrlichkeiten wecken.“ Damals schon sei es aber teuer gewesen, so wie ein herrschaftliches Haus an einem Marktplatz.

Dass das Buch so gut erhalten blieb, spricht laut Kunsthistorikerin Karen Straub dafür, dass es geliebt wurde. Angefertigt wurde das Psalter-Brevier für die Prämonstratenser-Abtei St. Martin in Laon, das etwa 140 km nordöstlich von Paris liegt. Bis zur französischen Revolution befand sich die Handschrift in der Abtei, danach in der Sammlung der Herzöge von Arenberg und in unterschiedlichem Privatbesitz.

Keine Blasphemie

Im täglichen Gebrauch war es nach Einschätzung von Straub und Schnütgen-Direktor Moritz Woelk wohl eher nicht. Dafür war es zu kostbar. Und dass sich die auch mal derben, obszönen Szenen mit dem frommen Inhalt bissen, denken sie auch nicht. So sei es damals halt gewesen. Blasphemie habe in den kleinen Zeichnungen keiner gesehen. Ähnlich wie bei den Miserikordien, also den kleinen Stützbrettern im kirchlichen Chorgestühl, wurden Misch- und Fabelwesen gerne dargestellt. Eine solche Schnitzerei befindet sich auch im Museum Schnütgen und zeigt einen Narr, der die Weltkugel vor sich her rollt. „Ein Global-Player, das ist doch sehr zeitgemäß“, sagt Woelk.

Bis 17. Mai, Di-So: 10-18 Uhr Do: 10-20 Uhr, Leonard-Tietz-Str. 10

Am 13. und 14. Dezember gibt es zahlreiche Führungen und Workshops bei freiem Eintritt. Begleitend zur Ausstellung erscheint eine bebilderte werkmonografische Publikation im Hirmer Verlag in Deutsch und Englisch.

Karen Straub: Glaube mit Humor. Ein Psalter-Brevier aus Laon um 1300, München 2025 (120 Seiten, 103 Farbabbildungen). Das illustre Buch kostet vergünstigt 14,80 Euro im Museumsshop vor Ort und 20 Euro im Buchhandel.