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Emotionale RückkehrDer Graf begeistert Fans im ausverkauften Kölner Palladium

3 min
Unheilig im Palladium

Unheilig im Palladium

Der Graf von Unheilig ist zurück auf der Bühne. In Köln begeistert er Fans mit ungebremster Energie und emotionalem Gesang.

Sag niemals nie? Als sich der Graf, Frontmann der Band Unheilig, im September 2016 von der Bühne verabschiedete, schloss er eine Rückkehr kategorisch aus. Schluss, aus, Ende. Der Sänger, der sein Privatleben geheim hält und noch nicht einmal seinen bürgerlichen Namen preisgibt, wollte sich nur noch um seine Familie kümmern und hatte mit der Musik abgeschlossen.

Doch neun Jahre nach dem Abschlusskonzert im Rhein-Energie-Stadion sind Unheilig wieder auferstanden. Und zumindest im an zwei Abenden hintereinander bis zum Bersten gefüllten Palladium scheint es so, als wäre die Band niemals weg gewesen. Die Energie, der Sound, der Bombast, alles ist so wie früher. Und der Graf? Der tanzt.

Ihr habt mir gefehlt.
Der Graf beim Auftritt in Köln.

Tatsächlich kann der Graf es offenbar kaum erwarten, wieder mit seinen Fans Kontakt aufzunehmen. Kaum ist ein Countdown verklungen, springt er auf die Bühne, mit schier unbändiger Energie und einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. „Ihr habt mir gefehlt“, ruft er und tut so, als wollte er die ganze Welt umarmen. In dieser Hinsicht hat er sich nicht geändert, und auch stimmlich ist der 55-Jährige auf der Höhe. Der warme Gesang, der so voller Inbrunst ist und trotzdem authentisch klingt, überzeugt von der ersten Sekunde an und befeuert das bunt gemischte Publikum, das die meisten Stücke begeistert mitsingt, nur noch mehr.

Dank an die Mutter

Hier jubeln Metal-Fans und Goths ebenso wie Schlager-Liebhaber – dieser Spagat war schon immer eines der Markenzeichen von Unheilig. Die ausladenden Gesten, die klaren Melodien und die großen Emotionen vereinen eben sehr unterschiedliche Menschen. Und wenn der Graf in der Anmoderation zu der neuen Single „Mein Löwe“ von seiner Mutter spricht, die ihm wegen seines Stotterns stets Mut zugesprochen habe und die jetzt seine Hilfe braucht, fühlt jeder mit ihm mit.

Die fast eine Dekade umfassende Auszeit hat der Graf offensichtlich gut genutzt. Einfach mal abschalten, zu sich finden, geerdet werden. „Nach dem letzten Konzert hier in Köln bin ich nach Hause gefahren, habe mir den Bart abrasiert, meine Handynummer geändert und alle Sachen verkauft, die mit meiner Musik zu tun hatten“, erzählt der Graf mit erstaunlicher Offenheit im Palladium. „Dann haben meine Frau und ich uns einen Wohnwagen gekauft und sind erst mal nach Spanien in den Urlaub gefahren.“

Unfall beim Tourauftakt

Umso mehr will er jetzt jedes Konzert voll auszukosten. Auch wenn das nach hinten losgehen kann: Beim Tourauftakt in Leipzig ist er im November über einen Lautsprecher gestolpert und von der Bühne gefallen, sodass ihm die Schneidezähne abgesplittert sind. Es hätte noch schlimmer kommen können.

In Köln läuft aber alles wie am Schnürchen. Gut anderthalb Stunden schmettert der Graf alte und neue Lieder, natürlich inklusive „Unter deiner Flagge“, „Große Freiheit“ und „Geboren um zu leben“. Das Publikum genießt diese Zeit, auch wenn der ein oder andere wegen der drückenden Luft im Saal diesen vorzeitig verlassen. Wer bleibt, lässt sich bereitwillig vom Pathos umschlingen – und legt großen Wert auf Höflichkeit: Immer wenn der Graf sich für den Applaus bedankt, schallt ein „Bitte schön“ zurück.