„Koalition der Zumutung“Scharfe Kritik am Koalitionsvertrag – Minister benannt

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Koalitionsvertrag NRW

Der Koalitionsvertrag

  • aum haben sie freudestrahlend den Koalitionsvertrag mit der CDU präsentiert, pfeift den Grünen schon scharfer Gegenwind ins Gesicht – und zwar aus den eigenen Reihen.
  • Auch eine Ministerentscheidung sorgt intern für Ärger.

Düsseldorf – Der schwarz-grüne Koalitionsvertrag für NRW hat bei grünen Vorfeldorganisationen ein überraschend kritisches Echo gefunden. Der Parteinachwuchs der Grünen Jugend empfahl ihren mehreren Dutzend Delegierten beim Landesparteitag am Wochenende in Bielefeld sogar explizit die Ablehnung des Regierungsprogramms. Der Vertrag werde den Krisen unserer Zeit nicht gerecht und biete „keine gute Grundlage für eine Regierungszusammenarbeit“, erklärte Nicola Dichant, Landessprecherin der Grünen Jugend. Sie nannte Schwarz-Grün eine „Koalition der Zumutung“.

Die als links geltende Nachwuchsorganisation stößt sich am repressiven Kurs in der inneren Sicherheit, der unter CDU-Innenminister Herbert Reul praktisch unverändert fortgesetzt werden soll. Zudem seien soziale Fragen wie die Mietpreis-Explosion in vielen Ballungsräumen völlig unterbelichtet geblieben. Die SPD-Opposition nennt Schwarz-Grün bereits ein „Bündnis der Besserverdienenden“.

Deutliche Kritik kam auch von der Umweltorganisation BUND. „Die Koalition scheint auf dem grünen Auge blind zu sein“, erklärte deren Landesvorsitzender Holger Sticht. Es fehle eine harte Bremse zur Reduktion des Flächenverbrauchs. Sogar der Landes- und Fernstraßenbau solle ungebremst weiterlaufen. Auch der Naturschutzbund (Nabu) zeigte sich „maßlos enttäuscht“ und warnte, dass Schwarz-Grün den Natur- und Artenschutz in NRW marginalisiere. Der Landesverband der Erneuerbaren Energien (LEE) lobte dagegen ausdrücklich den geplanten Windkraftausbau auch in Wäldern sowie die verbindliche Solardachpflicht für Neubauten.

Alles zum Thema Hendrik Wüst

Ministerielles Kleeblatt steht

Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur beantwortete am Freitag die letzten offenen Fragen des grünen Personaltableaus für die neue Landesregierung, während sich die CDU diesbezüglich weiter in Schweigen hüllt.

Neubaur selbst wird wie erwartet Superministerin für Wirtschaft, Energie und Klimaschutz – und damit das direkte NRW-Pendant zu ihrem Parteikollegen Robert Habeck in Berlin. Die bisherige Landtagsfraktionschefin Josefine Paul wird Familien- und Integrationsministerin, was ebenfalls seit Wochen bekannt war. Justizminister wird der Präsident der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Philipp Limbach. Der 52-jährige Sohn der früheren Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach stammt aus Bonn und war selbst schon in NRW als Richter tätig.

Überraschung mit Streitpotenzial

Die Besetzung des vierten grünen Regierungspostens hat jedoch das Zeug zum innerparteilichen Streitfall: Verkehrs- und Umweltminister wird überraschend nicht der anerkannte Fachpolitiker Arndt Klocke, sondern der Neubaur-Vertraute und Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer. Er arbeitet bislang als Parlamentarischer Staatssekretär bei Bundeswirtschaftsminister Habeck in Berlin.

Klocke, langjähriger Fraktions- und Parteichef in NRW, übte daraufhin öffentliche Kritik an der Ministeriumsauswahl seiner Partei. „Die Zuschnitte der grünen Ministerien sind aus meiner Sicht nur in Teilen gut gewählt“, schrieb er am Freitag in einer Mitteilung. Der 40-Prozent-Wahlkreisgewinner aus Köln erklärte, die Zusammenlegung von Verkehrs- und Umweltministerium halte er „politisch für unklug“. Die Aufgaben der Mobilitätswende hätten ein eigenständiges Haus gerechtfertigt, so Klocke.

Kölner Arndt Glocke kommt nicht ins Ministerium

Der als eigenständiger strategischer Kopf geltende 51-Jährige hatte mit der CDU federführend das Verkehrskapitel verhandelt. Aus seiner Enttäuschung über Neubaurs Personalentscheidung machte er keinen Hehl: „Ich hätte gern nach zwölf Jahren als Fachpolitiker im Landtag diesen Koalitionsvertrag aus der Regierung heraus mit umgesetzt. Unsere Grünen-Spitze hat dies anders entschieden.“

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Trotz der Misstöne und mancher parteiinternen Irritation über die seit Wochen öffentlich zur Schau gestellte Herzlichkeit zwischen Neubaur und CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst – eine geringere Zustimmung des Grünen-Landesparteitags zum Koalitionsvertrag als 80 Prozent wäre eine echte Überraschung. Die Partei will mit dem Regieren starten. Bei der CDU gilt die Zustimmung des eigenen Parteitages ohnehin als Formsache, auch wenn der Koalitionsvertrag eine deutlich grüne Handschrift trägt.

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