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Drohnenangriffe auf DänemarkSkandinavien rüstet massiv gegen Russland auf

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Die Fregatte Hamburg liegt im Hafen von Kopenhagen. Kräfte der Bundeswehr sollen die dänischen Behörden nach mehreren Drohnensichtungen über Flughäfen und Militäreinrichtungen schützen.

Die Fregatte Hamburg liegt im Hafen von Kopenhagen. Kräfte der Bundeswehr sollen die dänischen Behörden nach mehreren Drohnensichtungen über Flughäfen und Militäreinrichtungen schützen.

Die Zwischenfälle mit Drohnen und Flugzeugen mutmaßlich russischer Herkunft nehmen in vielen europäischen Ländern zu. Die nordeuropäischen Länder ziehen nun Konsequenzen und setzen dabei nicht nur auf militärische Aufrüstung.

„Wir waren zu langsam“, gesteht Dänemarks Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen im Frühstücksfernsehen von TV2 am Freitag ein. Die Drohnenattacken diese Woche haben die Hilflosigkeit des dänischen Militärs wie der Politik gezeigt. In der Nacht zum Dienstag wurde der Verkehr des Flughafens Kopenhagen zeitweise lahmgelegt, in der Nacht zum Donnerstag tauchten die Drohnen bei kleineren Flughäfen und militärischen Anlagen auf der Halbinsel Jütland auf.

Russland sei der Verursacher, so Regierungschefin Mette Frederiksen, wenn es auch keine offiziellen Beweise gibt und die Drohnen selbst nicht aufgefunden werden konnten. „Dänemark ist im Krieg, in einem Hybridkrieg“, so die 47-Jährige, welche bekannt für markige Ansagen ist.

Wasserdrohnen und KI-Überwachung als neue Strategie

Wenn auch das kleine Königreich wie andere westliche Länder nicht wirklich auf die Herausforderung der nächtlichen Attacken vorbereitet war – Dänemark rüstet auf, wie die drei anderen skandinavischen Nato-Mitglieder auch, welche teils noch mehr in Reichweite Russlands liegen.

Dabei geht Dänemark bereits ungewöhnliche Wege – Gefährte, die auf den ersten Blick wie Windsurfboards aussehen, werden demnächst die Nord- und Ostsee befahren. Es sind Wasserdrohnen des US-Konzerns „Saildrone“, welche die Gewässer und den Meeresboden des Königreichs im Auftrag des Verteidigungsministeriums überwachen und kartografieren werden.

Mittels Künstlicher Intelligenz werden die Daten gefiltert und an „Starlink“ gesendet, ein von SpaceX betriebenes Satellitensystem, das dem Multimilliardär Elon Musk gehört. Und somit ein Entgegenkommen an die USA ist, die derzeit Druck machen, Dänemark müsse mehr für seine Verteidigung aufkommen.

Zugeständnisse an Forderungen der USA

In diesem Kontext ist auch die Bestellung von 16 weiteren F-35-Kampfjets aus der amerikanischen Rüstungsschmiede Martin Lockheed zu sehen, um den Bestand auf insgesamt 43 aufzustocken. Doch die USA sind nicht nur Partner des einst wohl pro-atlantischsten Landes innerhalb der Verteidigungsallianz.

Da Donald Trump Ansprüche auf die Insel Grönland erhebt, will Kopenhagen bis 2029 umgerechnet 217 Millionen Euro bereitstellen, um dort die Infrastruktur auszubauen und somit die 57.000 Bewohner bei Laune zu halten. Denn auf diese wirkt derzeit einer amerikanischen Einflusskampagne ein, welche gegen Dänemark gerichtet ist – das Land steuert die Außen- und Sicherheitspolitik der arktischen Region. Bezeichnenderweise durften bei dem kürzlich abgehaltenen Militärmanöver „Arctic Light 2025“ nur europäische Verbündete und keine amerikanischen die Verteidigung kritischer Infrastruktur auf der Insel üben.

Norwegen investiert auf Spitzbergen

Norwegen sieht Russland oder China als mögliche militärische Aggressoren, beide Länder sind in arktischen Gewässern mit ihrer Kriegsmarine zunehmend präsent. Und darum hat Oslo Ende August beschlossen, die Investitionen für die Insel Spitzbergen mehr als zu verdoppeln, um die dortige norwegische Wirtschaft zu stärken, und um so den Aktivitäten der beiden Länder auf der strategisch wichtigen Inselgruppe entgegenzuwirken.

Ansonsten gelten primär Norwegens Öl und Gasförderung in den nördlichen Meeren als „kritische Infrastruktur“, hierzu fand diesen Monat eine umfassende Antiterrorübung namens „Gemini“ an der Küste von Nordnorwegen statt. Dabei war Norwegen das Nato-Land, welches stets gute Beziehungen zu Moskau pflegte, auch aufgrund der gemeinsamen Grenze im hohen Norden.

Doch dies ist vorbei. Mit den im Verbund mit den USA entwickelten „Joint Strike Missiles“ besitzt das Land bereits eine Langstreckenwaffe. Dänemark kündigte hingegen erst kürzlich die Anschaffung von Langstreckenwaffen an – und provozierte somit vermutlich die russischen Drohnenangriffe.

Deutsche Unterstützung für Kopenhagener Gipfel

Die jüngsten Fälle von Drohnen über dänischen Militäreinrichtungen rufen derweil auch die Bundeswehr auf den Plan. So schickten die deutschen Streitkräfte Unterstützung. Sie sollen das informelle Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 1. Oktober sowie die Konferenz der Europäischen Politischen Gemeinschaft am Folgetag sichern. In Kopenhagen lief am Mittag die Fregatte „Hamburg“ ein. Die Präsenz des Schiffes der Deutschen Marine, das im Rahmen der Nato-Mission „Baltic Sentry“ zur Sicherung der Ostsee im Einsatz ist, sende ein klares Signal für die Sicherheit und Einheit innerhalb des Bündnisses, sagte ein Nato-Sprecher dem Sender TV2. Das dänische Transportministerium teilte mit, dass der gesamte dänische Luftraum von Montag bis Freitag für zivile Drohnenflüge gesperrt wird.

Skandinavische Aufrüstung mit Langstreckenwaffen

Auch Finnland ist mit dem AGM-158 JASSM im Besitz eines Marschflugkörpers. Schweden bestellte Anfang dieses Jahres das deutsche Äquivalent Taurus. Dies bedeutet, dass in naher Zukunft alle skandinavischen Länder russische Ziele treffen können.

Eine Entwicklung, welche der Kreml mit seiner Aggression gegen die Ukraine selbst herbeigeführt hat. Auch der Nato-Beitritt von Schweden und Finnland ist durch die russische Invasion begründet.

Konzept der „Totalen Verteidigung“

Die beiden ehemals bündnisfreien Länder waren lange darauf vorbereitet, im Alleingang gegen Russland standhalten zu müssen und entwickelten das Konzept der „Totalen Verteidigung“, das die Zivilbevölkerung bei vielerlei Übungen mit einbezieht.

„Du bist ein Teil der Totalen Verteidigung Schwedens“ heißt das Motto der aktuellen „Bereitschaftswoche“, die derzeit in den Kommunen des Königreichs mit Einbeziehung auch kleiner Kinder etwa bei der Lebensmittelaufbereitung über die Bühne läuft.

Windräder als Drohnenmauer

Finnland hat ein noch umfassenderes Konzept – die 1340 Kilometer lange Grenze mit Russland legt dies nahe. Diese Grenzlinie wird auch die Herausforderung für die sogenannte „Drohnenmauer“ deren Bau derzeit zwischen der EU-Kommission und Nato-Mitgliedsstaaten angedacht wird, ein Warn- und Verteidigungssystem, deren genaue Gestalt derzeit noch diskutiert wird. Rund 1000 Windkraftturbinen an der Grenze, versehen mit Überwachungstechnologie, könnten als ein Frühwarnsystem gegen Drohnenschwärme genutzt werden, schlägt hierzu die finnische Ingenieurs-Initiative „ResilEast“ vor. (mit dpa)