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Duisburger OberbürgermeisterSören Link (SPD) verlangt Kurskorrektur seiner Partei

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PRODUKTION - 19.09.2025, Nordrhein-Westfalen, Duisburg: Sören Link (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, bei einem Wahlkampftermin. (zu dpa: «OB-Wahlen in NRW: Die wichtigsten Wahlsieger») Foto: Christoph Reichwein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Klare Ansagen kommen vom wiedergewählten Duisburger Oberbürgermeister Sören Link.

Die NRW-SPD findet keinen Weg, um Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) unter Druck zu setzen. Wer soll die Partei in die Landtagswahl 2027 führen? Ein möglicher Kandidat hat ein bemerkenswertes Interview gegeben.

Es sieht nach einer „Mission Impossible“ aus. In anderthalb Jahren stehen in Nordrhein-Westfalen wieder Landtagswahlen an. Aktuell deutet wenig darauf hin, dass CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst ein Wiedererstarken der SPD in ihrer einstigen Hochburg fürchten müsste.

Der 50-jährige Regierungschef, einst sozialisiert als konservativer Raufbold in der Jungen Union des Münsterlands, hat sich seit seinem Amtsantritt im Herbst 2021 erfolgreich neu erfunden. Als freundlich-juveniler Landesvater bespielt er diszipliniert die politische Mitte. Er hat sich als schwarz-grüner Gegenentwurf zu Kanzler Merz konturiert und schafft es, Problemthemen präsidial wegzudelegieren - an den schwächelnden grünen Koalitionspartner, vorzugsweise aber an den Bund oder an die leider, leider misslichen Gesamtumstände im dritten Jahr der Rezession.

Die SPD-Opposition hat bislang keinen Hebel gefunden, Wüst persönlich in die Verantwortung zu katapultieren für die inzwischen wieder schlechten NRW-Kennziffern bei Bildung, Betreuung, Sicherheit, Verkehr und Wirtschaft. Der Ministerpräsident grüßt verlässlich von Spitzenplätzen der Umfragen und kann sich über ordentliche Wahlergebnisse der NRW-CDU zuletzt auf Europa-, Bundes- und Kommunalebene freuen. Was sollte sich daran bis zum Mai 2027 ändern?

Wahlforscher sehen großes SPD-Stimmenpotenzial

Alle Wahlforscher bescheinigen der NRW-SPD, dass sie eigentlich an Rhein und Ruhr immer noch ein großes Stimmenpotenzial hätte. Normalverdiener, Familien mit Betreuungsproblemen, Bildungsaufsteiger, Alleinerziehende im täglichen Kampf an mehreren Fronten, Gewerkschafter mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, ehrgeizige Sprösslinge der ersten Gastarbeiter-Generation, Mittelständler im Kampf mit Energiepreisen und Bürokratie. Doch Programm und Personal entfalten schon seit Jahren keine Bindekraft mehr.

Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link hat das Problem seiner Partei jetzt in einem bemerkenswert klaren „Spiegel“-Interview auf den Punkt gebracht. Ob der Eindruck korrekt sei, dass die SPD ihre Kernklientel der Arbeiter mehr und mehr aus den Augen verloren habe und stattdessen in einen Gerechtigkeitskampf für Leistungsempfänger und Minderheiten gezogen sei, wird er dort gefragt. Link: „Zu 100 Prozent. Und ich glaube nicht, dass das der Kurs ist, den die SPD-Basis will.“

Zwischen Wählern und Partei habe „eine thematische Entfremdung“ stattgefunden. Dabei sei Grundidee der SPD, sozialen Ausgleich zu erkämpfen, Ungerechtigkeit zu bekämpfen und Aufstiegschancen zu eröffnen, „nach wie vor aktuell“, so Link.

Hoher Rückhalt in der Stadtgesellschaft

Der 49-jährige Diplom-Verwaltungswirt ist nicht irgendwer in der Landespartei. Link regiert seit nunmehr 13 Jahren in Duisburg und hat als einer der wenigen SPD-Leute schon vor langer Zeit die Integrationsprobleme mit der Armutsmigration lautstark beklagt. Vergangene Woche bei den Oberbürgermeister-Stichwahlen gehörte er zu den wenigen strahlenden Siegern seiner Partei. In einer strukturschwachen Großstadt wie Duisburg konnte er den AfD-Griff nach dem Rathaus noch einmal abwehren.

Das Umfrageinstitut „Forsa“ hat für Link den NRW-weit höchsten Rückhalt in der Stadtgesellschaft errechnet. Trotz einer landesweit schwachen Beteiligung an Stichwahlen kam der SPD-Mann immerhin auf mehr als 34 Prozent aller Wahlberechtigten. Ist Link also einer, der 2027 auch Wüst herausfordern könnte, um die SPD wieder zu sich selbst zurückzuführen?

Die Landespartei hat angekündigt, die Spitzenkandidatur ungewöhnlich früh klären zu wollen. „Es gibt viele Personen, die dafür in Frage kommen. Es soll der- oder diejenige machen, der oder die die besten Chancen gegen Wüst hat“, hatte die Co-Vorsitzende Sarah Philipp gesagt. Man werde sich nach der Kommunalwahl im September mit der Frage beschäftigen.

Bis zum Jahresende dürfte es also zu Schwur kommen. Die 42-jährige Philipp, Landtagsabgeordnete ebenfalls aus Duisburg, führt die NRW-SPD seit dem Sommer 2023 gemeinsam mit dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Achim Post. Formal habe sie „den ersten Zugriff“ auf die Spitzenkandidatur 2027, heißt es in der Partei. Allerdings ist Philipp weitgehend unbekannt, hat noch nie ein exekutives Amt ausgeübt und konnte sich vor zwei Jahren in einer Kampfabstimmung über den Landtagsfraktionsvorsitz nicht einmal gegen Jochen Ott durchsetzen.

Auch Ott werden Ambitionen auf die Spitzenkandidatur nachgesagt, obwohl einige die Stärken des leutseligen Kölners eher in der Parlamentsarbeit der zweiten Reihe sehen. Dass die SPD-Bundesvorsitzende und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas in einen Landtagswahlkampf einsteigt, erscheint kaum machbar. Einige Genossen hätten sich das wohl gewünscht, da Bas Prominenz mitbringt und eine faszinierende Biografie als Aufsteigerin aus kleinen Verhältnissen.

Also doch einer der erfolgreichen Oberbürgermeister wie Link oder Hamms Marc Herter? In der NRW-SPD weiß man, dass am Ende immer nur Regierungen abgewählt werden und nie die Opposition als strahlende Alternative. Aber ein Herausforderer müsste zumindest den ja unterschwellig im Land vorhandenen Unmut über Schwarz-Grün bündeln können und als Ministerpräsident zumindest vorstellbar sein.

Ist Link so einer? Oder besser: Funktioniert Link besser als links? Als raubauziger Ruhr-OB mit Zupacker-Image wäre er in der ansonsten blassen Funktionärs-SPD zumindest der spannendste Gegenentwurf zum smarten Wüst. Die NRW-Spitzenkandidatur aus einem OB-Amt heraus sei anspruchsvoll, wird geunkt. Unmöglich ist sie gleichwohl nicht, lehrt die Geschichte. In Niedersachsen ließ sich 2012 ein gewisser Stephan Weil, damals Oberbürgermeister von Hannover, darauf ein, gegen den deutlich beliebteren CDU-Ministerpräsidenten David McAllister anzutreten. Der Rest ist Geschichte.