Frage des TagesDebatte um Türkei als Nato-Mitglied

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Mevlut Cavusoglu (r), Außenminister der Türkei, und Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär, sprechen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Journalisten.

Berlin – Bevor die Sozialdemokraten Rolf Mützenich zu ihrem Fraktionschef im Bundestag gewählt haben, war er jahrelang der Fachmann seiner Fraktion für Außen- und Sicherheitspolitik. Umso mehr ließen seine laut geäußerten Zweifel an einer Mitgliedschaft der Türkei in der Nato aufhorchen. „Jeder muss für sich selbst prüfen, ob er noch Teil der Nato sein kann und will“, sagte Mützenich der „Funke Mediengruppe“. Der SPD-Politiker erinnerte daran, dass die Mitglieder der Nato sich nicht nur dazu verpflichtet hätten, Werte zu teilen, sondern auch das Völkerrecht zu achten.

Einmarsch der Türkei gegen das Völkerrecht?

Der Einmarsch der Türken vor mehr als zwei Wochen nach Nordsyrien war international als Verstoß gegen das Völkerrecht verurteilt worden. Präsident Erdogan hatte nach der Rückzugsankündigung der Amerikaner aus diesem Gebiet Tatsachen geschaffen. Die Kurdenmiliz YPG ist nun auf dem Rückzug. Sie hatte das Gebiet nach ihrem Sieg über die Terrormiliz IS kontrolliert und schon eine eigene Verwaltung eingerichtet.

Mützenich stieß mit seinen Zweifeln an einer Fortsetzung der türkischen Nato-Mitgliedschaft auf viel Kritik. Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sagte unserer Redaktion: „Den Ausschluss eines Mitglieds sieht der Nato-Vertrag nicht vor." Die Nato habe daher auch bei früheren kritischen Vorgängen, wie dem Vorgehen in Nordzypern, keine Maßnahmen zum Ausschluss der Türkei ergreifen können. Bündnis-Mitglieder hätten die Option, sich bilateral oder multilateral von Ankara zu distanzieren, etwa durch Waffenembargo-Beschlüsse. "Die Frage ist nur, ob man dadurch die Türkei nicht noch mehr in die russischen Arme treibt", gab Ischinger zu bedenken.

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Annegret Kramp-Karrenbauer, Verteidigungsministerin von Deutschland, trifft zum Treffen der Verteidigungsminister der NATO-Mitgliedsstaaten ein.

Der Chef des Deutschen Bundeswehrverbands, André Wüstner, erklärte: „So nachvollziehbar der Ärger über die türkische Politik ist: Ein Rauswurf aus der Nato kann nicht die Lösung sein.“ Die Türkei sei ein wichtiger Partner an der Ostflanke des Bündnisses. „Das Land an Putin zu verlieren, können wir uns nicht leisten. Wir würden vollends erpressbar.“ Wüstner riet vielmehr dazu, mit allen politischen Mitteln Präsident Erdogan zu überzeugen, seine Intervention in Syrien einzustellen.

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Die Bundesregierung hatte wegen der türkischen Militäroffensive in Syrien Waffenexporte in die Türkei eingeschränkt. Es gibt nur keine neuen Genehmigungen mehr für Rüstungsgüter. Die bislang vereinbarten Lieferungen werden allerdings erfolgen. Die Türkei ist der größte Abnehmer von Rüstungslieferungen aus Deutschland.

Deutschland hat Druckmittel gegen Erdogan

Bislang plant Berlin keine weiteren Schritte, um Erdogan zum Einlenken zu bewegen. Dabei besitzt Deutschland mit den Hermes-Bürgschaften, durch die deutsche Exporte in der Türkei abgesichert werden, eigene Druckmittel gegen Erdogan. Für die Bürgschaften sind hohe Summen im Spiel: Der Bund hat in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres bereits deutsche Exporte in die Türkei im Umfang von knapp 790 Millionen Euro mit den staatlichen Bürgschaften abgesichert.

Nach Auskunft des Wirtschaftsministeriums sollen die Hermes-Bürgschaften für deutsche Türkei-Geschäfte trotz der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien vorerst unverändert weiter laufen Der Bund prüfe bereits seit 2017 die Anträge auf Übernahme von Garantien vertieft, unter anderem mit Blick auf die Einhaltung von Menschenrechten, hieß es aus dem Ministerium.

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