„Verstört, empört und wütend“ - Kritiker werfen dem Kölner Kardinal Woelki juristische Spitzfindigkeit in einem Schmerzensgeldprozess vor. Der Erzbischof reagiert auf die Kritik.
Kölns KardinalBeschwerde über Woelki erreicht den Vatikan

Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki vor Start seines Schiffsausflugs auf dem Rhein.
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Ein Pfarrer, zwei Theologen und weitere zwölf Katholikinnen und Katholiken aus Köln und Umgebung haben sich laut einem Zeitungsbericht mit einer Beschwerde über Kardinal Rainer Maria Woelki an den Vatikan gewandt. Darin kritisieren sie das Verhalten des Erzbistums Köln im Schmerzensgeldprozess der Missbrauchsbetroffenen Melanie F., wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete. Das Erzbistum Köln hat von der Beschwerde bisher inhaltlich keine Kenntnis, wie es am Donnerstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mitteilte. Zugleich äußerte sich Woelki zu der Kritik.
F. hatte über 800.000 Euro verlangt, weil sie als Mädchen über Jahre von einem Priester missbraucht worden war, der sie als Pflegevater bei sich aufgenommen hatte. Eine Amtshaftung des Erzbistums kommt laut dem am 1. Juli verkündeten Urteil nicht infrage. Das Landgericht folgte der Argumentation des Erzbistums, wonach der Priester in diesem Fall die Taten nicht im Rahmen seines Amtes begangen habe, sondern - durch die Übertragung des staatlichen Sorgerechts - als Privatmann in seiner Freizeit. Die Anwälte der Missbrauchsbetroffenen betonen dagegen, nach katholischer Lehre sei ein Priester nie privat. Gegen das Urteil hat F. Berufung eingelegt.
„Verstört, empört und wütend“
Die Verfasser der Beschwerde wandten sich laut Zeitung an den Leiter der Behörde für die Glaubenslehre im Vatikan, Kardinal Victor Manuel Fernandez. Sie seien „verstört, empört und wütend“, wie Woelki die katholische Lehre vom Weihepriestertum „mit Füßen tritt und verrät, nur um einen staatlichen Prozess zu gewinnen“. Er habe damit „großen geistlichen Schaden bei unzähligen Gläubigen in seinem Erzbistum ausgelöst“.
Fernandez solle sich bei Leo XIV. dafür verwenden, dass dieser das 2022 von Woelki an Papst Franziskus gerichtete Rücktrittsangebot „aus der Schublade“ nehme oder Woelki aus dem Amt entlasse, „um weiteren Schaden von unserem Bistum abzuwenden“. Fernandez habe den Beschwerdeführern Ende Juli per E-Mail mitgeteilt, dass er ihr Schreiben „an die zuständige Disziplinarabteilung“ sende.
Woelki: Priester sind immer Priester
In Reaktion auf die Beschwerde zitiert das Erzbistum Kardinal Woelki nun mit folgenden Worten: „Priester sind immer Priester.“ Ein katholischer Priester habe nach dem Selbstverständnis der Kirche nie einfach Feierabend: „Er ist berufen, das Wort Gottes zu verkünden, die Sakramente zu feiern, zu beten, zu segnen und zu helfen, wann immer es nötig ist. Er steht mit seinem ganzen Leben im Dienst Gottes und der Menschen.“
Weiter führte der Amtsleiter des Erzbistums, Frank Hüppelshäuser, aus: „Mit Blick auf die Urteilsfindung des Landgerichts Köln in der Amtshaftungsklage auf Schmerzensgeld der Melanie F. war die Frage des kirchlichen Weiheverständnisses überhaupt nicht entscheidend. Wir haben im Prozessverlauf grundsätzlich vermieden, das Vorgehen der Klägerin und speziell deren Anwälte zu kommentieren.“ Überdies sei das Gerichtsverfahren nur möglich geworden, weil das Erzbistum auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe.
Mehr Geld im kirchlichen Zahlungssystem?
Weiter betonte das Erzbistum, die Klägerin könne im freiwilligen System der kirchlichen Anerkennungszahlungen mit einen Widerspruch möglicherweise deutlich mehr Geld als bisher bekommen. Bislang hat Melanie F. 70.000 Euro erhalten. Der bisher im kirchlichen Verfahren „leider nicht abgeschlossene“ Weg „bleibt weiter offen“, so das Erzbistum.
Auch die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch bat den Papst offiziell um eine unabhängige kirchliche Untersuchung des Vorgehens von Woelki in diesem Fall. Die Initiative bestätigte auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) eine entsprechende Angabe des „Stadt-Anzeigers“. Das Schreiben ging laut Bericht zunächst über den Dienstweg an den Trierer Bischof Stephan Ackermann. Dieser ist als dienstältester Bischof der Kölner Kirchenprovinz für Fälle zuständig, in denen Woelki als Vorsteher dieser Kirchenprovinz selbst betroffen ist.
Melanie F. schließt sich Anzeige an
Melanie F. schloss sich dem Bericht zufolge auch einer Anzeige an, die der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz ebenfalls über Ackermann an den Vatikan gerichtet hat. Das unabhängige Gremium wirft dem Kölner Erzbischof vor, im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung seine Amtspflicht verletzt und bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen einen Meineid geleistet zu haben. Das Erzbistum Köln wies diese Darstellung zurück.