Merz' Aussagen zu einer Aufhebung der Reichweitenbegrenzung werden auch in der eigenen Partei diskutiert. In Moskau ist die Kritik scharf.
„Widersprüchliche Aussagen“Kritik an Merz nach Waffen-Freigabe für Ukraine – Umdenken bei Trump?

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) reagiert während seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit dem finnischen Ministerpräsidenten Orpo in Turku. (Symbolbild)
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Bundeskanzler Friedrich Merz hat die Aufhebung der Beschränkungen für den Einsatz deutscher Waffen im Ukraine-Krieg gegen aufkommende Kritik, insbesondere aus den Reihen des Koalitionspartners SPD, verteidigt. Die Ukraine habe das Recht, die ihnen zur Verfügung stehenden Waffen auch gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet einzusetzen. „Das ist aus meiner Sicht notwendig“, sagte Merz bei einem Besuch in Finnland. „Denn wer nur einen Angriff auf dem eigenen Territorium abwehrt, kann sich nicht genug verteidigen.“
Roderich Kiesewetter nennt Aussagen „nicht hilfreich“
Während einzelne SPD-Abgeordnete Merz für seinen Vorstoß verurteilten, äußerte sich auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter durchaus kritisch. „Wir liefern bislang keine weitreichenden Waffensysteme. Deshalb sollten wir auch keine widersprüchlichen Aussagen dazu treffen“, so Kiesewetter auf X.
Es gäbe keinerlei Anzeichen, dass „Deutschland endlich Taurus-Marschflugkörper liefert, denn ich sehe weiterhin keine Einigkeit in der Koalition und keinen politischen Willen, angemessen und mit Stärke und Konsequenz auf die massive Eskalation Russlands zu agieren“, so Merz' Parteikollege. „Solche Aussagen sind deshalb insgesamt nicht hilfreich“, schrieb Kiesewetter, ohne Merz konkret zu nennen.
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Der Marschflugkörper Taurus KEPD-350 wird zur Bekämpfung von wichtigen Zielen über große Entfernung verwendet und ist einer der modernsten Flugkörper der Deutschen Luftwaffe. (Archivbild)
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Der CDU-Politiker spielt darauf an, dass die Ankündigung von Merz zunächst wohl keine konkreten operativen Auswirkungen haben wird, da Deutschland kaum Waffen geliefert hat, mit denen die ukrainischen Streitkräfte russische Stellungen weit hinter der Frontlinie treffen können. Der Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von 85 Kilometern und die Panzerhaubitze 2000 mit 35 Kilometer Reichweite sind die einzigen beiden Waffensysteme.
Merz mit Kurswechsel gegenüber Vorgänger Olaf Scholz
Merz hatte am Montag beim WDR-Europaforum in Berlin erklärt, dass für die von Deutschland und anderen Bündnispartnern an die Ukraine gelieferten Waffen keine Beschränkungen mehr gelten, was die Reichweite und damit den Einsatz gegen russisches Territorium angeht. Die Äußerung bedeutet einen Kurswechsel gegenüber seinem Vorgänger Olaf Scholz (SPD).
Inwieweit der Schritt mit dem Koalitionspartner SPD abgestimmt ist, blieb offen. Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) stellte sich dem Eindruck eines Kurswechsels bereits am Montag entgegen: „Da gibt es keine neue Verabredung, die über das hinausgeht, was die bisherige Regierung gemacht hat.“ Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner nannte die Aufhebung der Beschränkungen „nicht hilfreich“.
Kreml spricht nach Merz-Aussagen von „Eskalation“
In Moskau reagierte der Kreml erbost auf die Aussagen des Kanzlers – und sprach umgehend von einer Eskalation, die von Merz ausgehe. „Wenn das den Tatsachen entspricht, dann ist das eine Eskalation, eine ernsthafte Eskalation, die auf schwerwiegende Weise wohl den Anstrengungen Richtung friedlicher Lösung widerspricht, die jetzt unternommen werden“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Allerdings seien Merz' Äußerungen dazu aus Moskauer Sicht sehr unklar.
Bereits am Montag hatte der Kreml die Ankündigung als gefährlich bezeichnet. „Merz windet sich jetzt ziemlich“, sagte Peskow nun. Am Vortag habe er gesagt, dass eine Entscheidung getroffen worden sei. Dies habe jedoch später ein Kabinettsmitglied dementiert. Nun habe Merz darauf bestanden, dass diese Entscheidung vor einigen Monaten doch getroffen worden sei.
Unterstützung für Merz' Kurs kam von den Grünen. Ihre Vizefraktionschefin Agnieszka Brugger sagte: „Wladimir Putin bombt mit neuer Grausamkeit gerade jegliche Friedensbemühungen und Gesprächsangebote in Grund und Boden. Es wäre ein Fehler, dies tatenlos hinzunehmen.“
Zunächst keine konkreten Auswirkungen
Anders als Deutschland haben die USA, Frankreich und Großbritannien den ukrainischen Streitkräften bereits Raketen mit einer Reichweite von teilweise mehr als 250 Kilometern zur Verfügung gestellt, die Medienberichten zufolge schon gegen russisches Territorium eingesetzt worden sein sollen.
Die Vereinigten Staaten haben aber noch nicht alle von Joe Biden verhängten Beschränkungen für die Kriegsführung der Ukraine aufgehoben. Medienberichten zufolge ziehe Präsident Donald Trump diesen Schritt „ernsthaft in Erwägung“. Dies teilten zwei hochrangige Beamte dem Washingtoner Korrespondenten der Kyiv Post am Montag laut der Zeitung mit.
Trump soll mehr und mehr frustriert von den anhaltenden Angriffen des russischen Präsidenten auf die Ukraine und dem langsamen Tempo der Friedensgespräche sein, wie amerikanische Medien berichten.
Trump erteilte Wladimir Putin demnach eine scharfe Rüge, nachdem Moskau seine Raketen- und Drohnenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew und andere Regionen intensiviert hatte, bei denen mindestens 12 Menschen getötet wurden. (mit dpa)