Lauterbach und Laumann uneinsStreit um die Zukunft der Kliniken in NRW

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Ein Hinweisschild mit der Aufschrift „Krankenhaus“ weist an einer Straße den Weg zu einer Klinik.

Ein Hinweisschild weist an einer Straße den Weg zu einer Klinik. Über die Zukunft der Krankenhausversorgung wird derweil heftig debattiert.

Der Bund und NRW möchten die Krankenhauslandschaft zukunftsfest machen. Dabei soll der Patient im Mittelpunkt stehen, nicht mehr das Finanzierungssystem.

NRW und der Bund planen Krankenhausreformen. Bisher durfte man hoffen, dass sie zusammenpassen. Seit Dienstag ist diese Hoffnung vorerst dahin. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) meint, es könne nur eine Reform geben – seine. Die Aufregung in NRW ist groß.

Worum geht es bei der Diskussion?

In Deutschland gibt es rund 1700 Krankenhäuser, in NRW gut 340. Laut Deutschem Krankenhaus-Institut (DKI) steht etwa jedes fünfte Haus vor der Insolvenz, kaum eines schreibt schwarze Zahlen. Die Kliniken kannibalisieren sich schon lange im Wettbewerb. „Ein ungeordnetes Krankenhaussterben ist zu erwarten“, warnte Lauterbach am Dienstag, als er die SPD-Landtagsfraktion besuchte.

Der Bund und NRW möchten die Krankenhauslandschaft zukunftsfest machen. Dabei soll der Patient im Mittelpunkt stehen, nicht mehr das Finanzierungssystem über „Fallpauschalen“. Dieses System habe fatale Nebenwirkungen, so Lauterbach: „Wenn ein Krankenhaus Defizite hat und die ausgleichen will, braucht es mehr Fälle.“ Folge: eine „massive Überversorgung“ und „überflüssige“ Operationen, etwa an Kniegelenken und Hüften. Karl-Josef Laumann (CDU) schätzt die Lage als NRW-Gesundheitsminister ähnlich ein. Es sei ein „Wahnsinn“, den Patienten nur als Wirtschaftsfaktor anzusehen.

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Welche Reformen plant der Bund?

Lauterbach will den Vorschlägen einer Expertenkommission folgen und die Kliniken in drei „Level“ einteilen, gemessen an ihrem Können und ihrer Ausstattung: So soll es Kliniken zur „Grundversorgung“ geben – zum Beispiel für kleine Eingriffe und Notfälle. Andere sollen sich um die „Regelversorgung“ kümmern. Unikliniken würden zu „Maximalversorgern“. Die Kliniken sollen „Vorhaltepauschalen“ bekommen und damit eine gute finanzielle Grundausstattung. Nur 40 Prozent des Einkommens würden noch an der Zahl der Fälle bemessen. „Dieses System belohnt Qualität, verhindert überflüssige Eingriffe und führt dazu, dass komplizierte Eingriffe in Kliniken gemacht werden, die dafür besonders geeignet sind“, erklärt Lauterbach.

Welche Pläne hat das Land?

Auch NRW möchte den ruinösen Wettbewerb beenden. Er soll ersetzt werden durch die bestmögliche Versorgung der Bürger in allen 16 „Versorgungsgebieten“ in NRW. Die Kliniken in einer Region müssten sich künftig auf bestimmte Leistungen konzentrieren, zum Beispiel auf Transplantationen oder auf Knieoperationen. Die Idee, dass alle alles anbieten, sei nicht mehr zeitgemäß.

Die Freiheit, sich eine Klinik auszusuchen, werde aber nicht angetastet, versichert die Landesregierung. Bestimmte Angebote, die viele Menschen benötigen – Innere Medizin, Chirurgie, Intensivmedizin – soll es „wohnortnah“ geben. Das heißt, sie müssen für 90 Prozent der Bürger innerhalb von 20 Pkw-Fahrzeitminuten erreichbar sein. Die Reform ist schon weit fortgeschritten. Kliniken, Krankenkassen und Landesbehörden stecken mitten in den Verhandlungen.

An welchen Punkten hakt es momentan?

Haupt-Knackpunkt: Krankenhausplanung ist Ländersache. Lauterbach hat da also nicht viel zu melden. Er versucht es aber, indem er sagt, er habe zwar kein Planungsrecht, aber wenn die Länder ihm nicht folgten, gebe es eben auch kein Geld. In Düsseldorf macht daher das Wort „Erpressung“ die Runde.

Lauterbach wirft NRW eine halbherzige Reform vor. Es bliebe am Ende bei vielen „überflüssigen“ Operationen, denn die Kliniken würden sich dahingehend absprechen. Ihm gefällt auch nicht, dass NRW die Reform mit „Lobbyisten“ wie der Krankenhausgesellschaft, Krankenkassen und Ärztekammern vorantreibt: „Für eine so radikale Reform erwarten wir nicht viel von Lobbygruppen.“

Minister Laumann sagt dagegen, man könne nicht einfach mit einer „Bundes-Schablone“ die Kliniklandschaft in den Ländern neu zeichnen. Lauterbach müsse sich entscheiden, ob er eine „allein unter wissenschaftlichen Laborbedingungen“ entworfene Reform wolle oder eine, die wichtige Akteure mit einbezieht. Lauterbach misstraue den Praktikern offenbar zutiefst.

Was sagen die Kliniken zu den Reformplänen?

„Es wirkt für die NRW-Krankenhäuser und ihre Beschäftigten befremdlich, wenn der Bundesgesundheitsminister ihre Arbeit öffentlich schlecht redet“, sagte Matthias Blum, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft NRW. „Dass Herr Lauterbach die Krankenhäuser zugleich auffordert, die in NRW in Kraft gesetzte Krankenhausplanung aufzugeben, weil sie sonst nicht mehr mit einer umfassenden Vergütung ihrer Leistungen rechnen dürften, irritiert noch mehr.“

Wird es Schließungen von Kliniken geben?

Nicht auszuschließen. Krankenhausgesellschaft NRW und Ärztekammer Nordrhein warnten zuletzt vor einem Kahlschlag bei Notaufnahmen und Geburtshilfen. Lauterbach glaubt aber, dass seine Reform vielen Kliniken das Überleben ermögliche. Ginge der Wettbewerb weiter, hätten sie keine Chance.

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