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Details zu Telefonaten veröffentlicht„Alle hielten den Atem an“ – Merz’ Manöver und Trumps Eingeständnis

Lesezeit 5 Minuten
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) während einer Debatte im Bundestag. (Archivbild)

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) während einer Debatte im Bundestag. (Archivbild)

Fassungslosigkeit, ein Lob für Merz, ein Konter von Macron – über die jüngsten Telefonate mit Trump werden mehr Informationen öffentlich. 

Das Telefonat von US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin, das die beiden Staatschefs am Montag (19. Mai) führten, hat Nachwirkungen. Nach dem Gespräch, das in Moskau sowohl vom Kreml als auch von den staatlichen Medien als großer Erfolg für Putin gewertet wird, hatte der US-Präsident die europäischen Verbündeten der Ukraine über den Gesprächsverlauf informiert.

Bereits kurz danach war durchgesickert, dass der Republikaner dabei mit seinen Aussagen über Putin und den Krieg für „Fassungslosigkeit“ am anderen Ende der Leitung gesorgt haben soll. Nun sind noch mehr Details bekannt geworden, die darauf hindeuten, wie entzweit Washington und Europa hinsichtlich Russlands Krieg gegen die Ukraine offenbar sind.

Wie Trump Europas Staatschef in „Fassungslosigkeit“ versetzt hat

Trump habe bei dem Telefonat mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sowie Finnlands Präsident Alexander Stubb eine radikale Kehrtwende hingelegt, berichtete zunächst die „New York Times“ über entsprechende Angaben aus Regierungskreisen. Am Donnerstag berichtete die „Bild“-Zeitung schließlich, die Angaben der US-Zeitung seien in deutschen Regierungskreisen bestätigt worden.

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US-Präsident Donald Trump spricht im Oval Office des Weißen Hauses. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump spricht im Oval Office des Weißen Hauses. (Archivbild)

Trump habe demnach nicht mehr auf die von ihm selbst zuvor geforderte 30-tägige sofortige Waffenruhe bestanden, die Moskau seit Wochen verweigert. Auch weitere Sanktionen gegen Moskau wollte der US-Präsident nicht verhängen – mittlerweile bestätigte Trump das mit öffentlichen Äußerungen. Die brisanteste Aussage des Republikaners war den Berichten zufolge jedoch, dass Russland und die Ukraine die Lösung des Kriegs fortan unter sich ausmachen sollten.

Manöver von Friedrich Merz soll für Beruhigung gesorgt haben

Statt mehr Druck auf Putin auszuüben, drohte demnach der vollständige Rückzug der USA aus der Unterstützung der Ukraine, die unter Trump ohnehin bereits sehr spärlich ausfiel. In diesem Moment „hielten alle den Atem an“, zitierte „Bild“ nun aus Regierungskreisen. Keiner der europäischen Staatschefs habe es gewagt, bei Trump nachzufragen, was genau er mit seinen Worten meine.

Schließlich, so die Angaben der Quelle von „Bild“, soll es Kanzler Merz gewesen sein, der versucht habe, Trump „an Bord zu halten“, indem er dem US-Präsidenten ein „technical meeting“ vorgeschlagen habe. Dabei handelt es sich um ein Treffen auf der Ebene von Unterhändlern, die gemeinsam die avisierten Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine vorbereiten könnten. Zur „Beruhigung“ der Europäer habe Trump diesem Vorschlag zugestimmt.

„Wall Street Journal“: Trump räumt ein, dass Putin keinen Frieden will

Gleichzeitig berichtete am Donnerstag auch das „Wall Street Journal“ über Details aus dem Telefonat der uneinigen Verbündeten. Trump habe demnach dabei auch erklärt, dass Putin nicht zu einem Frieden in der Ukraine bereit sei, weil er glaube „den Krieg zu gewinnen“. Es sei das erste Mal, dass der US-Präsident eingeräumt habe, dass Moskau kein Interesse an Frieden habe, berichtete die US-Zeitung.

Den Druck auf Moskau erhöhen wollte Trump jedoch dennoch nicht, berichteten drei Quellen dem „Wall Street Journal“. Als die Europäer darauf bestanden hätten, dass das Ziel jeglicher Verhandlungen mit Moskau weiterhin der zuvor auch von Trump geforderte bedingungslose Waffenstillstand sein müsse, habe Trump bestritten, eine derartige Feuerpause jemals gefordert zu haben. Das Wort „bedingungslos“ möge er ohnehin nicht, erklärte der US-Präsident demnach.

Trump lobt Merz: „Mit deutschem Akzent gefällt es mir noch besser“

Auch über ein Gespräch am letzten Sonntag (18. Mai), das zur Vorbereitung von Trumps Telefonat mit Putin geführt worden war, berichtete das „Wall Street Journal“ neue Details: So habe Trump Merz in dem Gespräch für sein gutes Englisch gelobt. „Mit Ihrem deutschen Akzent gefällt es mir noch besser“, sagte der US-Präsident demnach laut einem Teilnehmer des Gesprächs.

Der Republikaner sei jedoch auch abgeschweift und habe sich erneut über die europäische Migrationspolitik ausgelassen und vor einem drohenden „Zusammenbruch“ gewarnt. Der Konter soll bei diesen Kommentaren von Macron gekommen sein: „Sie dürfen unsere Nationen nicht beleidigen, Donald“, zitierte ein Gesprächsteilnehmer gegenüber der US-Zeitung Frankreichs Präsidenten. 

Macron kontert Trump: „Sie dürfen unsere Nationen nicht beleidigen“

Merz hatte bei seinen öffentlichen Stellungnahmen zu den jüngsten Gesprächen mit Trump die Einigkeit zwischen den USA und Europa beschworen. „Europa und Amerika sind hier sehr geschlossen: Wir werden die Ukraine auf dem Weg hin zu einem Waffenstillstand eng begleiten“, hatte der Kanzler direkt nach dem Gespräch am Montag auf der Plattform X geschrieben – dabei aber auch Differenzen durchblicken lassen. „Europa wird den Druck auf Moskau durch Sanktionen erhöhen. Darauf haben wir uns mit dem US-Präsidenten nach seinem Gespräch mit Putin verständigt.“ Von Druck aus Washington war keine Rede. 

Diesen Kurs setzte Merz auch am Donnerstag fort: „Wir machen uns keine Illusion: Es gibt keine schnelle Lösung“, sagte der Kanzler nach einem Treffen mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda in Vilnius mit Blick auf das Gespräch zwischen Trump und Putin. „Das ist ein Prozess, der gerade erst begonnen hat und der möglicherweise noch viele Wochen, vielleicht sogar viele Monate, dauern wird.“

Merz pocht auf Waffenstillstand – und auf Einigkeit mit den USA

Der Kanzler pochte erneut auf den Waffenstillstand, den Putin ablehnt und von dem Trump sich nun distanziert hat, obwohl ihn Merz und andere europäische Staats- und Regierungschefs vor zwei Wochen unter Androhung neuer Sanktionen ultimativ gefordert hatten. Damit weicht Merz von Trumps Kurs ab, widerspricht gleichzeitig aber dem Eindruck, dass die US-Regierung das Interesse an den Bemühungen um eine Verhandlungslösung verliere.

Es sei die gemeinsame Überzeugung der Europäer, dass eine Friedenslösung auch im amerikanischen Interesse sei, erklärte Merz. „Das versuche ich auch in den Gesprächen mit der amerikanischen Regierung, auch mit dem amerikanischen Kongress, zu vermitteln. Und ich habe das Gefühl, dass dies jedenfalls von großen Teilen der amerikanischen Regierung und des Kongresses so gesehen wird“, fügte der Kanzler an.

Zuvor hatte der US-Senator Lindsey Graham – im Gegensatz zu Trump – ein neues US-Sanktionspaket gegen Putin ins Spiel gebracht. „Wenn wir es in der Ukraine nicht hinbekommen und die Welt sieht, wie Putin ungestraft davonkommt, wird es noch schlimmer. Das wird schlimmer als Afghanistan“, zitierte „Voice of America“ den Republikaner. Laut Graham unterstützen mittlerweile 72 Senatoren weitere Maßnahmen gegen Russland, für eine Mehrheit im US-Senat würde das ausreichen. (mit dpa)