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Österreichisches Staatsoberhaupt„Ich habe mich in Putin geirrt“

Lesezeit 3 Minuten
Juni 2018: Wladimir Putin (l.) wird von Alexander Van der Bellen in der Wiener Hofburg empfangen.

Juni 2018: Wladimir Putin (l.) wird von Alexander Van der Bellen in der Wiener Hofburg empfangen.

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfing Putin noch 2018 mit militärischen Ehren. Nun übt er Selbstkritik.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine müssen viele deutsche Politiker ihr früheres Verhältnis zu Russland kritisch hinterfragen. Die Gefahr, die von Wladimir Putin ausgeht, wurde ganz offensichtlich jahrzehntelang unterschätzt oder der eigene Einfluss auf den Kreml-Herrscher überschätzt. Eine Aufarbeitung findet nicht nur in Deutschland, sondern auch im Nachbarland Österreich statt.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen räumt im Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ ein, die Lage verkannt zu haben und sich auch in der Person Putins geirrt zu haben.

Insbesondere die Zeit nach 2014 sieht Van der Bellen kritisch. Damals verleibte sich Russland die Krim ein – für die Politik der europäischen Partner Wladimir Putin gegenüber war dies allerdings kein entscheidender Wendepunkt. Für den parteilosen Van der Bellen, der seit 2017 im Amt ist und der zuvor Bundessprecher der österreichischen Grünen war, ist dies im Nachhinein nicht nachvollziehbar. Er selber empfing Putin noch 2018, also vier Jahre nach der Krim-Annexion.

Van der Bellen: „Putin ist ein Aggressor“

Van der Bellen sagt im „Spiegel“-Interview: „Entweder haben wir alle uns in Putin gründlich getäuscht, oder er hat sich verändert, vom Ergebnis her ist das egal. Er ist ein Aggressor“, so Van der Bellen. Er selber habe gedacht, Putin würde sich mit der Annexion der Krim zufriedengeben. Das sei eine Fehleinschätzung gewesen. „Ich gebe zu, ich habe mich in Putin geirrt“, so Van der Bellen selbstkritisch.

Putin lebe mit seinen Großmachtsphantasien im 18. Jahrhundert und habe Zaren als Vorbilder. Von den baltischen Staaten müsse man sich zu Recht Kritik gefallen lassen, warum der Westen 2014 nicht klarer reagiert habe. Die Angst vor weiteren Expansionsgelüsten Putins sei nicht unberechtigt, so der 80-Jährige, der sich seit Januar 2023 in seiner zweiten Amtszeit befindet. Van der Bellen unterstützt die Ukraine und besuchte Kiew 2023.

Die Aufarbeitung der Russland-Politik ist auch in Deutschland seit 2022 ein großes Thema. Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der sich selbst als Putin-Freund bezeichnet, sieht keine Fehler bei sich, wie er noch jüngst aus Anlass seines 80-Geburtstages deutlich machte. Schröder ringt sich zwar die Äußerung ab: „Der Krieg ist ein fataler Fehler“, einen Bruch mit Putin lehnt er jedoch ab. Für seine Position wird der Altkanzler in seiner Partei geächtet.

Auch Angela Merkels (CDU) Rolle im Verhältnis zu Putin wird nicht mehr unkritisch gesehen. Merkel war maßgeblich am Minsker Abkommen von 2015 beteiligt, der Friedensplan wurde aber nie vollständig umgesetzt.

Deutschland hielt lange an Nordstream 2 fest

Dennoch ist es die SPD, die noch immer sehr zurückhaltend bei der Unterstützung der Ukraine mit Waffen ist. Einzelne Politiker wie Rolf Mützenich müssen sich immer noch eine zu große Russlandnähe vorwerfen lassen, wenn er von einem „Einfrieren“ des Krieges spricht. Dies hatte der Fraktionschef noch kürzlich in einer Taurus-Debatte im Bundestag vorgeschlagen.

Vollkommen klar ist parteiübergreifend inzwischen, wie falsch es war, sich wirtschaftlich abhängig von Russland zu machen und entgegen den Warnungen der westlichen Partner an der Gas-Pipeline Nordstream 2 festzuhalten.