J. D. Vance bestätigt, dass Donald Trump über eine Tomahawk-Lieferung an die Ukraine nachdenkt. Der Kreml wäre damit in Reichweite.
Nervöse Drohungen aus MoskauTrump gibt grünes Licht für Angriffe tief in Russland – und liefert bald Tomahawks?

Ein Tomahawk-Marschflugkörper wird während einer Übung von der „USS Shoup“ abgefeuert. Die USA erwägen die Lieferung der weitreichenden US-Waffe an die Nato und somit an die Ukraine. (Archivbild)
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Nach der ukrainischen Drohung mit direkten Angriffen auf den Kreml prüfen die USA eine Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern an die Ukraine, das gab US-Vizepräsident J. D. Vance am Sonntag bekannt. Zuvor hatte es bereits Medienberichte gegeben, wonach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Gespräch mit US-Präsident Donald Trump um die weitreichenden US-Waffen gebeten haben soll.
„Wir prüfen eine Reihe von Anfragen der Europäer“, sagte Vance nun im Gespräch mit dem US-Sender „Fox News“. Die „endgültige Entscheidung“ über einen möglichen Tomahawk-Deal treffe jedoch Präsident Trump, erklärte der Vizepräsident, der zudem scharfe Kritik an Moskaus Kurs äußerte. Moskau verweigere weiterhin Gespräche mit der Ukraine, bemängelte Vance.
Vance bestätigt Tomahawk-Prüfung: „Die Russen müssen aufwachen“
„Wir haben uns seit Beginn unserer Amtszeit aktiv für den Frieden eingesetzt. Aber die Russen müssen aufwachen und die Realität akzeptieren. Viele Menschen sterben. Sie haben nicht viel vorzuweisen“, führte Vance aus. Trump werde schlussendlich das tun, was im „besten Interesse der Vereinigten Staaten von Amerika ist“, kündigte der US-Vizepräsident zudem an. „Das ist die treibende Kraft hinter seinen Entscheidungen.“
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In Russland scheint man die westlichen Überlegungen über eine Lieferung der Marschflugkörper, die Moskau erreichen könnten, genau zu verfolgen. Am Rande der UN-Generalversammlung in New York wurde am Wochenende schließlich auch der russische Außenminister mit den Gerüchten über eine mögliche Tomahawk-Lieferung konfrontiert.
Tomahawks für die Ukraine? Lawrow spottet über „Bettler“ Selenskyj
„Sie haben das ‚Wall Street Journal‘ zitiert, aber die ‚New York Times‘ schrieb, dass Selenskyj um Tomahawk-Raketen gebettelt habe und Trump sie ihm nicht gegeben habe“, erklärte Lawrow auf die Nachfrage eines Reporters und versuchte die kurz darauf von Vance bestätigten Überlegungen ins Reich der Fabeln zu verweisen. „Ich würde nicht auf jede Zeile oder jeden Vorschlag dieser Art reagieren“, erklärte Lawrow.
Gleichzeitig bekräftige Moskau seinen Kriegskurs – und attackierte die ukrainische Hauptstadt Kyjiw in der Nacht auf Sonntag erneut mit einem Großangriff. „Während die UN-Generalversammlung stattfand, nutzte Russland buchstäblich jeden Tag, jede Stunde, um die Ukraine anzugreifen“, kommentierte Selenskyj am Montag die andauernden Bombardements. „Genau das macht Russland aus – was sie tun, nicht was sie sagen oder als Signale in die Welt hinaus senden.“
Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj verschärfen Tonfall
Selenskyj hatte in der letzten Woche am Rande der UN-Generalversammlung US-Präsident Trump getroffen. Nach dem Gespräch verschärften beide Staatschefs ihre Rhetorik gegenüber Moskau. Während Trump erstmals davon sprach, dass die Ukraine alle von Russland besetzten Gebiete zurückerobern könne, drohte Selenskyj mit direkten Angriffen auf den Kreml. „Sie müssen wissen, wo die Luftschutzbunker sind“, sagte Selenskyj gegenüber der US-Nachrichtenplattform „Axios“ mit Bezug auf die Mitarbeiter des Kremls.
Aus den USA – wo Präsident Trump bisher Angriffen auf Ziele tief in Russland eher ablehnend gegenüber stand – gab es dafür keinen Gegenwind. Im Gegenteil: Der US-Sondergesandte für die Ukraine, Keith Kellogg, erklärte am Sonntag, dass die USA weitreichenden Angriffen nicht im Wege stehe. „Die Antwort ist ja. Nutzen Sie die Fähigkeit, tief zuzuschlagen. Es gibt keine Rückzugsorte“, antwortete Kellogg auf die Frage, ob die Ukraine entsprechende Attacken durchführen könne.
Keith Kellogg: Keine Beschränkungen für Angriffe tief in Russland
Offen blieb jedoch, ob diese Freigabe auch für von den USA an die Ukraine gelieferte Langstreckenwaffen gilt oder lediglich für Waffensysteme aus ukrainischer Produktion wie den Marschflugkörper Flamingo oder weitreichende Drohnen. Letztere kommen bereits häufig bei Angriffen auf die russische Ölindustrie zum Einsatz. Der Flamingo soll unterdessen bald in die Massenproduktion starten.
Zuvor hatten die USA dem angegriffenen Land HIMARS- und ATACMS-Raketen geliefert, beide verfügen jedoch über eine deutlich geringere Reichweite als Tomahawk-Marschflugkörper. Angriffe auf Moskau wären mit den bisher gelieferten US-Raketen nicht möglich, die maximal 300 Kilometer weit fliegen können. Die Reichweite des Tomahawk beträgt derweil etwa 1.600 Kilometer, womit neben Moskau auch die meisten anderen russischen Ballungszentrum getroffen werden könnten.
Kreml warnt vor Angriffen auf Ziele in Russland
Angesichts der für Russland durchaus bedrohlichen Gedankenspiele im Westen sah sich am Sonntag dann auch Kremlsprecher Dmitri Peskow zu einer Warnung genötigt. Spekulationen über „derartige Entwicklungen“ sollte man vermeiden, erklärte Peskow zunächst im Gespräch mit einem Reporter, der den Kremlsprecher auf Selenskyjs Drohung und die Tomahawk-Gerüchte angesprochen hatte.
„Es ist besser, gar nicht erst darüber zu reden. Und jeder versteht das“, sagte Peskow und erklärte, dass klar sei, wie Russland auf derartige Attacken reagieren würde. „Unser Oberbefehlshaber, der Präsident, hat bereits darüber gesprochen“, erinnerte Peskow an frühere Aussagen von Kremlchef Wladimir Putin.
Wladimir Putin: „Es wird immer eine Antwort geben“
Der russische Staatschef hatte in der Vergangenheit erklärt, dass Angriffe mit westlichen Langstreckenwaffen auf Ziele in Russland vom Kreml als Kriegseintritt der Nato-Staaten gewertet werden würde. Die Länder würden sich in diesem Fall „im Krieg mit Russland befinden“, warnte Putin. Russland werde „angemessene Entscheidungen“ treffen, um einen solchen Schritt zu beantworten, hieß es weiter. „Es wird immer eine Antwort geben“, erklärte der Kremlchef zudem.

Kremlchef Wladimir Putin in Moskau. (Archivbild)
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Ein Einlenken Moskaus ist also weiterhin nicht erwarten. Auch der jüngste Kurswechsel von US-Präsident Trump scheint daran zunächst nichts geändert zu haben, wie das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) am Sonntag feststellte.
US-Analysten: Moskau bleibt eisern auf Kriegskurs
Lawrow habe bei seinen Äußerungen in New York etwa erneut davon gesprochen, dass die „Grundursachen des Konflikt“ beseitigt werden müssten, berichtete der amerikanische Thinktank, der seit Kriegsbeginn regelmäßig Lageberichte zu Russlands Krieg veröffentlicht. „Kreml-Vertreter, darunter Lawrow, verwenden den Begriff stets als Abkürzung, um Russlands ursprüngliche Kriegsforderungen zu bekräftigen“, erklärten die US-Analysten die jüngste Wortmeldung des russischen Top-Diplomaten.
Russland sei „weiterhin nicht bereit, in gutem Glauben Verhandlungen aufzunehmen“, heißt es weiter im aktuellen Lagebericht des ISW. Stattdessen fordere Moskau weiterhin, „dass die Ukraine kapituliert und sich den maximalistischen Forderungen Russlands fügt“, stellten die Analysten schließlich nüchtern fest.
Tomahawk-Berichte: Kreml-Medien versuchen Russen zu beruhigen
Eine gewisse Nervosität wird zu Wochenbeginn in Moskau angesichts einer möglichen Tomahawk-Lieferung jedoch nicht nur in den Äußerungen von Lawrow und Peskow sichtbar. Auch russische Propaganda-Medien griffen die Berichte und Gerüchte prompt auf – und versuchten die Russen zu beruhigen.
„Die Flugabwehrraketensysteme S-400 und S-350 sowie in gewissem Maße auch die Pantsir-Raketensysteme können gegen die Tomahawks eingesetzt werden. Wir haben die Mittel, ihnen entgegenzuwirken“, versicherte dort ein russischer Militäranalyst.