Berlin – Dienstalter ist nicht zwingend ein Verdienst. Aber in diesen aufgeregten Tagen ist es in der SPD-Bundestagsfraktion doch ein Faktor. Dringend gesucht: eine ruhige Hand mit Erfahrung. Rolf Mützenich soll nach dem Abgang von Andrea Nahles „für die nächste Zeit“, wie er selbst die Dauer seines Interimsvorsitzes offen ließ, die Geschäfte der SPD-Bundestagsfraktion kommissarisch führen. Wenige Wochen vor seinem 60. Geburtstag erhält der Kölner Abgeordnete, der für die Stadtbezirke Chorweiler, Nippes und Ehrenfeld im Deutschen Bundestag arbeitet, somit höhere politische Weihen – in äußerst bewegten Zeiten.
Mützenich führt als Dienstältester der insgesamt sieben Stellvertreter der abgetretenen Fraktionschefin Nahles bis auf weiteres die 153 SPD-Abgeordneten im Bundestag. Eine mitunter widerspenstige Truppe, wie Nahles schmerzvoll erfahren hat.
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Mützenich ist seit Dezember 2013 SPD-Fraktionsvize und hat sich vor allem mit Reden zur Außen-, Verteidigungs- und Menschenrechtspolitik einen Namen über die Fraktionsgrenzen hinaus gemacht. Der promovierte Politikwissenschaftler, der Mitglied der Parlamentarischen Linken in der SPD-Fraktion ist, gilt als besonnen und fest in seinen Positionen. So setzt er sich mit Nachdruck dafür ein, den im Koalitionsvertrag verabredeten Stopp von Rüstungsexporten an Staaten, die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind, nicht weiter aufzuweichen. Auch das Festhalten am INF-Vertrag zwischen den USA und Russland über die Nichtverbreitung von atomaren Mittelstreckenraketen ist für Mützenich, einst Sprecher der Arbeitsgruppe „Abrüstung und Rüstungskontrolle“ in der SPD-Fraktion, essenziell. Sonst drohe die Gefahr eines neuen Wettrüstens. In den Beziehungen zu Russland plädierte Mützenich stets dafür, die Kluft zwischen Europa und Moskau zu überwinden.
Bereits seit 1976 bei der SPD
Nun also soll Mützenich, der bereits als Schüler 1976 in die SPD eintrat und seit 2002 im Bundestag ist, die SPD-Fraktion führen, nach heftigen Auseinandersetzungen in der vergangenen Woche aber auch beruhigen. Auch das Verhältnis zur Union muss er im Blick haben. Wie es nun in der GroKo weiter gehen soll? Mützenich: „Wir sind in der Lage, alle Themen zu bearbeiten, die wir im Koalitionsvertrag verabredet haben.“ Besonders im Fokus aus SPD-Sicht: Grundrente und Klimaschutzgesetz. Mützenich ist kein Lautsprecher, was die Sozialdemokraten in diesen Tagen gut gebrauchen können. Wie lange der Kölner -- verheiratet, zwei Kinder -- kommissarisch SPD-Fraktionschef bleibt, ist offen. Womöglich legt die Fraktion am Dienstag bei der ersten Sitzung unter der Führung von Mützenich einen Fahrplan fest. Manchmal ist Dienstalter eben doch von Vorteil.