Zum 75-jährigen Bestehen, das die Verteidigungsallianz an diesem Donnerstag feiert, erweist sich die Nato im Vollbesitz ihrer Kräfte.
Kommentar zur NatoEuropa muss mehr für die eigene Wehrhaftigkeit tun

Die Fahnen der Nationen entlang der Mall zur Feier des 75-jährigen Bestehens der Nordatlantikvertragsorganisation.
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Die so erschreckende wie provozierende Bestandsaufnahme des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vom „Hirntod“ der Nato ist noch bestens in Erinnerung; sie schlug im Winter 2019 hohe Wellen. Doch heute wissen wir: Es war eine Fehldiagnose. Denn auf den russischen Überfall auf die Ukraine hat die Nato alles andere als komatös reagiert.
Zum 75-jährigen Bestehen, das die Verteidigungsallianz an diesem Donnerstag feiert, erweist sich die Nato im Vollbesitz ihrer Kräfte. Ihre Mitgliedsstaaten erhöhen die Rüstungsausgaben, proben den Transport von Mensch und Material quer durch Europa und stationieren zusätzliche Truppen an der Ostflanke. Wegweisende Entscheidungen wurden im Eiltempo getroffen. Schweden und Finnland sind als Neumitglieder im Boot und verleihen der Nato gerade im Ostseeraum noch mehr Gewicht.
Mit seiner imperialen Großmachtpolitik hat Russlands Präsident Wladimir Putin die Nordländer in die Arme der Nato getrieben und damit das erreicht, was er doch verhindern wollte: eine massive Stärkung der Allianz. Sich mit ihr anzulegen, käme heute zunehmend einem Himmelfahrtskommando gleich.
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Glaubwürdigkeit ist kein Selbstläufer
Gleichwohl ist die Glaubwürdigkeit des Bündnisses kein Selbstläufer; die Blockade der Ukraine-Hilfen im US-Kongress beispielsweise schadet ihr sehr. Und auch ein potenziell irrlichternder US-Präsident Donald Trump könnte dem Vertrauen auf die existierende Abschreckungsdoktrin der Nato abträglich sein.
Umso wichtiger ist es für die Europäer, mehr für die eigene Sicherheit und Wehrhaftigkeit zu tun. Dass der europäische Rüstungsmarkt immer noch so zersplittert, die Beschaffung recht unkoordiniert und die Waffensysteme in der EU nur unzureichend aufeinander abgestimmt sind, ist ein Unding. Es braucht politischen Willen, das zu ändern. Wenn Deutschland, Frankreich und Polen zum Nato-Jubiläum fordern, die militärischen Fähigkeiten Europas zu verbessern, müssen Taten folgen.
So traurig es ist: Mit der konsequenten Stärkung der Allianz in den vergangenen Jahren hat sich ein realistischer Blick auf die von Russland ausgehende Bedrohung für die europäische Sicherheitsordnung offenbart. Eine Niederlage der Ukraine bei der Verteidigung ihres Landes gegen die russische Aggression wäre in gewisser Weise auch eine Niederlage für die Nato.