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OrchesterleiterWenn der Tusch den Künstler rettet

Lesezeit 4 Minuten

Die drei besten Orchester-Chefs im Kölner Karneval: Frank Maubach, Helmut Blödgen und Markus Quodt (v.l.) beim Rundschau-Gespräch. (Bild: Schmülgen)

Köln – Tuschs sind ambivalent. „Wenn eine Pointe nicht zündet, spielt das Orchester einen Tusch, notfalls auch drei hintereinander“, verrät Orchesterchef Markus Quodt. Damit könne man den Künstler schützen vor peinlicher Stille im Saal. Man kann, weiß Kollege Frank Maubach, „einen Redner aber auch kaputt-tuschen“. Orchesterleiter Helmut Blödgen spricht vom „magischen Dreieck“ auf der Bühne: der Präsident, der Künstler und die Saalkapelle. „Wir arbeiten mit dem Künstler.“ Manchmal schimpft man auch mit ihm. So wie Blödgen mit einem Redner, der auf der Zeltsitzung auf dem Neumarkt baden ging: „Du hast Mist gebaut, hast viel zu schnell gesprochen, mitten in meine Tuschs rein.“

Bauchredner Klaus Rupprecht zum Beispiel, das wissen die Musiker längst, bringt gern rasch drei oder vier Witze, die ineinandergreifen; da darf man natürlich nicht dazwischentröten. „Es gab früher von einigen Rednern sogar Merkblätter für die Musiker mit Angaben, wann man nicht mit einem Tusch unterbrechen darf“, berichtet Quodt. Wie früher beim Colonia-Duett hat heute auch noch bei Wolfgang Reich die Musik grundsätzlich Pause.

Es passieren Pannen. Wie bei der ersten Sitzung für den neuen Uhu-Präsidenten Rainer Ott, der gleich zu Beginn ein Programmloch zu meistern hatte und das - über Mikro gut hörbar - mit „So ein Driss“ kommentierte. Dann sang er, von den Quodt-Mannen begleitet, mit kraftvoller Stimme „Do bes Kölle“: „Getreu nach dem Uhu-Motto: Wir nehmen alles ernst, nur nicht uns selber.“

Die Musiker müssen auf alles gefasst sein, „egal ob sich der Präsident verschluckt - dann werden wir die Wichtigsten - oder das Mikro ausfällt“ (Blödgen) oder „der angekündigte Künstler nicht zur Tür reinkommt“ (Maubach). Der hat auch einen nervösen Präsidenten erlebt, der die „Räuber“ ankündigte, es kamen die Paveier, und die wurden als „Bläck Fööss“ verabschiedet. Der Präsidöres lästerte über sein Headset sogar über sein Publikum - bei so was ist der Kapellmeister natürlich machtlos.

„Bei Pfarrsitzungen oder Senioren-Publikum ist Ostermann immer eine Bank“, weiß Blödgen; Quodt ergänzt: „Bei Unter-40-Jährigen kann man auch mit ,Schön ist das Leben' von den Paveiern beginnen.“. Allerdings müssen sich Lieder erst einmal etablieren. Ein aktueller Titel, der sich noch nicht „gesetzt“ hat, zündet nicht. Das Publikum reagiert ganz unterschiedlich: „Wenn du auf einer Galasitzung Viva Colonia spielst, passiert gar nix. Auf einer Mädchensitzung“, sagt Blödgen und erntet Zustimmung, „ist nach fünf Minuten Stimmung da.“

Wenn der Chef einen Einsatz gibt, müssen alle Mann spielen: „Da gilt nur Befehl und Gehorsam.“ Schon als Neunjähriger hat Maubach in der Kapelle Hardy von den Driesch gespielt, später bei seinem Onkel Matthes Dick. „Früher spielten die meisten Musiker in Schützenfestkapellen; Walzer und Marsch reichten. Heute sind die professionell und beherrschen alles von der Klassik bis zur Hochmoderne.“ Keine zehn Prozent, glaubt Blödgen, leben nicht von der Musik, wobei alle drei Kapellmeister noch einen zweiten Beruf haben: Quodt ist Apotheker, Maubach Angestellter an der Uni, Blödgen arbeitet beim Musikkorps Siegburg der Bundeswehr.

Qualität und Flexibilität hält Markus Quodt für das A und O. Auf dem Land sei die CD auf dem Vormarsch, in Köln, erzählt Maubach, Gott sei Dank nicht: „Die CD ist der Tod jedes Musikers.“ Aber das Publikum akzeptiere zunehmend, wenn nicht mehr live gespielt wird, sagt Blödgen. Geändert hat sich auch das: „Früher gingen die Leute auf eine Sitzung, um sich zu amüsieren. Heute kommen sie und sagen: ,Amüsiert mich mal.'“

Alle auf der Bühne sind wie eine Familie, versichert Maubach. Blödgen hat ein Beispiel dafür: „Mir ist einmal die Anlage kaputtgegangen, als die Höhner auf die Bühne kamen: Die hatten die gleiche Anlage. Also wurde umgehend deren Ersatzanlage für uns auf die Bühne geholt: Das Publikum hat nichts gemerkt.“ Solche Pannen sind selten: „Unser schlimmster Feind ist das Wetter, wenn ein Loch das nächste jagt“, sagt Kollege Maubach. Sind so lange Sessionen wie diese angenehm? „Der familiäre Rückhalt“, weiß Quodt, „sinkt mit der Dauer der Session.“ Na dann: gute Nerven!