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Weisweiler KraftwerkWenn die Turbine eine Auszeit nimmt

Lesezeit 3 Minuten

Symbolbild Turbine. (Bild: dpa)

ESCHWEILER – Still ruht Heinrich. Wo sonst Temperaturen von bis zu 520 Grad Celsius herrschen und Kohlemühlen einen ohrenbetäubenden Lärm verbreiten, springt hier und da ein Funken. Wenn Revision ansteht, dann nimmt sich Heinrich eine Auszeit. Zwei Monate lang. Das gilt natürlich nicht für die zahlreichen Arbeiter: Etwa 800 Leute zusätzlich sind damit beschäftigt, Heinrich auf Herz und Nieren, pardon: auf Leitungen und Schrauben zu untersuchen.

Alle drei Jahre wird der 600-Megawatt-Block im Weisweiler Kraftwerk heruntergefahren, um Teile auszutauschen und zu reparieren. In diesem Jahr ist Block H an der Reihe. Die 600 Mitarbeiter im Kraftwerk kennen ihn nur als Heinrich. Es gibt zahlreiche Unterschiede zum Gesundheitscheck einer Person, so menschlich auch sein Name erscheinen mag. Die Gebühr beträgt satte 35 Millionen Euro und die Untersuchung ist von langer Hand vorbereitet.

Sind größere Teile zu ersetzen oder werden modernere technische Standards installiert, dann können von der Planung bis zur Revision Jahre ins Land ziehen. Die Fäden laufen in diesen Fällen immer bei der RWE Power AG zusammen. „Wir bedienen uns der eigenen Leute, die sämtliche Arbeiten überwachen“, betont Weisweilers Kraftwerksdirektor Gerhard Hofmann. Nur so lasse sich die Qualität garantieren.

Wenn ein Block in dieser Größe abgeschaltet wird, müssen andere Kraftwerke mehr Strom ins Netz geben. Um den Ausfall möglichst gering zu halten, stehen Revisionen immer in den Sommermonaten auf dem Programm. „Im Sommer wird weniger Strom verbraucht“, erläutert Gerhard Hofmann.

Während im Inneren des Kessels Restarbeiten zu erledigen sind, herrscht außerhalb des Stahlkolosses Betriebsamkeit wie auf einem Ameisenhaufen. Etwa 35 Firmen und mit ihnen 800 Mitarbeiter zusätzlich sind an der Revision beteiligt. Nur etwa ein Drittel davon stammt aus der Region, die übrigen Menschen sind in Pensionen und Hotels untergebracht.

Alle Teile, die zu dem Block aus dem Jahre 1976 gehören, werden untersucht. Komplett ersetzt wird der Kondensator, während die Turbinenräder zur Aufarbeitung nach Berlin geschickt werden. Diese Millioneninvestition rechnet sich durchaus für den Konzern, denn durch moderne Teile steigt in der Regel auch der Wirkungsgrad. Im Falle des Kondensators erhoffen sich die Fachleute eine Steigerung um drei bis vier Megawatt, auf die gleiche Menge verbrannter Kohle gerechnet.

Die Erneuerung steht allerdings nicht im Vordergrund, sondern die Wartung. Der 120 Meter hohe Stahlkessel mit einem Durchmesser von 21 Metern ist von Rohren ummantelt, die in der Summe 800 Kilometer lang sind. Sie sind extremen Bedingungen ausgesetzt: Zur Temperatur von 520 Grad Celsius gesellt sich auch der mit 170 Bar extrem hohe Druck, den die Leitungen aushalten müssen. Dies führt zu enormem Verschleiß in dem Mega-Behälter. Ihn zu kontrollieren und zu reparieren nimmt darum viel Zeit in Anspruch.

Für zwei Kraftwerksblöcke in Weisweiler wird in Zukunft keine Revision mehr erforderlich sein. Der Essener Stromkonzern hat beschlossen, sämtliche 150-Megawatt-Einheiten der Braunkohlekraftwerke bis zum Jahr 2012 vom Netz zu nehmen. Sie gelten als unrentabel und nicht mehr zeitgemäß.

80 000 Liter Öl

zum Aufheizen

Auf Block Heinrich dürfte das Ende noch etwas warten: Bereits vor zwei Jahren gab die RWE Power AG ein klares Bekenntnis zum Kraftwerk Weisweiler ab, als die beiden Gasvorschaltturbinen für die beiden 600-Megawatt-Blöcke in Betrieb genommen wurden.

Etwa zwölf Stunden nimmt der Prozess in Anspruch, bis der Kessel wieder unter Dampf stehen kann. Zunächst wird das Innere mit Öl befeuert. Bis zu 80 000 Liter Treibstoff, also etwa so viel wie 40 Einfamilienhäuser in einem Jahr verbrauchen, werden dafür benötigt.

Bleibt das Feuer konstant und ist eine bestimmte Temperatur erreicht, werden die ersten Kohlemühlen zugeschaltet, die Staub in das Kesselinnere blasen. Zum Schluss lassen die RWE-Mitarbeiter den Wasserdampf in die Turbine, die den Generator antreibt. Dann läuft Heinrich auf Hochtouren. Mit 600 Megawatt. Bis zur nächsten Revision.