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Déjà-vu für Doppel-RaabHistorisches Segelflugzeug landet nach 70 Jahren wieder in Sechtem

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Pilot und Mitorganisator Andreas Röttgen nach der Landung auf dem Stoppelfeld bei Sechem.

Pilot und Mitorganisator der Feier Andreas Röttgen nach der Landung auf dem Stoppelfeld bei Sechem.

70 Jahre nach dem Erstflug landete der historische Segelflieger „Doppelraab“, der in Bornheim gebaut worden war, erneut auf einem Stoppelfeld in Sechtem.

Das Stoppelfeld am Ortsrand von Sechtem ist trocken und staubig. Die Sonne brennt vom Himmel, kaum vorstellbar, dass auf der riesigen Ackerfläche bis vor kurzem noch Getreide stand. An einem kleinen Imbisswagen werden gegen eine Spende kühlende Getränke und frische Waffeln angeboten. Rund 60 Schaulustige finden sich am Sonntagnachmittag dort ein, die Blicke richten sich gespannt gen Himmel und zu den Weiten des Villerückens. Die Sicht ist gut, nur ein paar Wolken, dann kommt der große Moment. Am Horizont Richtung Süden tauchen zwei Flieger auf, die sich langsam dem Stoppelfeld nähern. Im Anflug befindet sich ein historisches Segelflugzeug, der Doppelraab V, D-5436. Die Zeugen dieses Spektakels erleben einen historischen Moment.

Gestartet ist der Flieger am Flugplatz Bonn-Hangelar, begleitet per Flugzeugschlepp wurde es von einem weiteren Leichtmotorflugzeug, bevor es dann von dem Begleitflugzeug ausgeklinkt wurde, seine Runden über dem Acker drehte und schließlich erfolgreich zum Landeanflug ansetzte. Vor 70 Jahren, am 21. August 1955, landete der Doppelraab V während eines Flugtages nach seinem Erstflug ebenfalls auf einem Stoppelfeld bei Sechtem. Nun, sieben Jahrzehnte später, hatten Andreas Röttgen und andere Flugbegeisterte des Luftsportvereins Bonn-Rhein-Sieg eine vereinsinterne Jubiläumsfeier organisiert, um den Erstflug vor 70 Jahren nachzustellen.

Heinz-Georg Linden (links) und Gerhard Schaden bei der Rohbaumontage des Doppelraab V 1955 in Bornheim.

Heinz-Georg Linden (links) und Gerhard Schaden bei der Rohbaumontage des Doppelraab V 1955 in Bornheim.

Röttgen, der in Wesseling-Urfeld wohnt, ist Ausbilungsleiter beim Luftsportverein, wo er seit 35 Jahren gemeinsam mit Albert Schaden den Doppelraab betreut und ihn auch schon mehrfach geflogen hat. Schaden ist Holzflugzeugbauer in Familientradition: Er stand schon als Sechsjähriger seinem Vater Georg zur Seite, als der seinerzeit den Doppelraab mitgebaut hatte. Dass Röttgen selbst am Steuer saß, war so eigentlich nicht geplant, denn eigentlich sollte Schaden fliegen. Da dieser sich kurz vorher den Rücken verknackst hatte, sprang Röttgen ein. Bei dem Flug nach Sechtem seien nostalgische Gefühle aufgenommen, schilderte der 59-Jährige nach der Landung.

Und was ging ihm bei dem Flug so durch den Kopf? „Ich habe zunächst an meinen Fliegerkameraden gedacht, der nicht fliegen konnte, denn ich hätte es ihm sehr gegönnt. Das wäre für Albert eine große Ehre gewesen. Daher habe ich das ein Stückweit für ihn getan, schließlich haben wir heute Zeitgeschichte erlebt.“ Außerdem habe sich Röttgen auf dem Weg von Hangelar nach Sechtem erst einmal bewusst gemacht, dass alles so gut geklappt hatte, auch mit Hilfe des Schlepppiloten: „Hinzu kommt der ungewohnte Blickwinkel, man fliegt ja nicht so häufig hier entlang. Das Vorgebirge und die Rheinschiene zu sehen, das ist schon etwas ganz Besonderes.“ Röttgens Dank galt auch der Familie Commer, die in Sechtem die „Rasenrolle“ betreibt und das Feld für die Aktion zur Verfügung gestellt hatte.

Dort, wo heute die Kreisstraße verläuft, war in den 1950er Jahren noch ein Feldweg. Von dort aus soll der Doppelraab zum ersten Mal gestartet sein: „Insofern konnten wir ein kleines Stück der Historie wiederbeleben, weil wir hier erstens landen durften und zweitens noch die originale Maschine haben.“

Ein Zweisitzer als Bausatz

Ein Blick zurück: Seinen Namen erhielt das Flugzeug von dem Münchener Gewerbeoberlehrer Fritz Raab, der 1951 ein einfaches doppelsitziges Schul- und Übungsflugzeug konstruiert hatte. Der Pilot und die zweite Person saßen hintereinander. Da es sich um einen Zweisitzer handelt, kam es zu dem Namen „Doppelraab“. Durch diese vereinfachte Konstruktion hatten Vereine nach dem Krieg die Möglichkeit, einen Doppelraab-Bausatz zu erwerben und sich selbst einen Flieger zu bauen. Der damalige Luftsportverein Vorgebirge aus Bornheim kaufte sich so einen Bausatz für 2500 D-Mark und nach eineinhalb Jahren Bauzeit und rund 1700 Stunden Arbeit war der Flieger fertiggestellt.

Die Aufschrift Mösch am Rumpf des Flugzeugs.

Mösch, Platt für Spatz, war der Kosename des Flugzeugs.

Der Erstflug erfolgte dann während eines Flugtages am 21. August 1955 auf dem Stoppelfeld bei Sechtem. Getauft wurde der Doppelraab auf den Namen „Mösch“ (Spatz). Bis 1962 wurde der Doppelraab im Flugbetrieb auf dem Flugplatz Bonn-Hangelar genutzt, danach jedoch jahrzehntelang „wie ein Wanderpokal“ weitergereicht. Sein Ende drohte Ende der 1980er Jahre. In der Chronik ist nachzulesen, dass dem Flieger drohte, als „Brennholz für ein abendliches Lagerfeuer“ zu enden. Glücklicherweise erfuhr der Luftsportverein Vorgebirge davon und schnell war man sich einig, das Flugzeug zu retten und zu restaurieren, so dass schließlich am 16. Juni 1990 der zweite Erstflug stattfinden konnte. Somit kann das Flugzeug bis heute in Betrieb gehalten werden.

Zeitzeugen mit dabei

Auch einige Zeitzeugen waren am Sonntag vor Ort und genossen das einzigartige Spektakel, darunter auch Hans-Georg Linden, mittlerweile Ehrenfluglehrer, der als Jugendlicher mit 16 Jahren das Flugzeug mitgebaut hatte und sichtlich gerührt und stolz war, diesen historischen Tag miterleben zu dürfen. Linden ist heute 89 Jahre alt, 62 Jahre lang war er als Fluglehrer beim Luftsportverein aktiv. Er blätterte in einem Fotoalben mit historischen Aufnahmen aus den vergangenen Jahrzehnten, auf denen er als Jugendlicher auch auf einem Foto mit Georg Schaden, dem Vater von Albert Schaden, bei der Rohbaumontage des Doppelraab zu sehen ist. Das Bild entstand 1955 in Bornheim zwischen Schillerstraße und Rilkestraße.

Erinnerungen brachte auch Helga Heinrich mit. Ihr 2001 mit 88 Jahren verstorbener Vater Hans Hoff war ebenfalls einer, der an dem Flugzeug mitgebaut und es als Pilot auch geflogen hatte. Gemeinsam mit ihrem Vater hatte die heute 82-Jährige Mitte der 1950er Jahre den Flugtag in Sechtem mit organisiert. Beim Verkauf der Eintrittskarten hatte ihr eine gewisse Gabriele Adenauer aus der Familie des ehemaligen Bundeskanzlers geholfen. Zur Jubiläumsfeier landeten auch noch zwei weitere historische Segelflugzeuge in Sechtem, ein Model ASK 21 (Erstflug 1978) und ein Schleicher K8 (Erstflug 1957).