Nach dem Einsatz eines Spezialeinsatzkommandos in Königswinter erhebt das betroffene Rentnerehepaar schwere Vorwürfe gegen die Polizei.
WaffensammlungSEK-Beamte sollen bei Einsatz Rentnerehepaar zusammen geschlagen haben

Die Tür und Teile der Fassade sowie mehrere Fenster wurden bei dem Einsatz beschädigt.
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Durch einen ohrenbetäubenden Knall wurde das Rentnerehepaar aus Königswinter aus dem Schlaf gerissen. „Wir standen fast senkrecht im Bett“, berichtet die 66-jährige Anna R. (Name geändert) gegenüber dieser Zeitung. Kurz darauf sei die Schlafzimmertür aufgeflogen, die Männer eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) seien in den kleinen Raum gestürmt, zündeten nach Angaben des Ehepaars eine Blendgranate und überwältigten den 68-jährigen Franz R. (Name geändert).
Der ebenso wie seine Frau schwerbehinderte Königswinterer sei dann, so berichtet es das Ehepaar übereinstimmend, mit Kabelbindern fixiert und vom Bauch auf den Rücken gedreht worden. Mehrfach habe einer der Beamten ihm dann mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihn beschimpft. Franz R. hatte noch Tage später Blutergüsse im Gesicht und am Oberkörper. Ein Bericht des Notfallzentrums der Bonner Uni-Klinik auf dem Venusberg bestätigt unter anderem „ein Monokelhämatom rechts mit Abschürfungen im Bereich des Augenlides sowie Hämatome und Prellmarken im Bereich beider Oberarme“.
„Es gab Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Bedrohungslage“
Franz R. zeigte in seinem Haus Blutspuren in einem kleinen Raum neben dem Schlafzimmer, die von dem Übergriff stammen würden. Auch seine Frau, so berichten es beide, sei mit Kabelbindern fixiert worden; auch sie hatte einen Bluterguss am Auge. Warum drang ein SEK derart massiv in das verwinkelte Fachwerkhaus eines Rentnerpaares ein? Es habe „Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Bedrohungslage und das Vorhandensein einer Schusswaffe in der Wohnung“ gegeben, so die Bonner Behörde auf Anfrage. Angesichts dieser „besonderen Gefahrensituation“ habe man ein Spezialeinsatzkommando eingesetzt.
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Nach Einschätzung des Rechtsanwalts Hans Hassel, der das Rentnerehepaar vertritt, sind die Ermittler allerdings über das Ziel hinaus geschossen. „Das ist jenseits des Zulässigen“, sagt der Jurist gegenüber dieser Zeitung und spricht von einer „Prügeltruppe“. Die beiden Senioren seien durch den Vorfall geschockt und traumatisiert, so der Anwalt, der nach eigenen Angaben Strafanzeigen wegen Körperverletzung im Amt und Freiheitsberaubung im Amt gestellt hat.
Polizei und Staatsanwaltschaft äußern sich nicht zum laufenden Verfahren
Weil es sich damit um ein laufendes Verfahren handelt, machen Polizei und Staatsanwaltschaft auf Anfrage zu den Gewaltvorwürfen gegen die Beamten keine Angaben. Auch zum taktischen Vorgehen des SEK – laut Franz R. wurde die Haustür aufgesprengt – äußert sich die Polizei nicht.
Aber zum Auslöser: In der Nacht zum 4. Juli (Freitag) habe ein Zeuge einen lautstarken Streit und Hilferufe einer Frau gemeldet. „Ein weiterer Zeuge bestätigte die Angaben vor Ort“, so die Polizei. Das Ehepaar weist diese Darstellung nachdrücklich zurück. Man habe sich nicht gestritten, schon gar nicht habe er mit Gewalt gedroht. Die beiden vermuten, dass ein Nachbar ihnen Böses wolle. Gegenüber ihrem Anwalt haben sie allerdings, sagt Hans Hassel, einen Streit eingeräumt.

Mehrere Scheiben gingen bei dem SEK-Einsatz zu Bruch.
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Für die Polizei ergaben sich nach eigenen Angaben während des Einsatzes Hinweise darauf, dass sich erlaubnispflichtige Waffen im Haus befänden. Bei der auf einem richterlichen Beschluss beruhenden Durchsuchung seien dann „mehrere Schusswaffen nebst Munition aufgefunden und sichergestellt worden“. Man ermittle jetzt wegen des Verdachts der Bedrohung, des Verdachts des Verstoßes gegen das Waffengesetz und wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Der 68-jährige Franz R. räumt im Gespräch nach einer Weile ein, dass im Frühjahr 2024 schon einmal die Polizei im Haus gewesen sei. Damals wurden offenbar Teile seiner Sammlung, die nach R.'s Angaben durchaus wertvoll ist, sichergestellt. Zu Medienberichten, wonach es seinerzeit um 44 Gewehre und Pistolen gegangen sei, machen die Ermittler auf Anfrage keine Angaben und verweisen lediglich auf ein laufendes verwaltungsgerichtliches Verfahren.
Das Ehepaar aus Königswinter will die Waffensammlung zurück haben
Eine Sprecherin des Kölner Verwaltungsgerichts bestätigt auf Anfrage, dass es in dem Fall aus dem Vorjahr ein Klageverfahren gebe, das sich gegen den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis und gegen die Sicherstellung von Waffen und Munition richte, also gegen das Vorgehen der Behörde. „Sie wollen ihre Sammlung zurück“, sagt Anwalt Hans Hassel.
Franz R., der sich als „Heimatsammler“ und „Militariasammler“ bezeichnet, spricht von einer „kulturhistorischen Sammlung“; zumeist handele es sich um „antike Waffen“ oder „historische Militärwaffen“, wie er sagt. Er habe alles ordnungsgemäß in Tresoren verschlossen, habe über alle nötigen Waffenbesitzbescheinigungen verfügt und habe alle Sachkundeprüfungen in Praxis und Theorie absolviert. Seinem Anwalt gegenüber erklärte Franz R. Hans Hassel zufolge, dass alle Waffen „demilitarisiert und auf Messen frei verkäuflich“ seien.
Paar sei „verprügelt“ worden
Der Jurist räumt aber ein, dass er selbst noch nicht so ganz genau wisse, ob und was er seinen Mandaten alles glauben könne. Er habe noch „erheblichen Informationsbedarf“. Nicht erklären kann er bisher, wieso nur ein gutes Jahr nach der ersten Razzia jetzt erneut Waffen und Munition sichergestellt werden konnten. Eine Polizeisprecherin macht dazu auf Anfrage keine Angaben und verweist auf das laufende Verfahren. Ungeachtet dessen bleibt Hans Hassel bei seiner Kritik am Vorgehen des SEK und dem Umgang mit den Rentnern. Beim „Aufsprengen“ der Haustür ging diese zu Bruch, Eternitplatten lösten sich von der Fassade und Scheiben zu einem Wohnraum zersplitterten. Und dann sei das Paar eben „verprügelt“ worden, betont der Anwalt.
„Ein Tritt gegen die Tür hätte gereicht“, sagt Franz R. über das massive Vorgehen der Polizei und die Schäden am Haus. Das Paar verfügt nach eigenen Angaben nur über eine kleine Rente. Wer kommt für die Schäden auf? „Schadensregulierungen sind“, so die Polizei in Bonn, „abhängig vom Ergebnis der Ermittlungsverfahren.“