Elfte Tour in die UkraineWo Kinder im brennenden Diesel starben – Helfer von „Rheinbach hilft“ berichten

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11. Hilfstour Rheinbach hilft in die Ukraine. Ein Autowrack und ein Helfer von Rheinbach hilft in Charkiw

Die elfte Hilfstour von „Rheinbach hilft“ in die Ukraine führt direkt ins Kriegsgebiet.

Vollbepackt mit Medikamenten, Hilfsgütern und sogar Kamellen ist der elfte Konvoi von Rheinbach hilft in der Ukraine angekommen. Die Strapazen unterwegs und die Eindrücke im Kriegsgebiet bringen die Helfer an ihre Grenzen. 

„Drei Kindern von vier bis sieben Jahren sind dort im Keller verbrannt, in den sie sich mit ihrer Familie wegen des Luftangriffs geflüchtet hatten. Auch ein sechs Monate altes Kind“, berichtet Alfred Eich. Der Senior aus Rheinbach kommt beim elften Hilfsgütertransport von „Rheinbach hilft“ deutlich an seine Grenzen. Schon während der Fahrt nach Charkiw war eine Zwangspause nötig, weil der Vorsitzende gesundheitliche Probleme bekommt. Und dann prasselten am Ziel nochmals emotionale Eindrücke auf das Team ein. Unterstützern und Freunden berichtet Eich mehrfach  live von Etappen der gewagten Fahrt.

Die Tour war am Freitag in Swisttal-Odendorf gestartet. Die Führungsriege der Rheinbacher Hilfsaktion wohnt fast komplett in Swisttal und ist darum auch von dort losgefahren. Wieder einmal hatten die Helfer einen ihrer roten Transporter bepackt, und diesmal nahmen sie nicht nur Benzin, Decken und andere Hilfsgüter mit, sondern auch Kamelle. Unzählige Spender hatten ihnen vorbeigebracht, was sie an Karneval während der Umzüge gesammelt hatten, um den Menschen in der umkämpften Ukraine etwas zu gönnen. „Die haben eine halbe Tonne Süßes angeschleppt. Dann habe ich abgebrochen“, berichtet Eich gerührt.

Fahrzeuge und Fahrer der elften Hilfstour von Rheinbach hilft in die Ukraine

Fahrzeuge und Fahrer der elften Hilfstour von Rheinbach hilft in die Ukraine

Drei Fahrzeuge bilden den aktuellen Konvoi. Den roten Vereinsbus fährt Lena, die Schwester des Ukrainers Jakob aus der Stammmannschaft von Rheinbach-Hilft. Auch dessen Freundin Roxane ist dabei. Aus Wachtberg hat sich die Initiative „Dogs United“ angeschlossen. Thomas und Uwe steuern den weißen Lieferwagen samt Anhänger, sind aber schon vorgefahren, weil der Anhänger ein Tempolimit hat. „Wir treffen uns an der Grenze zur Ukraine“, meldete Eich und freut sich auf die noch junge, aber enger werdende Zusammenarbeit mit den Wachtbergern. Deren Fahrzeug steckt übrigens voller medizinischer Produkte, Medikamente und Verbandsmaterial.

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Alfred Eich und Andreas Klassen steuern einen silbernen Ford S-Max mit Zollkennzeichen, denn dieser hier ausrangierte Wagen soll in Kopiansk bleiben und an der Front als Evakuierungsfahrzeug eingesetzt werden. Verletzte und Zivilisten sollen mit dem unauffälligen Wagen aus dem umkämpften Gebiet herausgeholt werden. Der Motor frisst wohl Öl, aber Eich ist pragmatisch. Er hat 25 Liter aus einem Angebot eingekauft und „erst fünf verbraucht“, meldet er von der Anfahrt.

Diese Anfahrt zehrt bereits an den Kräften der Fahrer, die sich die Tausende Kilometer lange Tour aufgehalst haben. „Auf der Autobahn sind wir sehr gut durchgekommen. In Polen mussten wir jedoch eine größere Umleitung fahren, weil Warschau zu war. Wir haben dort viel Polizei gesehen - und viel Zeit verloren“, berichtet Eich per Videobotschaft. Sechs Stunden dauert der Grenzübertritt von Polen in die Ukraine.

Während sich die Fahrt hinzieht, trudeln Nachrichten ein, die Sicherheitslage in Kopiansk sei so kritisch, dass der örtliche Kommandant nach Charkiw kommen wolle, um die Hilfsgüter zu übernehmen. Das ebenfalls gut vernetzte Wachtberger Team bietet an, eine Begleitung durch die „White Angels“, eine Sondertruppe der Nationalpolizei, sowie eine Übernachtungsgelegenheit bei Charkiw zu organisieren. Doch das wird nicht nötig sein.

Eichs Plan, mit Ausnahmegenehmigung als Hilfskonvoi noch gegen Mitternacht (ansonsten ist ab 22 Uhr Sperrstunde) das Hotel zu erreichen und nach sechs Stunden weiterzurollen, geht nicht auf. Andreas fällt mit Migräne als Fahrer aus.  Erst um 5.30 Uhr am Morgen rollen die drei Fahrzeuge in Lusk vor und gehen schon um 10 Uhr wieder auf die Reise. Unterwegs gibt es dann eine gute Nachricht: Kupiansk ist unter Sicherheitsauflagen doch erreichbar. Alle im Team sind mit den schusssicheren Westen, Helmen und Funkgerät ausgestattet, die Rheinbach hilft extra angeschafft hat.

Wir werden erst um 2 Uhr in der Nacht in Charkiw sein, wenn Putin uns in Ruhe lässt
Alfred Eich, Vorsitzender von Rheinbach hilft

Eich nutzt die Fahrt erneut für eine Botschaft in die Heimat und mutmaßt: „Wir werden erst um 2 Uhr in der Nacht in Charkiw sein, wenn Putin uns in Ruhe lässt.“ Doch dann bekommt der Vorsitzende selbst gesundheitliche Probleme: Ein weiterer Hotelstopp ist nötig, der Zeitplan wieder nichtig. Und in Charkiw geht es genauso weiter: Die geplante Unterbringung befindet sich unter Beschuss, ein Ausweichquartier am östlichen Stadtrand wird aufgetan.

„Wir haben in Charkiw ausgeladen und zehn Notöfen eingeladen, die wir in die Dörfer bringen. Die Menschen dort haben keinen Strom und kein Gas. Es ist eine großzügige Spende von Katrin Lewitt-Banken, der Ehefrau des Rheinbacher Bürgermeisters, die diese Aktion ermöglicht“, meldet Eich.

Aus der Heimat gibt es zu Eichs Nachrichten weitere Aufmunterung, Anerkennung, aber auch Mahnungen. Alt-Bürgermeister Stefan Raetz schreibt in die Internet-Gruppe: „Alfred, Du bist keine 40 mehr!“ 

Doch der eigentliche Horror folgt erst. Die Geschichten, die den Rheinbachern ganz frisch von den Menschen im Kriegsgebiet erzählt werden. Zwei Tage vor ihrer Ankunft, etwa 500 Meter von der Unterkunft entfernt, seien mehrere Raketen in ein Treibstofflager eingeschlagen. Mehrere Millionen Liter Diesel hätten dort gelagerte. Das brennende Öl sei ins tiefer liegende Dorf geflossen und in einen Keller, in den sich eine Familie wegen des Angriffs geflüchtet habe. Drei Kindern von vier bis sieben Jahren sowie ein Kind von sechs Monaten seien darum verbrannt.

Ein ausgebranntes Treibstofflager

Ein ausgebranntes Treibstofflager

Fassungslos schauen sich die Helfer aus dem Rhein-Sieg-Kreis die verkohlte Landschaft an. „Zwei Kilometer ist die Straße verbrannt, Schienen sind geschmolzen. Alles zerstört, Wahnsinn! Und mittendrin wenige Menschen, die in ihren verbrannten Ruinen wohnen“, meldet Eich.

Im Zentrum der Regionshauptstadt treffen die Helfer dann Andre Besedin, den Kommandanten und Bürgermeister von Kopiansk, oder Kujansk. Hier haben Orte mehrere Schreibweisen. Der Ford soll am nächsten Tag bis acht Kilometer vor die russische Grenze gebracht werden. Medikamente und medizinisches Material sind für zwei Krankenhäuser in Kupiansk bestimmt, von denen eines teilweise zerstört ist, aber weiterarbeitet. Freie Ladungskapazität wird gleich wieder genutzt: Mit 2000 Euro Spenden vor Ort werden Lebensmittel gekauft und in Orte nahe der Grenze gebracht.

Wie jeden Morgen wurde für ein gutes Gelingen unserer Operation kurz gebetet. Ein Ritus, der uns jeden Tag bewusst macht, wo wir hier sind.
Alfred Eich, Vorsitzender von Rheinbach hilft

Das Team hat für diese Fahrt Verstärkung bekommen. Eugen, den Bruder von Jakob. Langsam wird es ernst: 20 Kilometer vor der Grenze muss unterwegs die Sicherheitsausrüstung getragen werden. Militärbegleitung ist avisiert. Eich: „Wie jeden Morgen wurde für ein gutes Gelingen unserer Operation kurz gebetet. Ein Ritus, der uns jeden Tag bewusst macht, wo wir hier sind.“


Zwei Rheinbacher Feuerwehrwagen sind in Charkiw im Einsatz

Zwei ausrangierte Feuerwehrwagen aus dem Rheinbacher Stadtgebiet sind inzwischen von Rheinbach hilft nach Charkiw gebracht worden und dort im Einsatz. Die Fahrer des elften Konvois aus der Glasstadt erlebten sie betriebsbereit mit neuer Besatzung.

Noch immer ist das alte Zollkennzeichen an einem der beiden Feuerwehrwagen aus Rheinbach befestigt. Die Papiere sind aber umgeschrieben.

Noch immer ist das alte Zollkennzeichen an einem der beiden Feuerwehrwagen aus Rheinbach befestigt. Die Papiere sind aber umgeschrieben.

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