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Lit.EifelBöttinger und Lütz liefern sich munteren Schlagabtausch in Basilika Steinfeld

Lesezeit 5 Minuten
Bettina Böttinger und Dr. Manfred Lütz sitzen an einem Tisch in der Basilika in Steinfeld und sprechen in Mikrofone.

Ein munteres, gestenreiches Geplänkel über den Sinn des Lebens lieferten sich Moderatorin Bettina Böttinger und der Autor und Mediziner Dr. Manfred Lütz in der Steinfelder Basilika.

Im Rahmen der Lit.Eifel sprachen Dr. Manfred Lütz und Bettina Böttinger über Gott und die Welt, über rechte Tendenzen, den Papst und die Kunst.

Er ist schon eine wahre Koryphäe seiner Zunft – oder sollte man besser sagen: seiner Zünfte? Ihm eilt ein Ruf wie Donnerhall voraus. Dr. Manfred Lütz nennt ein enormes Fachwissen sein Eigen und kann dies auch sehr lebendig, verständlich und öffentlichkeitswirksam präsentieren. Der Mediziner hat gleichfalls ein Theologiestudium absolviert, das ihn zu einem Kenner Roms, wo er zwei Jahre lebte, und der vatikanischen Verhältnisse werden ließ.

Einen Namen machte sich der inzwischen 71-Jährige, der in Bornheim lebt, insbesondere als Psychiater und Psychotherapeut. „Nebenbei“ hat Lütz auch noch elf Spiegel-Bestseller zu Papier gebracht, tritt als gefragter Vortragsredner auf und außerdem als Kabarettist. In ungezählten Talkshow-Auftritten hat er stets leidenschaftlich diskutiert – so auch oftmals mit der WDR-Moderatorin Bettina Böttinger (68), die nun wieder seine Gesprächspartnerin war. In ungewohnter Umgebung, der Steinfelder Basilika, nahmen Lütz und Böttinger im Altarraum Platz, der zur Bühne für ein rund 300-köpfiges Publikum der ausverkauften Veranstaltung der Lit.Eifel wurde. „Selten so eine volle Kirche gesehen“, staunte Böttinger.

Die Lit.Eifel präsentiert Literatur an ungewöhnlichen Orten

Im Rahmen des von der früheren Monschauer Bürgermeisterin Margareta Ritter geführten Festivals „Lit.Eifel“ wurde gemäß dem Motto, Literatur an ungewöhnlichen Orten der Eifel zu präsentieren, großes Kino in heiligen Hallen geboten. Denn Manfred Lütz ergänzte seine Lesung mit einer Fülle eindrucksvoller Bilder berühmter Kunstwerke aus der italienischen Hauptstadt, die dem Titel seines aktuellen Buches entsprechend dazu beitragen sollten, den Sinn des Lebens auszuleuchten. Endgültige Antworten auf diese komplexen Fragestellungen waren wohl kaum zu erwarten. Eher machte Lütz neugierig auf die Lektüre seines Werkes, zu dem Elke Heidenreich ein Vorwort geschrieben hat.

Apropos Kino: Sicher ist Lütz' Buchtitel „Der Sinn des Lebens“ kaum exklusiv zu haben. Spontan fällt einem der gleichnamige Film von Monty Python ein, die sich nicht immer freundlich gegenüber der Kirche äußerten. Allerdings tauchte diese Doublette in der Steinfelder Veranstaltung nicht auf.

Manfred Lütz und Bettina Böttinger schenkten sich in Steinfeld nichts

Die beiden Rheinländer Manfred Lütz und Bettina Böttinger schenkten sich nichts, verteilten auch schon mal humorvolle Spitzen gegeneinander, die immer wieder Applaus aufbranden ließen. Die Moderatorin ließ aus den Vorgesprächen erkennen, dass sie mit dem Wissenschaftler und Arzt wohl nicht immer einer Meinung sei. Aber dies würzte ihre launigen Debatten.

Natürlich kam der Theologe und Rom-Experten nicht am aktuellsten Thema vorbei, der Inthronisation des neuen Papstes Leo XIV. Kein Wunder, „provozierte“ Böttinger Lütz mit ihrem Hinweis, dass halb Rom Haltung annehme, wenn er in der Stadt sei. Dort sei er „bekannt wie ein bunter Hund“.

Er ist sehr gescheit, zuhörend, empathisch und normal. Er hört wirklich zu.
Manfred Lütz über Papst Leo XIV.

Lütz habe bereits ein Vier-Augen-Gespräch mit dem damaligen Kardinal führen können – womit er wohl, so Böttinger, der Einzige hier sei, der dies von sich behaupten könne. Darauf Lütz: „Die Eifel wird immer unterschätzt.“ Womit er die Lacher auf seiner Seite hatte. Er attestierte Leo XIV: „Er ist sehr gescheit, zuhörend, empathisch und normal. Er hört wirklich zu.“

Die Rechtstendenzen in der Gesellschaft sind auch Bettina Böttinger ein Anliegen, wobei sie ausdrücklich die AfD in den Mund nimmt. Dennoch mochte sie Manfred Lütz' These kaum glauben, als dieser zu einem Gedankenexperiment aufrief: Man solle doch mal einen Rechtsradikalen und einen Linksradikalen fünf Stunden lang vor ein Kunstwerk wie die berühmte Pietà von Michelangelo setzen – am Ende gingen sie ein bisschen netter miteinander um, so der 71-Jährige.

Manfred Lütz mahnt den Pranger in den sozialen Medien an

Es gebe Hoffnung, radikalisierte Menschen zurückgewinnen zu können. Dabei beklagte Lütz, dass heutzutage zu viele Menschen an den Pranger gestellt werden – „wegen Lächerlichkeiten“. Doch im Gegensatz zu früher, wo das Vorführen in der Öffentlichkeit nach zwei Stunden vorbei war, wirke das Anprangern heute für immer, verwies er auf die destruktive Kraft der sozialen Medien. „Man sollte ein bisschen weniger draufhauen“, mahnte Lütz.

So könnten Menschen zurückgewonnen und vor dem politischen Abwandern bewahrt werden, glaubt er. Und es sei auch Aufgabe der Kirche, mit dafür zu sorgen, dass es weniger Zwietracht und Wunden durch Hass gebe: „Da müsste sie auch wieder missionarischer werden und nicht ausschließen.“

Und noch einen Punkt stellte Lütz klar, indem er ein Zitat der neuen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) aufgriff: Sehr wohl „muss die Kirche politisch sein, sich für Flüchtlinge und Menschenwürde einsetzen“. Lütz: „Kirche kann, wo Not entsteht, helfen.“

Er, Lütz, gab auch sozusagen der eigenen Zunft der Kabarettisten einen mit: „Wenn diese immerzu die Politiker lächerlich machen, sorgt das dafür, dass die Ränder immer stärker werden.“ Er rief generell zu mehr Mitleid und Barmherzigkeit auf. Ihn sorge, dass sich die Kirche im Augenblick selbst zerlegt: „Zum Fremdschämen“, so Lütz. Er befürchte, dass die Christlichkeit generell immer mehr verschwinde.

Am Ende gab's noch ein Bonmot: „Die Deutschen sind ein Volk von Lehrern, die sich durch unterschiedliche Berufe verkleiden.“ Deren vielfacher Besserwisserei erteilte er damit eine humorvolle Abfuhr. Gestenreich, temperamentvoll, launig, mit detailreichem Wissen gesegnet – so erlebte ihn die Zuhörerschaft in Steinfeld, die förmlich an Lütz' Lippen hing.

Vielleicht hört sie auch in diesem Punkt auf ihn, den Kunsterklärer in seinem neuen Buch, seinem ersten zu diesem Genre: Wenn man ein Kunstwerk begreife, solle man wenigstens sein Leben ein bisschen ändern.