Der Auftritt des Journalisten in Kall-Steinfelder Kloster geriet zur Kurzvisite mit Nachhall und viel Witz.
Lesefestival Lit.EifelPapst-Kenner Andreas Englisch lieferte im Kloster Steinfeld Feuerwerk der Anekdoten

Gestenreich und lebendig: Andreas Englisch bei seinem Auftritt im Hermann-Josef-Kolleg im Kloster Steinfeld.
Copyright: Bertholt Strauch
Margareta Ritter hatte nicht zu viel versprochen: „Er brennt für das Thema“, kündigte die Vorsitzende des Lesefestivals Lit.Eifel den Journalisten und Papst-Kenner Andreas Englisch in der Aula des Hermann-Josef-Kollegs im Kloster Steinfeld an.
240 Gäste hingen gut eine Stunde förmlich an den Lippen des Mannes mit Entertainer-Qualitäten. Englisch brauchte weder Tisch noch Stuhl, sondern wanderte permanent mit thematischem Volldampf über die Bühne. Der begnadete Geschichtenerzähler und ausgewiesene Vatikan-Experte erlebt und beobachtet derzeit seinen mittlerweile vierten Papst hautnah. 18 Bücher hat er geschrieben, darunter auch Liebeserklärungen an seine zweite Heimat Rom, wo er seit fast 40 Jahren lebt und arbeitet.
Er präsentierte eine Kurzvisite mit Nachhall und vielen witzigen Episoden, wobei Englisch auch mal deftige Worte einfließen ließ, die im kirchlichen Milieu des Salvatorianerklosters nicht unbedingt zu erwarten waren. Aber auch so etwas würzte seine Non-Stop-Erzählungen und machte sie ein wenig lebensnäher und authentischer.
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Lesung vor dem offiziellen Erscheinen des neuen Buches
Andreas Englisch erwies sich als ein programmatischer Glücksgriff für die Initiatoren um Ritter. Denn sie konnten mit einer Premierenlesung glänzen: Offiziell erscheint Englischs Buch „Der leise Mönch an der Spitze der Macht“ über Papst Leo XIV. erst am 22. Oktober.
Mit einem jovialen „Ja, hallo“ eröffnete Andreas Englisch seinen Auftritt – und entschuldigte sich sogleich: „Was ich am schlechtesten kann, ist langsam sprechen.“ In der Tat, man musste aufmerksam zuhören, um sein päpstliches „Feuerwerk der Worte“ detailliert mitzubekommen. Wie er zu seinem Lebensthema fand, erzählte er vorab: Mit knapp 25 Jahren zum Italienisch lernen nach Rom gereist, war das gesparte Geld nach 13 Monaten aufgebraucht – und die Landessprache konnte er immer noch nicht.

Volle Reihen: Die 240 Zuhörerinnen und Zuhörer waren begeistert von den lebendigen Erzählungen des Papst-Kenners.
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Also sah er sich nach Quellen für seinen Lebensunterhalt um – und wurde bei einer US-Agentur fündig, die ihn prompt zum „Vatikan-Fachmann“ kürte. Bis dahin sei ihm „der Papst egal“ gewesen, er habe „von Tuten und Blasen keine Ahnung“ gehabt. Allein dass er einst Messdiener war, öffnete ihm die Türen, verschaffte ihm den dringend notwendigen „Expertenjob“.
Als besonders nachhaltig erwies sich Englischs erste Auslandsreise mit Papst Johannes Paul II. nach Rio de Janeiro. Dabei habe er „nur Hunderttausende Gläubige“ gesehen – aber nichts von Rio und seinem legendären Strand Copacabana. „Das ging mir furchtbar auf den Keks“, machte er deutlich. Am Körper trug er eine aufgeklebte Kennkarte, die ihm den unkontrollierten Zugang zum Papst-Flugzeug erlaubte – wodurch er fast seinen „Job versenkt“ habe, wie er vorwegschickte.
Unterwegs zum Maracana-Stadion hatte das Auto eine Panne – und blieb ausgerechnet an der Copacabana stehen. Er musste warten, ein Ersatzfahrzeug in den Papstfarben Gelb-Weiß sollte ihn abholen. Er nutzte die Gelegenheit – entledigte sich seiner Kleidung und sprang in Boxershorts zum Schwimmen ins Meer. Es kam, wie es kommen musste: Bei der Rückkehr war alles weg, inklusive des Sicherheitsaufklebers. Panik trieb ihn um. Schlimmstenfalls sei er schuld, „wenn jemand den Papst abmurkst“.
Jemandem den Segen erteilt, ohne selber Priester zu sein
Doch dann kam die plötzliche Wendung: „Herr im Himmel! Segnen Sie mich“, bat ihn ein Mann, der erkannt hatte, dass Englisch zur Papst-Delegation gehört. Den Segen habe er dann erteilt, obwohl er kein Priester sei, und er kam dann doch noch – ziemlich nass – am Zielort an. Jahre später, im Sommer 2000, trat Johannes Pauls II. seine 100. Auslandsreise an. Karol Wojtyla, so der bürgerliche Name des polnischen Papstes, bat die mitreisenden Journalisten, ihm „ins Ohr zu erzählen“, was man ihm bisher verschwiegen habe. Englisch „beichtete“, dass er gesegnet und Wojtylas Leben riskiert habe.
2006 reiste Papst Benedikt XVI. nach München. Englischs Aufgabe als Deutscher war es, ein Abschiedsgeschenk der Journalisten für den Papst zu besorgen – in einer Konditorei, die Joseph Ratzinger gerne besucht hatte, beschaffte er dessen Lieblingstorte.
Bei der Übergabe kam der Papst auf Englischs „Bade-Abenteuer“ in Rio de Janeiro zu sprechen. Das Malheur an der Copacabana hatte selbst in Vatikankreisen seine Runde gemacht. Gibt es also Tratsch auch in der Papst-Entourage? Andreas Englisch vergaß aber auch nicht, Kritisches zu erwähnen, beispielsweise dass Wojtyla vom Missbrauch in der Kirche gewusst und ihn nicht bekämpft habe: „Er trug Mitschuld“, weil er Priester gedeckt habe. Einer der Täter sei bei dem Papst ein und aus gegangen. Für Englisch zeigte sich hierin die „dunkle Seite von Johannes Paul II.“.
Pontifikat von Franziskus wurde zu einer einzigartigen Zeit
Über Franziskus erzählte er, dass dessen Pontifikat eine „einzigartige Zeit“ gewesen sei, weil er von Anfang an gesagt habe, dass er nur an Orte fahre, „wo alle anderen wegschauen“, zuerst ins Flüchtlingscamp auf der Insel Lampedusa oder in Aids-Kliniken. Englisch schilderte die menschliche Seite von Papst Franziskus, etwa indem er den Fahrstuhlführer in seinem Wohnhaus spontan zu einer Reise mitnahm und forderte, einen Platz für ihn freizumachen, „indem ein Kardinal rausgeschmissen“ werde. Den Knopf im Fahrstuhl könne er schon selbst bedienen, er brauche keinen Fahrstuhlführer, immerhin sei er Chef von 1,4 Milliarden Katholiken, so der damalige Papst. Dem einfachen Mann verhalf Franziskus auf der Reise zu Prominenz, indem er ihn etlichen Offiziellen vorstellte. Es sei noch öfters passiert, dass er Menschen mitnahm, die ihm zufällig über den Weg gelaufen seien.
Und zum Abschluss ein Wort zu Deutschland: „Wenn Papst Franziskus hier wäre, weiß ich, was er sagen würde: Es sei völliger Unsinn, dass sich katholische und evangelische Christen gegenseitig in die Suppe spucken. In aller Welt würden Christen dringend gebraucht“, spekulierte Englisch auf der Bühne. Und warum er das Land nicht besucht habe? Er sei nie dahin gegangen, wo er gefeiert wurde, sondern dahin, wo er gebraucht wurde.
Und noch ein munteres Bekenntnis schenkte der Papst-Experte seinem Publikum: Franziskus habe es nie gemocht, mit „Heiliger Vater“ angesprochen zu werden. Als Englisch dies einmal getan habe, sei dessen spontane Reaktion gewesen: „Wie läuft's zu Hause, Heiliger Sohn?“