Das Album eines Berliner Straßenbahnschaffners gab den Anstoß zum Kunstprojekt „Westwallgeschichte(n)“, das in Hillesheim geplant ist.
KunstprojektDurch Hillesheim wird sich eine bunte „Höckerlinie“ ziehen

In den an Ostbelgien angrenzenden Teilen des Kreisgebietes sind Reste der „Höckerlinien“ keine Seltenheit: etwa bei Hollerath oder wie hier im Prether Bachtal oberhalb von Hellenthal.
Copyright: Stefan Lieser
Mit 19 Veranstaltungen erzählt die Kulturinitiative Hillesheim ab Anfang September „Westwallgeschichte(n)“. Ausgangspunkt des Projekts ist das Fotoalbum eines 1938 zum Arbeitseinsatz an der Verteidigungslinie in der Eifel verpflichteten Berliners. Unter anderem wird es eine „Kunst-Höckerlinie“ quer durch den historischen Stadtkern von Hillesheim geben.
„Der Westwall ist heute viel zu wenig bekannt, auch in den Schulen“, sagt Claudia Warda, Kulturmanagerin in Köln, die in der Vulkaneifel lebt. Sie ist Mitglied der Kulturinitiative Hillesheim (KIH) und hat sich die aus ihrer Sicht nötige Erinnerungsarbeit zum Ziel gemacht. Sie will die historischen Grenzen zeigen, den Sinn des Westwalls 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hinterfragen, erinnern und aufklären.

Claudia Warda mit dem Fotoalbum von Erich Wagner, der 1938 als Arbeiter am Westwall in die Eifel kam.
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Um das zu erreichen – auch durch eine Bewusstmachung bei Kindern und Jugendlichen – hat sie ein Kunstprojekt entwickelt: „Westwallgeschichte(n)“: 19 Veranstaltungen zwischen dem 6. September und dem 4. Oktober. Es wird einen Monat lang Ausstellungen geben, zudem Live-Musik, Diskussionsrunden, Exkursionen, Autorenlesungen, Filme, ein Theaterprojekt, Kunstinstallationen. Und das alles rund um ein in einer Vitrine ausgestelltes Buch im dicken Ledereinband.
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Es ist das aus Fotos, Zeichnungen und Texten liebevoll zusammengestellte Scrap Book von Erich Wagner, einem Straßenbahnschaffner aus Berlin, der sich 1938 zum – damals noch bezahlten – Arbeitseinsatz beim Bau des 630 Kilometer langen Westwalls offenbar freiwillig gemeldet hatte.
Fotos, Zeichnungen und Texte sind liebevoll zusammengestellt
Für die Schaffung der Verteidigungslinie aus Beton-Panzersperren, sogenannten „Höckern“, Stollen und Bunkeranlagen der Wehrmacht, reiste er in die Westeifel. Offenbar wohnte er in Hillesheim. Wagner hat das sichtlich auch als eine touristische Reise verstanden.
Er ließ sich im Anzug, Zigarre paffend, in seiner Freizeit ablichten, fotografierte dann bereiste Orte wie Gerolstein, Prüm, „meinen Wald“, natürlich Hillesheim und kommentierte das stolz mit „Icke in der Eifel“. Nur zweimal sind Fotos sorgfältig geschwärzt. Wagner schrieb daneben, dass man Verteidigungsanlagen nicht fotografieren dürfe.

Im Anzug und mit Zigarre: Erich Wagner sah sich selbst offenbar als eine Art Dandy auf Eifelurlaub. Tatsächlich hatte er sich zum Arbeitseinsatz am Westwall gemeldet.
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War dem auf Selbstporträts etwas unbedarft wirkenden jungen Mann der ernste Hintergrund seiner Reise in die Eifel überhaupt bewusst? Vor 15 Jahren wurde Wagners Fotoalbum der Stadt Hillesheim geschenkt, die das Zeitdokument jetzt mit den „Westwallgeschichte(n)“ einem breiten Publikum präsentieren kann.
Claudia Warda hat drumherum ein beeindruckendes Multimedia-Kunstprojekt entwickelt. So hatte der in der Nähe von Hillesheim lebende Künstler Jan Pronk 14 Kinder und Jugendliche der Grund- und Realschule Hillesheim in den rheinland-pfälzischen Sommerferien eingeladen, 60 Zentimeter hohe „Höcker“ kreativ selbst zu gestalten.
Nachgebaute Panzersperren werden zu fantasievollem Panoptikum
Ein Modell hatte er selbst gebaut, die Berufsbildende Schule in Gerolstein 50 Kopien aus Holz und Sperrholz angefertigt. Panzersperren aus Beton wurden so zu einem von den Kindern und Jugendlichen, auch von Bildenden Künstlern umgestalteten fantasievollen Panoptikum aus mit Kunstfell beklebten Knuddeltieren, einem bemalten sphärischen Prisma oder auch einer weiblichen Riesenbrust.
Die bunte Reihe wird sich als Kunstinstallation „Die Höckerlinie von Hillesheim“ vom Eröffnungstag am 6. September und bis zum 3. Oktober über rund 250 Meter von den Resten der mittelalterlichen Stadtmauer in den historischen Stadtkern und bis zum Kunsthaus „Alte Schreinerei“ ziehen.

Zeigen zwei der künstlerisch gestalteten „Höcker“ an der Stadtmauer von Hillesheim: Claudia Warda und Jan Pronk.
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Nach Ende der „Westwallgeschichte(n)“ will die Kulturinitiative Hillesheim einzelne der Objekte verkaufen. Interesse haben schon Unternehmen und Vereine angemeldet. Neben einer weiteren Kunstinstallation im öffentlichen Raum wird es Veranstaltungen in der „Alten Schreinerei“, in der Eifel-Film-Bühne, im Hillesheimer Rathaus und auch Exkursionen geben.
Bis zum Kunstprojektbeginn läuft schon ein Theater-Workshop zum Thema „Grenzerfahrungen und Westwall“, an dem Jugendliche der Realschule Hillesheim und des Gerolsteiner St.-Matthias-Gymnasiums beteiligt sind. Der in Kronenburg lebende Filmemacher Dietrich Schubert wird zweimal „Nicht verzeichnete Fluchtbewegungen“ zeigen, der aus Kall stammende Schriftsteller Norbert Scheuer aus seinem Roman „Winterbienen“ lesen, der zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in der Eifel spielt.
Fachleute diskutieren über den Westwall als Denkmal
Am 7. September wird Gudrun Schmitz, oberste Denkmalschützerin des Regierungsbezirks Köln, in einem Vortrag der Frage „Der Westwall – ein Denkmal?“ nachgehen. Über „Erinnern – Gegenwart verstehen“ diskutiert ein Fachpodium, Exkursionen sind unter anderem zu Resten der „Höckerlinie“ zwischen Ormont und Hallschlag geplant.
In der „Alten Schreinerei“ wird zum Projekt eine Gruppenausstellung mit Gegenwartskunst eröffnet, es wird mehrfach Live-Musik, einen Lieder-Erzählabend und die Klanginstallation „Fuge der Zeitzeugen“ von Werner Bitzigeio geben. Zu weiteren Autorenlesungen kommen Frank M. Reifenberg und Jacky Dreksler. Bei einem „Philosophischen Sonntag mit kleinem Frühstück“ geht es natürlich ebenfalls um „Grenzen“.
Für die erst vor zwei Jahren gegründete Kulturinitiative Hillesheim ist es eines der größten Projekte, das auch die Unterstützung wichtiger öffentlicher Fördergeber hat: Der Kultursommer Rheinland-Pfalz, die Bundeszentrale für politische Bildung und die Katholische Erwachsenenbildung im Bistum Trier unterstützen unter anderem das Projekt.
Und das letztlich alles wegen „Icke in der Eifel“, dem Berliner Straßenbahnschaffner Erich Wagner, der 1938 zum Arbeitseinsatz in die Westeifel kam. Sein Fotoalbum soll reproduziert und zum Kauf angeboten werden. Das Programm und die Eintrittspreise zu einzelnen Veranstaltungen der „Westwallgeschichte(n)“ gibt es online.