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NürburgringKeine Lust auf Prolls – Das sagt die Tuningszene im Kreis Euskirchen zum „Car Friday“

Lesezeit 6 Minuten
Michelle Engel steht an ihrem Golf R32. Im Hintergrund schauen zwei Männer auf ihr Handy.

Tuning und „Car Friday“ ist nicht immer automatisch ein Match. Viele Ringfreunde und Tuner finden das Spektakel rund um den Nürburgring ätzend.

Der „Car Friday“ lockt Tuningfans aus dem Kreis Euskirchen an den Nürburgring. Die Szene distanziert sich von der Raserei. 

Die Angstgegner? Bordsteinkanten sowie die Messgeräte der Polizei. Und die Ablehnung durch den überwiegenden Teil der Bürger. Denn was für die Tuning-Fans Motoröl für die Gehörgänge ist, nervt viele Menschen.

Für sie ist ein hochmotorisiertes Auto, mit dem geprahlt wird, einfach nur laut und ein Ärgernis. Ganz zu schweigen von illegalen Autorennen, die nicht nur die Teilnehmer, sondern auch Unbeteiligte gefährden – wenn nicht auf eigens dafür ausgelegten Strecken gefahren wird. Eine solche Strecke ist der Nürburgring. Mekka für Motorsport- und Tuningfans.

Nürburgring ist Anziehungspunkt am „Car Friday“

Anziehungspunkt auch für Michelle Engel, die „ein halbes Vermögen“ in ihren Golf R32, die US-amerikanische Variante des Modells, investiert hat. Zu erkennen ist die besondere Version am quadratischen Nummernschild und dem ungewöhnlichen Standlicht. „Ich bin deswegen schon angehalten worden. Aber es ist eben keine hiesige Variante des Autos“, sagt sie. Ein Blick in den zentimeterdicken Fahrzeugschein habe die Beamten bisher immer beruhigt.

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Am Freitag dürfte beim Golf der 31-Jährigen wieder genau hingeschaut werden – von der Polizei und neugierigen Blicken rund um den Nürburgring. Der Grund: Es ist nicht nur Karfreitag, sondern auch „Carfreitag“ – inoffizieller Feiertag der Tuning-Szene. Dabei hat sich die englische Variante, der „Car Friday“, im Sprachgebrauch „save durchgesetzt“, wie die jüngere Generation sagt.

Der „Car Friday“ spielt sich in der Region auf der Nordschleife des Nürburgrings ab – und drumherum. Mehrere Zehntausend Menschen, die viel Geld, Zeit und Liebe in ihre Autos investieren oder sich mindestens für die Autos interessieren, in die viel Geld, Zeit und Liebe investiert worden sind, werden zur Grünen Hölle pilgern. Auch Engel wird dabei sein. Sie wird ihren Heimvorteil nutzen.

Freitags wie die Lemminge zum Ring fahren? Das ist was für Amateure. Profis haben den Freund in Döttingen wohnen und müssen sich am „Car Friday“ nicht in die Blechlawine einreihen. „Wenn das nicht so wäre, würde ich den Tag auch meiden“, sagt die 31-Jährige. Wenn sie aber einmal am Ring ist, will sie auch eine Runde über die Nordschleife drehen. Allerdings will sie mit ihrem Golf R32, den sie eigens nur für solche Fahrten hat, bereits am Donnerstag über den Ring jagen.

„Car Friday“: Zum Einkaufen eignet sich der Golf R32 nicht

„Theoretisch könnte ich mit dem Auto auch Einkaufen fahren, aber das macht keinen Spaß“, sagt sie und zeigt ins Innere des Fahrzeugs. Dort gibt es nicht mal mehr ein Radio, nur das Nötigste ist verbaut. Was es aber gibt – einen Überrollkäfig. Und einen Auspuffsound, der Tuningfans eine Gänsehaut verpasst.

„Mit so einem Auto wird man als Frau immer blöd angeguckt“, sagt die 31-Jährige, die sich von der Raser-Szene distanziert: „Ich habe mein Auto extra umgebaut, um damit nur auf dem Ring zu fahren und ich nicht in Versuchung komme, im normalen Straßenverkehr zu rasen.“

Tuningszene im Kreis Euskirchen distanziert sich von Raserszene

Für Spielereien auf der normalen Straße sei sie zu alt. „Ich finde es gut, dass gerade die, die sehr auffällig oder eben viel zu schnell sind, vermehrt kontrolliert werden.“ Frauen in der Tuning- und Ring-Szene seien eindeutig in der Minderheit. „Die Ring-Szene ist für eine Frau deutlich entspannter als die Tuning-Szene“, sagt Engel, deren Golf bei der Flut einen Totalschaden erlitt.

15 Monate lang baute sie das Auto mithilfe ihres Freundes wieder auf. Zu groß ist ihre emotionale Bindung an das Auto. Ursprünglich gehörte das nämlich ihrem Lebensgefährten, der vor fünf Jahren bei einem Motorradunfall tödlich verunglückte.

Christian Heyden wird nicht zum Ring fahren. Und auch nicht an einem anderen Tag eine Runde über den Ring drehen. „Ich habe keine Lust, ein 70.000-Euro-Auto zu schrotten“, sagt der Stotzheimer. Und die Curbs wären der Bordstein-Angstgegner 2.0 für Felgen, die laut Heyden allein 7000 Euro gekostet haben.

500 PS hat sein Audi RS3. Er benötigt 3,6 Sekunden – dann ist er von null auf hundert. Ein Tesla Model 3 brauche 3,3 Sekunden. „0,3 Sekunden Unterschied – das sind zwei Autolängen“, erklärt Heyden. In der Szene kommt es auch auf die kleinen Dinge an.

Tuningszene trifft sich am Real und in Weilerswist

Eine Szene, die sich nach Informationen dieser Zeitung gerne auf dem Real-Parkplatz in Euskirchen oder an der Aral-Tankstelle in Weilerswist trifft – den einen oder anderen Beschleunigungsvergleich inklusive. „Das ist aber eine jüngere Generation“, sagt Heyden: „Die fahren mit den Autos, teilweise mit denen der Väter, immer wieder Runden über den Parkplatz.“

Das sei die neue Variante der „Prollrunde“, die früher in Euskirchen über den Bahnhof und die Wilhelmstraße führte. „Darauf haben wir keine Lust“, sagt Heyden. Früher sei man schon mal im IPAS gegeneinander angetreten. Nachdem dort aber die Lkw-Buchten eingerichtet worden sind, mache das keinen Spaß mehr. Vor allem sei es aber für alle Beteiligten zu gefährlich.

„Kontrollen der Polizei in Euskirchen völlig in Ordnung“

Dass die Polizei die Raser-Szene vermehrt im Blick habe, sei aufgrund der Vorkommnisse der vergangenen Jahre völlig in Ordnung, sagt Ben Kromb aus Elsig: „Sie sollen Gefahrenpunkte wie zweispurige Straßen kontrollieren. Sie sollen illegal getunte Autos stilllegen. Sie sollen aber nicht unverhältnismäßig gegen die Szene vorgehen.“

Dem stimmt Alex aus Euskirchen zu. Mit seinem Bruder Sergei hat er einen VW Corrado so bearbeitet, dass eigentlich nur noch die Hülle übrig geblieben ist. Sieben Motoren haben sie in den Jahren schon in dem Volkswagen verbaut. „Mich wollten sie wegen gelber Nebelscheinwerfer stilllegen“, berichtet Alex: „Ich bin damit zehn Jahre gefahren. Keinen hat es gejuckt. Plötzlich werde ich angehalten.“ Das habe er nicht verstehen können. „Viele Beamte wollen sich wichtig machen“, sagt er.

Von der Tuning-Stufe – der Corrado ist vom Spezialisten Abt – gibt es den Brüdern zufolge in Deutschland nur drei Modelle. Eigentlich doch ein Traum, damit am „Car Friday“ zum Ring zu fahren? „Nein. Da sind nur Poser und Protzer – Idioten, die meinen, sie hätten Ahnung. Aber nur zu viel Geld haben“, sagt Alex .


Mit einem größeren Personaleinsatz wird die Kreispolizeibehörde Euskirchen nach eigenen Angaben am Karfreitag die Eifelstrecken überwachen und dabei ihr Hauptaugenmerk auf Raser, Fahrzeugtuner und Poser beim „Car Friday“ richten.

Auffällige Boliden, getunte Pkw, aber auch PS-starke und überlaute Motorräder werden einer Pressemitteilung zufolge durch die polizeilichen Verkehrsexperten an vielen Kontrollstellen im Kreisgebiet unter die Lupe genommen und dabei konsequent aus dem Verkehr gezogen, falls sie gegen Gesetzesnormen und Regeln des Straßenverkehrs verstoßen.

Die Polizei werde einheitlich und unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten, beispielsweise mit Führerschein- und Fahrzeugbeschlagnahmung, einschreiten, heißt es in der Mitteilung.

Die Leitung der Direktion Verkehr dazu: „Raserei und Rücksichtslosigkeit auf unseren Straßen werden wir nicht dulden. Wir wollen, dass sich die Bürger unseres Kreises, aber auch die vielen Touristen und Durchreisenden auf unseren Strecken sicher und gefahrlos bewegen können.“

Die Polizei teilt mit, dass der öffentliche Verkehrsraum keine Rennstrecke und kein Schauplatz für ein Kräftemessen oder eine Selbstinszenierung seien. Mit mehr als drei Dutzend polizeilicher Fachleute, darunter ein Kfz-Meister, werde man sich an einer überregionalen und länderübergreifenden Verkehrssicherheitsaktion beteiligen. (tom)

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