Zwei Jahre CoronaDie Akkus der Mitarbeiter im Kreiskrankenhaus sind leer

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Die Schutzausrüstung gehört für die Mitarbeiter in den Krankenhäusern seit zwei Jahren zum Alltag. 

Mechernich – Zwei Jahre Corona – zwei Jahre Ausnahmezustand. Die Pandemie hat auf die ohnehin hohe Belastung der Mitarbeiter in den Kliniken eine kräftige Schippe draufgelegt. Sie arbeiten an der Belastungsgrenze – oder sind längst darüber hinaus. „Die zwei Jahre haben die Leute gezeichnet. Viele sind müde. Die Akkus sind leer – oder kurz vor leer“, sagt Martin Milde, Geschäftsführer der Kreiskrankenhaus GmbH. Dem stimmen Prof. Rudolf Hering, der stellvertretende ärztliche Direktor, und Pflegedirektorin Martina Pilgram vollumfänglich zu.

Omikron verschärft die angespannte Personallage in Mechernich

Die ohnehin angespannte Personallage hat sich in der Omikron-Welle noch verschärft. Die täglichen Telefonate, wer einen positiven Test hat und in Quarantäne muss oder bei wessen Kind der Pooltest in Schule oder Kita positiv ist, sind für Pilgram längst ungeliebte Gewohnheit. „Wir hoffen immer, dass wir das kompensieren können“, sagt sie. Im ärztlichen Bereich ist die Lage identisch, wie Hering berichtet. Am Freitag beispielsweise seien von 25 Stellen in der Anästhesie sieben nicht besetzt gewesen: fünf Kollegen in Quarantäne, zwei „normal krank“.

Die enorm angespannte Lage auf dem Fachkräftemarkt ist da nicht gerade hilfreich. Alleine im Pflegebereich sind im Kreiskrankenhaus laut Pilgram zehn ganze Stellen auf den Normalstationen und sechs auf den Intensivstationen nicht besetzt. Im Vergleich zu anderen Häusern stehe man aber noch gut da.

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Versorgung der Patienten im Kreiskrankenhaus jederzeit sichergestellt

Die Auswirkungen der Pandemie und die daraus resultierenden Löcher in der Personaldecke zu kompensieren, gelingt nicht immer. Dann müssen Stationen zusammengelegt und planbare Operationen verschoben werden. Die Versorgung der Bevölkerung – inklusive Notfälle – , so Milde, sei zu keiner Zeit gefährdet gewesen. Auch habe man keine Intensivpatienten abweisen müssen. Zugute kommen der Klinik da auch die beiden Standorte Mechernich und Schleiden.

Knapp 100 Covid-Patienten sind laut Hering in den zwei Jahren auf der Intensivstation behandelt und fast alle von ihnen beatmet worden – aktuell sei es eine Patientin. Einmal habe man in der ersten von drei Stufen der Notfallstruktur gearbeitet und für zwei bis drei Wochen bis zu vier der zusätzlich geschaffenen Intensivplätze genutzt.

Chefarzt Hering: Bei Omikron im Januar 2021 wären wir „abgesoffen"

Hering wird deutlich, wenn er über die Wirksamkeit der Impfungen spricht: „Wenn wir die jetzigen Inzidenzen im Januar 2021 gehabt hätten, wären wir hier abgesoffen. Dann hätten wir die Strukturen nicht halten können und ein riesiges Versorgungsproblem bekommen.“ Zuletzt seien kaum ältere Covid-Patienten im Kreiskrankenhaus gewesen. Bei den schweren Fällen, die in der Klinik behandelt werden, seien geimpfte wie ungeimpfte Menschen – die Ungeimpften sind laut Hering meist vorerkrankt oder immungeschwächt.

Mehr als 90 Prozent der Mitarbeiter der Klinik sind laut Milde geimpft. Die ab Mitte März geltende Impfpflicht für diese Berufsgruppe sieht er gelassen – vor allem, da bis Juni keine Sanktionen zu erwarten seien. Den Schwarzen Peter, so Milde, wolle in der angespannten Lage der Pflege keiner haben.

Finanzielle Auswirkungen der Krise

Die Bilanz

Wirtschaftlich stellt die Pandemie die Kliniken ebenfalls vor Herausforderungen. An einen Normalbetrieb, geschweige denn eine Vollauslastung ist seit zwei Jahren nicht zu denken. Das macht sich in den Zahlen bemerkbar. Hat die Kreiskrankenhaus GmbH 2020 noch eine schwarze Null geschafft, ist für 2021 ein negatives Ergebnis im unteren siebenstelligen Bereich zu erwarten. Ganz genau, so Martin Milde, könne es noch nicht quantifiziert werden, da der Jahresabschluss noch nicht fertig sei. (rha)

Die Förderungen

Ausgleichszahlungen und Förderprogramme haben die Verluste nicht komplett kompensiert. Als Freihaltepauschale für nicht belegte Betten hat der Konzern laut Milde in den beiden Jahren insgesamt rund 20 Millionen Euro erhalten. Durch das Sonderinvestitionsprogramm für Krankenhäuser aus 2020 und weitere Förderprogramme sind laut Milde in Summe gut fünf Millionen Euro ans Kreiskrankenhaus geflossen. (rha)

Die Kostentreiber

 Kostentreiber und Verlustverursacher waren dabei nicht nur die unbelegten Betten. Extrem viele Verbrauchsgüter etwa mussten zusätzlich beschafft werden. Gerade am Anfang der Pandemie hat auf dem Markt laut Rudolf Hering eine „Wildwestmanier“ geherrscht – für FFP2-Masken seien teils bis zu elf Euro zu zahlen gewesen. Zudem sind die ganzen Tests zu finanzieren. Rund 50000 PCR-Tests seien durchgeführt worden – Kosten: jeweils 59 Euro. Dazu kommen unzählige Schnelltests etwa für Patienten in der Notaufnahme und die Mitarbeiter. (rha)

Stigmatisiert werden die nicht geimpften Mitarbeiter im Kreiskrankenhaus laut Pilgram nicht. Einige reagierten zwar mit Unverständnis auf Ungeimpfte, aber man lasse jedem den Raum für seine Entscheidung. „Man muss miteinander arbeiten – und das geht“, sagt Pilgram. Als unfair werde jedoch die Impfpflicht nur für bestimmte Berufsgruppen empfunden: „Das ist keine Wertschätzung der Pflege.“

Mechernicher sind frustriert über das Ausmaß der Dokumentation 

Unabhängig von den pandemiebedingten Schwierigkeiten drückt der Schuh fürs Klinikpersonal auch bei der Dokumentation: Alles, was am Patienten gemacht wird, muss haarklein festgehalten werden. Dass Dokumentationen nötig sind, stellt niemand in Abrede. Doch das Ausmaß sehen die Verantwortlichen als völlig überzogen an. „Wir dokumentieren uns einen Wolf“, sagt Milde.

Mit Blick auf mögliche juristische Auseinandersetzungen spricht Hering von einer Angstmentalität: „Keiner hat den Mut, einfach etwas zu machen, ohne einen großen Aufsatz zu verfassen.“

Und wenn mal was in den Akten fehlt, geht’s sofort ins Geld: Ein siebenstelliger Betrag werde, so Milde, der Klinik jedes Jahr in den Rechnungen gekürzt, weil Dokumentationen fehlen. Er macht eine weitere Rechnung auf: Die Mitarbeiter in den 300 Vollzeitstellen in der Pflege seien 40 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Dokumentation beschäftigt. Würde der Aufwand um 20 Prozent auf das Notwendige und Wichtige reduziert, stünden 60 Vollzeitstellen mehr für die direkte Arbeit an den Patienten zur Verfügung.

Besuchsverbot wird wohl spätestens zum 20. März aufgehoben

Mit wenigen Ausnahmen – etwa Schwerstkranke – dürfen die Patienten im Kreiskrankenhaus seit Ende November keinen Besuch empfangen. Nicht nur menschlich, auch aus medizinischer Sicht sieht Hering das kritisch – und in bestimmten Fällen habe man es daher bewusst umgangen. Für ältere, prädemente oder depressive Patienten könne sich die Lage ohne Besuch durchaus verschlimmern. Verschlimmern können sich auch Erkrankungen – wenn Patienten aus Angst vor dem Besuchsverbot erst „kurz vor knapp“ als Notfall ins Krankenhaus kommen.

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Spätestens dann, wenn bis zum 20. März mit Ausnahme von Maskenpflicht und Abstandsgebot die Beschränkungen weitgehend aufgehoben werden, passe ein Besuchsverbot einfach nicht mehr, sagt Milde. Wie die Besucherregelung dann aussehen wird, wird laut Milde im Krisenstab der Klinik beschlossen. Er kündigt „pragmatische Lösungen“ an. Es wäre ein Stückchen Normalität, nach der sich auch im Kreiskrankenhaus alle so sehr sehnen.

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