Impfzentrum MarmagenMitarbeiter helfen und geben der Pandemie eine menschliche Seite

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Freund und Helfer in Camouflage: Ein Soldat der Bundeswehr begleitet eine Seniorin zum Eingang.

Freund und Helfer in Camouflage: Ein Soldat der Bundeswehr begleitet eine Seniorin zum Eingang.

Nettersheim-Marmagen – Auf den ersten Blick kann das Regionale Impfzentrum einschüchternd wirken. Die Augen wandern über das kolossale Gebäude der Eifelhöhen-Klinik, und zuerst fällt der Blick auf Soldaten und Sicherheitsdienst. Manchmal auch auf Polizisten. Es gibt strikte Vorschriften, wer sich wo und wie bewegen darf. Nicht wenige sind am Eingang des Impfzentrums dann überrascht. Denn der erste, der einschüchternde Eindruck täuscht.

Empathie, Einfühlsamkeit. Die Begriffe, mit denen Führungsstabsleiter Udo Crespin jongliert, passen nicht recht zur kühlen und bürokratischen Impfzentrum-Atmosphäre. „Der Mensch kommt hier natürlich mit einer gewissen Anspannung an. Unser Ziel ist es, ihn zu entspannen“, sagt Crespin. Am besten gehe das, wenn man auf die Menschen zugehe. Das beginnt schon am Eingang: Ein Bundeswehrsoldat, auf dessen Rücken das Wort „Lotse“ steht, empfängt jeden Besucher wie einen hochrangigen Staatsgast.

Geht die Autotür auf, ist er schon zur Stelle. Braucht der Besucher Hilfe, bringt der Soldat Rollstuhl oder Rollator. Und auch wenn es nur wenige Schritte bis zum Eingang des Impfzentrums sind – jeder wird begleitet, wenn er das möchte. Oft seien die Leute während ihres ersten Impftermins nervös, sagt Hauptfeldwebel Monique Probian. „Manche gehen deshalb nicht gerne alleine zur Registrierung.“

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Erklärt Patienten auch mal zur Chefsache: Udo Crespin, Führungsstabsleiter des Regionalen Impfzentrums.

Erklärt Patienten auch mal zur Chefsache: Udo Crespin, Führungsstabsleiter des Regionalen Impfzentrums.

Dafür ist die Bundeswehr vor Ort. Sie soll den Besuchern Sicherheit geben. Die Soldaten erledigen ihre Arbeit aber nicht nur mit militärischer Disziplin. Sie zeigen auch ihre menschliche Seite, um den Senioren Ängste und Sorgen zu nehmen. Beliebtes Gesprächsthema: der eigene Wehrdienst. Viele Ältere wären selbst mal beim Militär gewesen, sagt Probian. „Mit denen sprechen wir dann über die Zeit bei der Bundeswehr und was sie dort erlebt haben.“

Möglichst kurze Wartezeiten

Lange brauchen die Besucher nicht bis ins Impfzentrum. Sie schnell ins Trockene und Warme bringen, möglichst ohne Wartezeiten – dafür setzt sich Crespin ein. Kommen sie dann an der Registrierung an, übernehmen DLRG, Feuerwehr und Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVN) die Betreuung der Besucher. Oft haben die Senioren die Formulare des Kreises in vierfacher Ausführung dabei – die Angst, etwas zu vergessen, ist groß.

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Für das medizinische Personal bedeutet das einen großen Aufwand. 300 Besucher registrierten sie bisher täglich. Seit wieder mit Astrazeneca geimpft werden darf, sind es doppelt so viele. Wächst der Bedarf, können weitere Räume in der Eifelhöhen-Klinik genutzt werden. Insgesamt sind vier Impfkreisläufe verfügbar. Momentan genutzt werden zwei.

Personell ist das Impfzentrum gut ausgestattet. Je nach Auslastung sind 65 bis 85 Personen im Einsatz. Sie kommen von allen möglichen Organisationen: von der DLRG, der Freiwilligen Feuerwehr, der Bundeswehr, vom Technischen Hilfswerk, den Maltesern oder der KVN. Dennoch hat im Impfzentrum niemand Angst vor Überlastung. Weil jede Organisationseinheit eine ihr zugewiesene Aufgabe hat, gibt es kein Durcheinander. Besonders deutlich wird das im Obergeschoss. Dort, wo geimpft wird.

Aus dem Grundvakzin stellen Apotheker unter aseptischen Bedingungen den eigentlichen Impfstoff her.

Aus dem Grundvakzin stellen Apotheker unter aseptischen Bedingungen den eigentlichen Impfstoff her.

Hinter einer Tür, auf der in roten Buchstaben „Kein Zutritt“ steht, stellen Apotheker aus dem Grundvakzin den eigentlichen Impfstoff her. Der wandert versehen mit einem Verfallsdatum – der Impfstoff muss noch am gleichen Tag in den Arm eines Patienten injiziert werden – nur einen Raum weiter. Dort warten Dr. Gerd Axer und acht weitere Ärzte auf die Impfpatienten. „Positiv ist auf jeden Fall, dass wir Ärzte uns so mal untereinander kennenlernen“, scherzt er. Axer pflegt nicht nur einen lockeren Umgang mit seinen Kollegen. Auch für die Patienten hat er den ein oder anderen heiteren Spruch auf Lager.

Zwischen Patientengespräch und Smalltalk

Dabei muss er den Spagat schaffen zwischen ernstem Patientengespräch und lockerem Smalltalk. Er müsse auf Aufklärung achten, die Leute über Impfreaktionen und Nebenwirkungen informieren, sagt Axer. „Leider ein sehr ernstes Thema. Wir fragen auch nach Allergien und Vorerkrankungen. Wissen die Leute nichts, müssen wir sie wieder wegschicken.“ Axer will kein Risiko eingehen. Jeder Impfling soll das Impfzentrum gesund verlassen. Sind die Ärzte sicher, dass es den Patienten gut geht, werden sie in die Hände des DRK gegeben. 30 Minuten betreuen die Sanitäter die frisch geimpften Besucher. So soll sichergestellt werden, dass niemand allergisch auf das Vakzin reagiert.

Zwischen all dem Personal wirkt Udo Crespin fast unscheinbar. Für viele aber, die im Impfzentrum arbeiten, gilt er als unverzichtbar. Axer nennt ihn sogar „das beste Pferd in unserem Stall“. Er ist der Mann, der für alles verantwortlich ist – obwohl er das nie direkt sagen würde. Für Crespin ist das Impfzentrum vor allem eine Teamleistung. Ein funktionierendes Gebilde aus verschiedenen Zahnrädern, die ineinandergreifen. „Wir sind nicht die Kassenärztliche Vereinigung, einzelne Ehrenamtler und der Kreis. Wir arbeiten zusammen. Auch wenn sich das kitschig anhört: Wir sind wie eine Familie.“

Eine Familie, die auf den ersten Blick nicht so richtig zusammenpassen will. Am Beginn der Impfstraße stehen Bundeswehrsoldaten neben Malteser-Sanitätern. An Ärzten huschen die Rettungsschwimmer der DLRG vorbei. Und das THW ist per Du mit dem Sicherheitsdienst. Gemeinsam haben sie alle nur eins: Sie verlassen sich auf Crespin.

„Der einzelne Mensch spielt für uns eine wichtige Rolle“

Und das nicht ohne Grund. Der ehemalige Kreisbrandmeister erklärt Patienten auch mal zur Chefsache. Beschwert hätte sich erst ein Besucher – und zwar von Tausenden. „Er hat den Weg vom Impfzentrum zum Parkplatz nicht gefunden“, erinnert sich Crespin. Der Mann sei versehentlich einem Marmagener auf einen Schleichweg ins Dorf gefolgt und hätte sich dann verlaufen. „Völlig unspektakulär.“ Crespin gab ihm seine Privatnummer und bot ihm an, ihn beim zweiten Impftermin persönlich zum Parkplatz zu begleiten. Impfen sei zwar ein Massengeschäft.

Aber trotzdem müsse man die Individualität erhalten, sagt er. „Der einzelne Mensch spielt für uns eine wichtige Rolle.“ Der einzelne Mensch gilt vielen Mitarbeitern des Impfzentrums als Motivation. Freundlichkeit und gute Organisation seien keine Kleinigkeiten. „Wir retten so manches Menschenleben damit.“ Und so mancher Mensch ist dankbar dafür. So dankbar, dass er beim zweiten Impftermin einen Kuchen für das Personal mitbringt.

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