Jubiläum bei Smurfit KappaZülpicher Papierfabrik startete mit Lumpen, Stroh und Schnaps

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Das Bild zeigt eine Fabrik, auf einem Schild steht in großen Buchstaben Smurfit Kappa.

Heute gehört die Zülpicher Papierfabrik zu Smurfit Kappa, gegründet wurde sie 1873 von vier Männern.

Seit 150 Jahren wird in Zülpich Papier hergestellt. Nachhaltigkeit ist bei Smurfit ein großes Thema, denn die Produktion frisst viel Energie.

Aus Altpapier neues Papier zu machen, ist im Prinzip ganz simpel: Man mischt einfach das alte Papier mit viel Wasser zu einem Brei, der dann gesiebt, gepresst und wieder getrocknet wird. Fertig.

Die Zülpicher Papierfabrik von Smurfit Kappa produziert so jährlich aus 530.000 Tonnen Altpapier 500.000 Tonnen neues Papier. Angefangen hat alles deutlich kleiner, mit Lumpen, Stroh und einer Schnapsbrennerei.

Altpapier ersetzte nach und nach das Stroh

1873 gründeten Heinrich Xaver Sieger, Eberhard und Theodor Wachendorf sowie Wilhelm Nagelschmidt die Zülpicher Papierfabrik AG. In dieser Zeit sei Papier noch aus den Fasern von Leinenlumpen und Stroh hergestellt worden, berichtet Christian Alt, heutiger Prokurist bei Smurfit Kappa Zülpich Papier. Und Stroh habe die Familie Sieger aufgrund ihrer Kornbrennerei reichlich zur Verfügung gehabt.

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So legten die vier Herren im Norden der Stadt Zülpich den Grundstein für bislang 150 Jahre Industrie-Geschichte. Altpapier kam als Rohstoff schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hinzu, ersetzte das Stroh aber erst 1962 ganz.

Papierfasern können 20 bis 25 Mal recycelt werden

Produziert wird in Zülpich braunes Papier, das dann an Wellpappenfabriken von Smurfit Kappa weiterverkauft wird, die daraus Verpackungen herstellen. Milchkartons zum Beispiel oder Pakete für Online-Versandhändler. Diese Kartons landen nach Gebrauch schließlich wieder im Altpapier. „Und dann kommt es irgendwann wieder zu uns zurück“, beschreibt Geschäftsführer Michael Kuhn den Kreislauf. 20 bis 25 Mal können Papierfasern nach seinen Angaben wiederverwendet werden, dann seien sie irgendwann zu kurz.

Auf einem Platz sind zusammengepresste Altpapierballen aufgestapelt, rechts im Bild sind Lkw zu erkennen.

530.000 Tonnen Altpapier werden in der Zülpicher Papierfabrik jährlich verarbeitet.

Restfasern nennt man das. Sie machen einen Teil der 30.000 Tonnen aus, die in der Papierfabrik ankommen, aber nicht zu neuem Papier recycelt werden. Der Rest sind andere Stoffe wie Plastik, Glas und Sand. Stoffe, die eigentlich im Altpapier nichts zu suchen haben und trotzdem dort landen. Sie werden herausgefiltert und dann zum hauseigenen Mehrbrennstoffkraftwerk gebracht und dort zur Energieerzeugung verbrannt.

Denn so simpel die Erzeugung von neuem Papier aus gebrauchten Papier klingt, sie ist extrem energieaufwendig. Innerhalb von wenigen Minuten wird in den Pressen und Walzen der Fabrik aus einem Brei mit 98 Prozent Wassergehalt Papier mit sieben bis acht Prozent Wassergehalt. Das gelingt vor allem durch Wärme: Die Papierbahnen laufen über dampfbeheizte Stahlträger, das Wasser wird herausgedampft. Das funktioniere so ähnlich, wie wenn man auf ein nasses T-Shirt ein Bügeleisen stelle, erklärt Kuhn.

In einer Halle stehen große Papierrollen. Ein Gabelstapler transportiert eine Rolle von einem Rollband zu ihrem Platz in der Halle.

Das Endprodukt: 500.000 Tonnen neues, braunes Papier für die Verpackungsindustrie werden in Zülpich jährlich hergestellt.

Diesen Trocknungsprozess durchlaufen die Papierrollen zweimal. Denn nach dem ersten Trocknen müsse man die Bahnen mit Stärke festigen, schließlich solle das Papier später nicht sofort reißen, so Kuhn weiter. Um die Stärke auf das Papier aufzutragen müsse es allerdings wieder befeuchtet werden.

Papierfabrik hat Energiebedarf von 198 Millionen Kilowattstunden

Neben dem hohen Energiebedarf für das Trocknen des Papiers braucht die Fabrik auch viel Strom für die großen Maschinen, die rund um die Uhr laufen.

Insgesamt verbrauche die Fabrik 198 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr, berichtet Alt. Diese Menge könne das Mehrbrennstoff-Kraftwerk nicht produzieren. Deshalb steht auf dem Fabrikgelände auch ein Gaskraftwerk, das mit Erdgas Strom und Dampf erzeugt.

Durch die eigene Energie-Erzeugung brauche man so gut wie keinen Strom von außen, berichtet Alt weiter. Nur in den Phasen, in denen viel erneuerbare Energie erzeugt werde, nutze die Fabrik den Strom aus dem öffentlichen Netz. Das sei dann schlichtweg nachhaltiger, so Kuhn.

Zülpicher Papierfabrik hat kein Abwasser

Überhaupt: Nachhaltigkeit ist ein großes Thema bei der Zülpicher Papierfabrik. So sind Kuhn und Alt besonders stolz auf die Kreislaufwasserbehandlungsanlage. Schon 1970 schloss man den Produktionswasserkreislauf. Seitdem wird das Abwasser, das bei der Produktion entsteht, vor Ort aufbereitet und dann erneut genutzt. „Wir haben kein Abwasser und das ist für eine Papierfabrik etwas ganz Besonderes“, sagt Kuhn. „Das war die erste Fabrik in Europa, die das auf die Beine gestellt hat“, sagt Alt.

Christian Alt und Michael Kuhn stehen vor dem Eingang des Verwaltungsgebäudes und zeigen auf ein Schild mit der Aufschrift: „Smurfit Kappa Zülpich Paper“.

Sind stolz auf ihr Unternehmen: Prokurist Christian Alt (l.) und Geschäftsführer Michael Kuhn.

Der Wasserverbrauch sei dadurch stark gesunken. Trotzdem müsse immer noch frisches Wasser hinzugefügt werden, denn schließlich verdampfe viel Wasser bei der Produktion, erläutert der Geschäftsführer. Mit der Kreislaufwasserbehandlung werde aber nicht nur das Wasser wieder aufbereitet, sondern auch noch Biogas produziert. Dieses wiederum werde dann im Mehrbrennstoff-Kraftwerk wieder in Wärme und Strom umgewandelt.

Kohleausstieg wurde in Zülpich 2021 vollzogen

Einen wichtigen Schritt für Nachhaltigkeit und CO₂-Neutralität sei man in Zülpich 2021 gegangen, berichtet Alt. Dann nämlich vollzog die Papierfabrik den Kohleausstieg. Bis dahin war viel Wärme und Strom durch das Verbrennen von Kohle erzeugt worden. Die Emissionen der Fabrik haben sich laut Alt durch den Umstieg von Kohle auf Erdgas um 55.000 Tonnen verringert.

„Theoretisch könnte man das Erdgas auch durch Wasserstoff ersetzen“, führt Kuhn fort. Heute sei das sicherlich noch zu teuer. Aber wenn Energie immer teurer und Wasserstoff in größeren Mengen hergestellt und dadurch günstiger werde, sei das sicher denkbar.

Bis 2050 will das Unternehmen Smurfit Kappa CO₂-neutral sein. In Zülpich sind Alt und Kuhn zuversichtlich, dass das gelingt. Dabei wollen sie nicht nur auf grünen Strom und Wasserstoff setzen. „Wir wollen grundsätzlich unseren spezifischen Energieverbrauch senken“, so Kuhn. Deshalb haben sie ein Unternehmen ins Boot geholt, das herausarbeitet, wie man am sinnvollsten CO₂ einsparen könne. „Wir müssen das natürlich auf eine Art und Weise tun, dass es wirtschaftlich darstellbar ist“, betont Kuhn.

Smurfit Kappa: Geschäftsführer übt Kritik an Politik

Aktuell werde diese Entwicklung durch verschiedene Regulierungen allerdings gebremst. Ein Beispiel seien die Vorteile bei den Netzentgelten, die die Fabrik bekomme, weil sie konstant Strom aus dem Netz ziehe. Wenn er nun auf die Papierfabrik eine Photovoltaik-Anlage baue und den Strom nutze, würde die Fabrik diese Vorteile verlieren, führt Kuhn aus. Kurzum: Es rechne sich nicht, in eine Photovoltaik-Anlage auf dem Gelände zu investieren. Dabei gebe es viel Potenzial.

Dieses Problem haben Kuhn und Alt auch bei einem Treffen mit NRW-Umweltminister Oliver Krischer angesprochen, der die Papierfabrik kürzlich besucht hat. „Wir werden das tun, wenn es sich für uns rechnet“, sagt Kuhn ganz klar.

Doch es gebe noch viele weitere Ideen, um den Standort Zülpich nachhaltiger zu gestalten. Nicht alle möchte der Geschäftsführer schon verraten. Aber eine nennt er dann doch: Bei der Papierproduktion entstehe einiges an Restwärme, die in der Fabrik nicht genutzt werde, mit der man aber noch Gebäude heizen könne. Dazu wolle man nun das Gespräch mit der Stadt Zülpich suchen.

Nachhaltigkeit und CO₂-Neutralität seien wichtige Wettbewerbsvorteile, sagen Alt und Kuhn. Sie sind zuversichtlich, dass deshalb noch viele weitere Jahre in Zülpich Papier hergestellt wird.


„Das Herz und die Seele des Unternehmens“

240 bis 250 Menschen arbeiten laut Geschäftsführer Michael Kuhn bei Smurfit Kappa Zülpich Papier. „Das ist der wichtigste Baustein“, führt er fort. Ohne sie sei die bisherige erfolgreiche 150-jährige Geschichte des Unternehmens nicht vorstellbar. „Die Leute sind das Herz und die Seele des Unternehmens“, betont er und weiter: „Es ist nicht selbstverständlich, dass man so eine engagierte und talentierte Belegschaft hat.“

Damit das so bleibt, bildet die Zülpicher Papierfabrik auch aus. 16 Auszubildende hat das Unternehmen aktuell. Und laut Kuhn gibt es eine Übernahmequote von 99,9 Prozent. Als Dankeschön für ihre Arbeit hat Smurfit Kappa für die Belegschaft zwei reine Mitarbeiterfeste zum Jubiläum organisiert. Da immer irgendwer in der Fabrik arbeiten müsse, habe ein Termin nicht gereicht, so Kuhn.

Und auch für die Familien und Nachbarn hat die Papierfabrik eine Feier veranstaltet. Etwa 2000 Leute seien zu dem Jubiläumsfest im Sommer gekommen, bei dem auf dem Gelände Food-Trucks und Karussells aufgestellt wurden. (jre)


Großer Zusammenhalt bei Brand im Sommer

Rauch stieg am Nachmittag des 21. Juli vom Gelände der Papierfabrik auf: 8000 Papierballen waren in Brand geraten. Wegen des starken Windes reichte der Rußniederschlag bis in die Kommunen Euskirchen, Weilerswist, Swisttal und Rheinbach im benachbarten Rhein-Sieg-Kreis. Mehr als 250 Einsatzkräfte waren vor Ort und kämpften tagelang gegen die Flammen. „Das war schon ein großes Feuer“, sagt sich Michael Kuhn vier Monate später.

Auf dem Gelände der Papierfabrik von Smurfit-Kappa in Zülpich-Bessenich brannten im Juli 2023 mehrere Tausend Papierballen.

Lichterloh brannten die Papierballen im Juli 2023.

Noch immer sind auf dem Gelände Spuren des Brandes zu erkennen. Doch genauso groß sei der Zusammenhalt gewesen. Kuhn spricht vom „Zülpich Spirit“. Alle Mitarbeiter seien gekommen. Papierfabrik, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Stadt – alle hätten zusammengehalten. Über den wirtschaftlichen Schaden möchte er nicht sprechen. Er sei einfach froh, dass kein Mensch zu Schaden gekommen sei. Die, die von der herunterfallenden Asche betroffen gewesen seien, habe man entschädigt. (jre)

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