Am 1. Juni 1975 begann die Geschichte der S-Bahn Köln mit dem Betrieb der S11 zwischen Köln-Chorweiler und Bergisch Gladbach. Darüber spricht S-Bahn-Chef Frederik Ley im Rundschau-Interview.
50 Jahre S-Bahn Köln„Es wurde lange zu wenig in die Infrastruktur investiert“

Frederik Ley, Chef DB Regio
Copyright: Frank Überall
50 Jahre S-Bahn im Rheinland – was verbinden Sie mit dem Jubiläum?
50 Jahre S-Bahn im Rheinland, das ist eine absolute Erfolgsgeschichte. Wir sind 1975 mit einer Linie gestartet, von Bergisch Gladbach nach Chorweiler. Heute befahren wir mit der S-Bahn ein 310 Kilometer langes Netz und befördern rund 80 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Die S-Bahn Köln ist aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. Wir sind gemeinsam mit der KVB und dem Regionalverkehr diejenigen, die die Mobilität für die Menschen organisieren. Wir sorgen dafür, dass sie zur Arbeit kommen. Und wir fahren unsere Gäste natürlich auch ins Stadion, zur Lanxessarena, zu Freunden oder zum Freizeitvergnügen.
Aber manchmal kommt die S-Bahn auch zu spät. Stört es Sie als Chef, sich dafür immer rechtfertigen zu müssen?
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Es gehört zu meinem Job, für die Qualität unseres Betriebs für unsere Fahrgäste einzustehen. Ich finde, dass ich den besten Job bei der Deutschen Bahn habe: mit dieser Verantwortung, die ich hier in NRW haben darf, mit einer wunderbaren S-Bahn in Köln. Ja, wir haben verschiedene Herausforderungen zu meistern. Die sind zu einem großen Teil infrastrukturell bedingt. Es wurde mehr als 30 Jahre lang zu wenig in die Infrastruktur investiert. Jetzt bekommen wir die Folgen zu spüren. Aber wir können als Verkehrsunternehmen auch viel gestalten.
Was bedeutet das konkret?
Wir verbessern unsere Fahrzeuge und machen sie schöner. Wir sorgen für mehr Platz für unsere Fahrgäste, für eine moderne Information und WLAN. Zugausfälle, die von uns verursacht werden, reduzieren wir etwa dadurch, dass wir die Instandhaltung optimieren. Auch beim Personal hatten wir in der Vergangenheit aufgrund des flächendeckenden Fachkräftemangels teils massive Ausfälle. Heute, nach unserer Ausbildungs- und Rekrutierungsoffensive, fallen nur 0,2 Prozent unserer Züge wegen fehlenden Personals aus. Wir sind stolz drauf, dass wir in den Bereichen, die wir beeinflussen können, wirklich gut geworden sind.
Fahren die S-Bahnen demnächst automatisch mithilfe Künstlicher Intelligenz?
Teilweise kann es in Zukunft durchaus automatisiertes Fahren geben. Aber davon sind wir heute noch meilenweit entfernt. Selbst dann wird auch immer noch ein Lokführer an Bord sein. Deswegen bilden wir jetzt auch ganz viel aus. Vor Jahren hatten wir pro Jahr noch 30 bis 35 Auszubildende. Jetzt sind wir bei 100 Azubis, die wir dieses Jahr neu einstellen. Das heißt, in Summe bilden wir gerade 300 junge Menschen aus. Das tun wir nicht, um ihnen morgen zu sagen, dass wir sie nicht mehr brauchen. Die jungen Leute sind unsere Zukunft! Auch weil jetzt die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Deswegen machen wir genauso weiter wie bisher, damit wir künftig genügend Lokführer, Kundenbetreuer, Disponenten, Instandhalter und all die Berufe haben, die wir dringend brauchen.
Das heißt, Fachkräftemangel ist für Sie gar kein Thema mehr?
Fachkräftemangel ist ein bundesweites Thema, um das wir uns kümmern. In der Vergangenheit hatten auch wir deutlich zu wenig Personal und hohe Krankenstände. Dank harter Anstrengungen bekommen wir inzwischen genügend Bewerber. Wir haben allerdings auch sehr massiv darum geworben, haben viel rekrutiert, haben viel Kraft, Geld und Zeit in Ausbildung gesteckt. Das zahlt sich jetzt aus. Wir trotzen erfolgreich dem Fachkräftemangel.
Gibt es weitere Dinge, die Ihnen neben Problemen als Chef der DB Regio auch mal Freude bereiten?
Da ist zum Beispiel unsere neue Fahrzeug-Baureihe 424, die zuvor in Hannover gefahren ist. Wir haben sie neu designt und für Köln auf die Schiene gebracht. Wenn die jetzt in einen Bahnhof einfährt, dann kann man die Freude der Fahrgäste über den schicken, neuen Zug förmlich sehen. Obwohl es ein altes Fahrzeug ist, das wir wieder fit gemacht haben. Auch unsere Karnevalsbahnen sind immer schön anzuschauen und zaubern den Fahrgästen ein Lächeln ins Gesicht.
Trotzdem gibt es Herausforderungen mit älteren Bahnen. Da ist es manchmal schwierig, Ersatzteile zu bekommen?
Ja, zum Beispiel kam es nach dem russischen Überfall zu Kampfhandlungen in einem Stahlwerk in der Ukraine, aus dem wir viele Radsätze bezogen. Dafür mussten wir Ersatz finden und hatten natürlich zunächst Engpässe. Diese sind mittlerweile aber behoben. Dennoch müssen wir immer hinterher sein, damit wir bei den Ersatzteilen auf dem allerneuesten Stand sind und genügend Lieferanten haben.
Ende der 2020er Jahre soll es neue S-Bahnen im Rheinland geben, die auch wieder Toiletten haben. Freuen Sie sich darauf?
Ja, absolut. Das ist ein Komfortgewinn für die Fahrgäste. Natürlich kann man darüber streiten, ob Toiletten in S-Bahnen notwendig sind, in denen sich die meisten Fahrgäste im Durchschnitt nur 20 Minuten aufhalten. Denn es gibt durchaus Herausforderungen, die damit einhergehen: Wie erreichen wir, dass die Toiletten immer funktionstüchtig sind? Wie vermeiden wir Vandalismusschäden? Und das Abwasser muss täglich entsorgt werden. Das alles macht die Planung zwar ein bisschen komplexer, aber darauf bereiten wir uns mit dem Fahrzeughersteller ALSTOM und mit Go Rheinland als Auftraggeber gründlich vor.
Wird es weitere Neuerungen für die Fahrgäste geben?
Schon bei unseren Redesigns haben wir USB-Steckdosen, WLAN, LED-Beleuchtungen und moderne Fahrgastinformationssysteme eingeführt. Das wird es alles auch in den neuen Zügen geben. Darüber hinaus werden sie so eingerichtet sein, dass sie sich schneller und besser reinigen lassen, robuster sind und länger ein schönes neues Bild abgeben. Die Fahrgäste können sich auf hochmoderne Züge freuen!
Sie haben selbst immer ein Andenken an die S-Bahn-typische Sitzpolsterung dabei?
Wir haben ja das typische blaue Muster auf unseren Sitzen. Aus diesem Material habe ich einen Schlüsselanhänger, gefertigt aus einem alten Stoff.
Bei der Lieferung neuer Fahrzeuge an andere Verkehrsunternehmen gab es zuletzt enorme Probleme. Sind Sie denn sicher, alle pünktlich zu bekommen?
Der Aufgabenträger beschafft die Fahrzeuge und stellt sie uns zur Verfügung, damit wir sie fahren können. Wir gehen davon aus, dass die Fahrzeuge ab Ende der 2020er Jahre pünktlich geliefert werden und schrittweise in den Betrieb gehen. Darauf bereiten wir uns vor, auch und vor allem in der Instandhaltung. Wir planen, mit der Lieferfirma Alstom bald einen Vertrag zu unterzeichnen, dass wir die Fahrzeuge für die nächsten 30 Jahre selbst instandhalten. Damit ist auch unser Werk in Köln-Nippes, im Herzen des S-Bahn-Netzes mit seinen Arbeitsplätzen mindestens bis 2062 gesichert.
Das Verhalten mancher Menschen in den S-Bahnen stellt für Sie als Betreiber eine Herausforderung dar?
Grundsätzlich kommt man in unseren S-Bahnen sicher von A nach B. Unsere Fahrgäste können sich sicher fühlen, auch abends oder nachts. Aber wir merken, dass sich in der Gesellschaft einiges verändert hat. So hat der Respekt gegenüber unseren Kundenbetreuern abgenommen. Das führt immer häufiger zu verbalen, aber auch körperlichen Attacken. Wir versuchen, dagegenzuarbeiten, indem wir unsere Kolleginnen und Kollegen unter anderem in Deeskalationstrainings auf solche Situationen vorbereiten.
Und Sie setzen Bodycams ein?
Ja, damit statten wir unsere Mitarbeitenden auf Wunsch aus. Die Kameras können bei Bedarf angeschaltet werden. Wir haben festgestellt, dass schon der Hinweis auf die Bodycam und die Ankündigung, sie einzuschalten, deeskalierend wirken. Ernsthafte Konflikte treten dann nicht mehr auf.
Als die S-Bahn war 50 Jahren gestartet ist, hatte die Bahn noch ein Monopol. Wie läuft es heute mit den Mitbewerbern?
Ich bin ein großer Verfechter des Wettbewerbs. Es war richtig, mit der Bahnreform den Wettbewerb im Regionalverkehr einzuführen, um zu mehr und besserer Qualität, besseren Fahrzeugen und mehr Leistung zu kommen. In den letzten 20 Jahren hat sich der Regionalverkehrsmarkt enorm entwickelt. Wir haben deutlich mehr Fahrgäste gewonnen und das Angebot erweitert.
Sie sind aber immer noch der größte Betreiber?
Ja, wir organisieren in NRW ungefähr 50 Prozent des Verkehrs. Es ist klug, einen größeren Anbieter zu haben, der als Anker und Stabilisator fungieren kann, wenn mal jemand ausfällt. In der Vergangenheit hatten Wettbewerber Schwierigkeiten, zugesagte Leistungen zu erbringen. Da konnten wir einspringen. Zugleich zeigt es, dass Ausschreibungen weiterentwickelt werden müssen. Wenn Unternehmen die Verträge zum Betrieb einer Bahnlinie gewinnen, müssen sie damit auch Geld verdienen können. Im Markt sehen wir, dass dies nicht immer gelingt.
Auf Landesebene wird aktuell diskutiert, die Verkehrsverbünde bei der Organisation des Schienenverkehrs zusammenzulegen. Was halten Sie davon?
Das ist natürlich eine politische Fragestellung. Wir haben es mit drei Aufgabenträgern in NRW zu tun, zusätzlich noch mit denen aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Es ist immer einfacher, nur einen Ansprechpartner zu haben, als wenn man mit mehreren gleichzeitig verhandeln muss. Von daher gäbe es schon positive Effekte, wenn wir Strukturen zusammenführen oder vereinheitlichen würden und nicht jeder Aufgabenträger seinen eigenen Verkehrsvertrag mit eigenen Regelungen hätte. Unabhängig davon müssen wir in der Branche überlegen, wo wir effizienter werden und Geld sparen können. Denn wir wissen, dass der öffentliche Nahverkehr auf staatliche Gelder angewiesen ist, mit denen wir verantwortungsvoll umgehen müssen.
Was ist Ihre Vision für die nächsten 50 Jahre S-Bahn?
Unsere Vision, die auch im Zielbild 2040 der Aufgabenträger festgeschrieben ist, ist eine S-Bahn im Rheinland mit zehn eng vernetzten Linien. Die ganze Umgebung Kölns wird dann erschlossen sein, mit einem hohen Takt auf einer Infrastruktur, die quasi von Grund auf erneuert wurde. Wenn alle Projekte zum Bahnknoten Köln umgesetzt sind, werden wir noch viel mehr Menschen mit der S-Bahn befördern können. So schaffen wir eine wirkliche Alternative für die, die jetzt noch nicht überzeugt sind und auf das Auto setzen.
Ist das denn realistisch?
Ich glaube schon. Aber wir müssen dranbleiben. Aus dem angekündigten Infrastrukturfonds des Bundes muss so viel wie möglich in die Schiene investiert werden. Wir haben klare Pläne, die wir jetzt mit aller Kraft umsetzen wollen. Es laufen Planfeststellungsverfahren, gerade zum Beispiel auf der S 11, die vorangetrieben und dann auch gebaut werden müssen. Ich bin guter Dinge, dass wir damit ein stabileres Netz bekommen.
Zum Schluss noch die Frage nach Ihrem Berufswunsch als kleiner Junge: Wollten Sie schon immer zur Bahn?
Ehrlich gesagt nein. Ich war aber schnell fasziniert, als ich gesehen habe, wie viele Menschen wir bewegen. Ich habe angefangen im ländlichen Bus-Bereich der Bahn, der viele Schülerinnen und Schüler zur Schule und nach Hause bringt. Genauso bin ich selbst immer in den Bussen und Bahnen der KVB jeden Tag zur Schule gefahren. Als ich dann bei der Bahn eingestiegen bin, habe ich erst realisiert, dass wir in NRW jedes Jahr 250 bis 300 Millionen Menschen befördern. Das macht Spaß, und ich bin stolz darauf, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Menschen mithilfe unserer Züge ihren Alltag bewältigen können.
Vielen Dank für das Gespräch.