Ganz schlechte StimmungVerhältnis zwischen 1. FC Köln und seinen Ultras ist zerrüttet

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Es brennt lichterloh: Bei Heimspielen forderten Fans schon mehrfach auf Spruchbändern: „Vorstand raus“.

Es brennt lichterloh: Bei Heimspielen forderten Fans schon mehrfach auf Spruchbändern: „Vorstand raus“.

Köln – „Vorstand raus“. Zwei Worte, mehr nicht. In den Fan-Foren der sozialen Netzwerke enden viele Beiträge mit dieser Parole, die sich in den vergangenen Monaten wie eine lapidare Grußformel etabliert hat. Auf der Südtribüne hatten Stadionbesucher ihre Forderung schon mehrfach auf Transparente gepinselt und auch stimmgewaltig skandiert.

Vor allem das Verhältnis zwischen den Ultras und der Führungsriege des 1. FC Köln ist gestört. „Es geht den Ultras um Einfluss im Verein“, sagt ein Szenekenner. Doch das ist nicht alles.

In vielen Stadien brüllen die Fans „Vorstand raus“, wenn ihr Club hoffnungslos auf dem letzten Tabellenplatz dümpelt. Doch in Köln gärt die Entzweiung zwischen Fans und Verantwortlichen seit Ende 2016.

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Mit Verschwörungstheorien Stimmung gegen Vorstand

„Die Ultras haben sich aus dem Dialog verabschiedet. Es wird mit haltlosen Verschwörungstheorien Stimmung gegen den Vorstand gemacht, der wegen der sportlichen Situation erstmals seit Jahren angreifbar scheint“, erklärt FC-Präsident Werner Spinner die Lage. Es geht eben auch um den geplanten Stadionneubau, um Investorengelder, Kommerz und Montagsspiele. Eine Annäherung ist derzeit nicht in Sicht.

Zwei Heimspiele muss der FC in dieser Saison noch bestreiten, die Begegnung gegen den FC Schalke 04 (Sonntag, 18 Uhr) hat die Polizei als „Risikospiel“ eingestuft. Vor dem Hinspiel im Dezember hatte die Bundespolizei mit Mühe eine Massenschlägerei zwischen Gewalttätern beider Lager verhindert. Im Internet wird die Stimmung schon wieder angeheizt. „Das auf dem Platz ist nur Nebensache“, schreibt der Nutzer eines Kölner Fan-Forums. Am 5. Mai heißt der Gegner dann FC Bayern München. Erinnerungen werden wach an das Jahr 2012. Gleiches Datum. Gleicher Gegner. Damals stieg der FC ab und die Ultras verwandelten die Südtribüne mit Rauchbomben in eine schwarze Wand. Im Geißbockheim herrscht nun Sorge, die Ultras könnten ihren Frust erneut unrühmlich zur Schau stellen.

Jüngst ist Bewegung in die Kölner Ultra-Szene gekommen. Vor zwei Wochen teilten die „Boyz“ ihre Auflösung mit, weil ihnen in Hoffenheim die Blockfahne entrissen worden war – der Kodex verlangt in solchen Fällen das Ende einer Gruppierung. Zuletzt fiel eine Gruppe namens „Revolte 0221“ auf, die engen Kontakt zu den als rechtsgerichtet geltenden Dortmunder Ultras „Riots 0231“ pflegt. Ihre Freundschaft bekundeten sie unlängst mit einem Gruß-Banner. „Die Entwicklung bereitet uns Sorge“, sagt Volker Lange, seit acht Jahren Polizei-Einsatzleiter bei den Heimspielen des FC. Die Größe der Gruppe können weder Polizei noch der FC derzeit einschätzen. Zur Revolte sollen kampferprobte Gewalttäter gehören, heißt es. „Es sind nicht alle rechtsgerichtet, einige waren vorher in anderen Ultra-Gruppen aktiv“, sagt ein Fan, der die Szene gut kennt.

Im Verein wird die Zahl der Ultras auf 150 bis 300 geschätzt. „Die Kurve ist zum rechtsfreien Raum verkommen, die Ultras führen sich auf wie die Block-Polizei“, sagt ein anderer Fan. Bei Auswärtsfahrten des FC war es in dieser Saison laut Polizei zu Raubdelikten gekommen, mehrfach seien Sonderzüge der Deutschen Bahn demoliert worden.

Ultras haben auch Fans gegen sich aufgebracht

Die Ultras haben nicht nur die Vereinsführung gegen sich aufgebracht, auch friedlichen Fans geht das Gebaren der Gewalttäter gegen den Strich. „Scheiß Wilde Horde“ schallte es beim Europa-League-Spiel in Belgrad aus dem Kölner Fanblock, nachdem massenhaft Bengalos gezündet und beinah ein Leuchtspurgeschoss auf Einlauf-Kinder im Innenraum geschleudert worden war. Die Vereinsführung sprach vom „Tiefpunkt“. Als ein „Capo“ der Ultras jüngst gegen Hannover üble Beleidigungen gegen Gäste-Torwart Ron-Robert Zieler durch sein Megafon brüllte, sprach der FC ein Stadionverbot aus. „Die Ultras sind das Geschwür unseres Vereins“, zürnt ein Fan im Internet. Zu den Wortführern der Ultras zählen fünf Personen, heißt es intern. Sie gelten als eloquent und wortgewandt, aber auch als gewaltaffin.

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Vergangene Saison war der 1. FC Köln für diverse Vergehen seiner Fans zu Strafzahlungen von insgesamt 85.000 Euro verurteilt worden. Diese Saison sind es bislang 55.000 Euro in der Bundesliga und 60.000 Euro für Vergehen beim Europa-League-Spiel in London. In den kommenden Wochen will die Staatsanwaltschaft knapp 50 Strafbefehle wegen „mittäterschaftlicher Beleidigung“ an Kölner Stadionbesucher verschicken. Beim Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim im April 2017 war deren Clubchef Dietmar Hopp beschimpft und auf Transparenten verunglimpft worden.

„Die Identifizierung der Beteiligten ist eine Sisyphusarbeit, weil sich viele Personen vermummt hatten“, sagt Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn. Die Schmähaktion hatten einige Beschuldigte im Schutz einer großen Blockfahne der Ultra-Gruppierung Wilde Horde vorbereitet. Bei einer Durchsuchung hatte die Polizei die Fahne später in einem Materialraum des Stadions beschlagnahmt. Die Fans haben nun einen juristischen Erfolg errungen und die Rückgabe ihrer Fahne erstritten. Vor zwei Wochen war die Fahne an den Anwalt der Fans zurückgeschickt worden. „Da ist das Ding“, jubeln sie im Internet. Nun schwenken sie ihr Erkennungszeichen wieder.

Kölner Ultras

Kölner Ultras zünden Bengalos.

Auslöser des Streits zwischen Clubführung und Ultras ist eine riesige Choreografie, mit der die Wilde Horde im Dezember 2016 ihren 20. Geburtstag gefeiert hatte. Weil die Anmelder dem Club nicht alle Inhalte zur Genehmigung vorgelegt hatten, erließ der FC eine sogenannte „Choreo-Klausel“. Nun sollen die Anmelder für das Gezeigte haften – und eventuelle Strafzahlungen für nicht genehmigte Inhalte übernehmen. Die Ultras lehnen das ab. „Solange es diesen Passus gibt, wird es im Stadion keine Choreos mehr zu sehen geben“, stellt ein Ultra klar. Zuletzt forderten einige Fans die Aufhebung von 64 Stadionverboten, die der FC nach den Verfehlungen gegen Hoffenheim und einer Pyro-Show der Ultras beim Regionalliga-Heimspiel der U 21 gegen Rot-Weiß Essen ausgesprochen hatte. Der FC spricht von einer „Erpressungsstrategie“.

Die Fronten sind abgesteckt. Inzwischen haben sich die Ultras aus der „AG Fankultur“ zurückgezogen, in der bislang ein Austausch zwischen Fans und Verein stattfand. „Am Dialog führt kein Weg vorbei, wir müssen wieder ins Gespräch kommen“, fordert Thomas Schönig, Amtsrichter und FC-Vorstandsbeauftragter für Sicherheit. Erst im Februar war der FC mit einer siebenseitigen Stellungnahme öffentlich auf Distanz zu den Ultras gegangen. Ein bislang einmaliger Vorgang. Die nächsten Gegner heißen Schalke und München. Dann ist die Saison vorbei. Die Gegner in der eigenen Fankurve werden bleiben.

Chronologie der Entzweihung

Dezember 2016: Die Wilde Horde feiert ihr 20-jähriges Bestehen mit einer Choreografie auf der Südtribüne. Deren Inhalte weichen jedoch von dem ab, was dem Verein vorab zur Genehmigung vorgelegt wurde.

April 2017: Beim Heimspiel gegen Hoffenheim wird deren Club-Boss Dietmar Hopp auf einem Transparent beleidigt (Foto). Drei Tage später fallen die Ultras beim Amateurspiel der U 21 des FC gegen Essen mit einer Pyro-Show auf. Die Polizei erfasst die Personalien von 178 Personen.

Mai 2017: Die Polizei stellt bei der Durchsuchung eines Materialraums im Rheinenergie-Stadion die Blockfahne der Wilden Horde sicher. Unter dieser Fahne war die Aktion gegen Hoffenheim vorbereitet worden. Der FC entzieht den Fans das Nutzungsrecht für den Raum.

Juli 2017: Der DFB verurteilt den FC wegen Fan-Vergehen in den Spielen gegen Hoffenheim, Leverkusen und Mainz zu Zahlungen von insgesamt 45 000 Euro.

Juli 2017: Der Verein spricht 64 Stadionverbote gegen FC-Anhänger aus, so viele wie noch nie auf einen Schlag. Geahndet werden unter anderem die Verfehlungen gegen Hoffenheim und Rot-Weiß Essen.

August 2017: Der FC lässt ein Ultimatum der Ultras verstreichen. Diese hatten den Verein aufgefordert, alle im Juli verhängten Stadionverbote aufzuheben, den Materialraum wieder zur Verfügung zu stellen und auf die Choreo-Klausel zu verzichten.

Dezember 2017: Beim Europa-League-Spiel in Belgrad zünden FC-Fans massenhaft Bengalos und werfen diese in den Innenraum.

Dezember 2017: Gegen Wolfsburg drohen die Ultras auf einem Transparent: „Mendel – deine Tage sind gezählt.“ Gemeint war Rainer Mendel, der Fan-Beauftragte des Vereins.

Januar 2018: Gegen Mönchengladbach gelangen Ultras mit Ordner-Leibchen in den Innenraum und stehlen eine Zaunfahne.

Februar 2018: Der FC distanziert sich in der Stellungnahme „Zusammen fair bleiben“ von seinen Ultras. Der Fan-Verbund „Südkurve e.V.“ äußert seine „Verwunderung“.

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