Bezirksbürgermeister Schößler„An der Zeit, Verantwortung an Jüngere abzugeben“

Lesezeit 6 Minuten
Bernd_Schoessler_FOTO_CHRISTOPHER_DROEGE

Bernd Schößler ist seit 1999 Bezirksbürgermeister in Nippes.

Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Themen 2019?

Da würde ich tatsächlich den Ausbau des Niehler Gürtels nennen, auch wenn dieser vielleicht nicht die allergrößte Dringlichkeit hat. Aber die Bezirksvertretung hat den Beschluss gefasst, dass es in der Frage der konkreten Ausgestaltung des Radweges und der Grünflächen, die dort entstehen sollen, ein Bürgerbeteiligungsverfahren geben soll – und auf die Umsetzung dieses Beschlusses warten wir gerade.

Zur Person

Bernd Schößler, Jahrgang 1954, wuchs in Riehl auf und besuchte in Nippes das heutige Leonardo-da-Vinci-Gymnasium. Nach dem Abitur begann er ein Sonderpädagogik-Studium, brach dieses jedoch ab, um ein eigenes Taxi-Unternehmen zu gründen. Dieses führte er mehr als 30 Jahre lang, 16 Jahre war er Vorstand der Taxigenossenschaft.

Mit der Lokalpolitik kam er erstmals als Mitglied des Ausschusses für Tiefbau und Verkehr in Berührung - seit 1999 bekleidet er das Amt des Bezirksbürgermeisters in Nippes. Gemeinsam mit Helga Blömer-Frerker (Lindenthal) steht er nach seinen Kollegen Norbert Fuchs (Mülheim) und Josef Wirges (Ehrenfeld) an dritter Stelle der dienstältesten Bezirksbürgermeister Kölns. (dro)

Wir hielten das für naheliegend, da in unserem Bezirk zu Beginn des Jahres ein Pilotprojekt einer neuen Form der Bürgerbeteiligung gestartet ist – und das Gürtelthema hielten wir dafür für prädestiniert.

Welche Erfahrungen hat man nach dem ersten Jahr aus diesem Projekt ziehen können?

Es gab zwei größere Bürgerinformations- und Beteiligungsveranstaltungen. Zum einen ging es um die Umgestaltung der Merheimer Straße, zum anderen um die der Neusser Straße. Ich denke, dabei hat man gesehen, dass so eine Veranstaltung, bei der man miteinander ins Gespräch kommt, ein ausgesprochen gut geeignetes Instrument ist, um die Menschen auf den gleichen Wissensstand zu bringen.

Man kann über verschiedene Aspekte sprechen, ohne vorzugaukeln, dass das alles auch gleich umgesetzt wird. Es geht vielmehr um ein offenes Wort von allen Beteiligten, sowohl von der Verwaltung und dem Bezirksbürgermeister als auch den Bürgern.

Worauf muss man da achten?

Leider Gottes ist es manchmal so, dass sich dort vor allem bestimmte Gruppen äußern, die sich eben gut artikulieren können. Bei der Moderation solch einer Veranstaltung kommt es deswegen darauf an, auch die zu Wort kommen zu lassen, die Hemmungen haben, sich zu äußern. Ich denke schon, dass die Leute bei beiden Veranstaltungen zufrieden mit deren Verlauf waren. Was das Inhaltliche angeht, muss das jeder für sich selbst entscheiden.

Eine ähnliche Bürgerveranstaltung gab es auch in Weidenpesch, wo am Simonskaul das zurzeit größte Bauprojekt geplant ist. Was hat sich dabei ergeben?

Beim Simonskaul sollte man hervorheben, dass sich die BV dort sehr engagiert – und zwar durchaus in verschiedenen Richtungen. Worauf wir aber allseits großen Wert legen, ist, dass das, was die dortigen Anwohner an Vorstellungen haben – und die wurden in dieser Veranstaltung ja deutlich – auch berücksichtigt wird. Damit tut sich die Verwaltung ein bisschen schwer, muss man sagen.

Inwiefern?

Es ist nicht gut, wenn das Stadtplanungsamt bei so einem Projekt die eigentlichen Arbeiten vom Investor erledigen lässt. Zumindest, wenn man die Bürgerbeteiligung ernst nimmt. Denn bei der Beantwortung der Anregungen der Anwohner durch den Investor kamen doch recht viele Ungereimtheiten zusammen, die mit der Realität nicht viel zu tun hatten. Das wäre der Verwaltung nicht passiert, wenn sie diese selbst gemacht hätte.

Was waren die größten Erfolgsgeschichten im Bezirk?

Ich bin sehr froh, dass die Carl-von-Ossietzky-Gesamtschule nach Jahren der Verzögerung nun endlich ihren eigenen Schulbau beziehen konnte. Wobei man sagen muss, dass man diese Verzögerungen nicht der Verwaltung zur Last legen kann.

Der Bezirk: Nippes

Der Bezirk Nippes umfasst die Stadtteile Bilderstöckchen, Longerich, Mauenheim, Niehl, Nippes, Riehl und Weidenpesch. Er liegt am linken Rheinufer, nördlich der Kölner Innenstadt. Die Herkunft des Namens ist nicht eindeutig geklärt, der Wortbestandteil „Nipp“ ist entweder von „Niep“ für eine feuchte Senke abgeleitet (die Gegend war früher sumpfig) oder „Nepp“ weist auf einen Hügel oder eine kleine Anhöhe hin.

Während der Franzosenzeit gehörte Nippes zur Bürgermeisterei Longerich. Mit den Clouth-Gummiwerken kam 1868 einer der größten industriellen Arbeitgeber nach Nippes. Heute ist das Gelände eines der größten innerstädtischen Neubaugebiete der Stadt. Der Stadtbezirk 5 wurde Anfang 1975 im Rahmen der kommunalen Neugliederung gegründet. Der Bezirk hat etwa 118 000 Einwohner und misst 31,75 Quadratkilometer.

In der Bezirksvertretung stellt die SPD mit sechs Sitzen die stärkste Fraktion, ihr folgen die Grünen mit fünf Sitzen. Die CDU hat vier Sitze, FDP und Linke je einen, zudem gibt es einen parteilosen Mandatsträger. Bezirksbürgermeister ist seit 20 Jahren Bernd Schößler. (dro)   

Als ganz großen Erfolg betrachte ich auch das Graffiti-Projekt der Mittwochsmaler an der S-Bahn-Haltestelle Geldernstraße/ Parkgürtel, die dort eine „Hall of Fame“ eingerichtet haben. In Nippes sind wir schon lange graffiti-affin, auch ich ganz persönlich, und dort konnten wir auch dank dem Bezirksamtsleiter Ralf Mayer eine für Sprayer legal zu nutzende Fläche schaffen, die auch rege genutzt wird.

Was waren die größten Aufreger des vergangenen Jahres?

Da ist der Ärger um die nächtliche Lärmbelästigung durch das ICE-Wartungswerk, das die Anwohner in Longerich durch nächtliche Mikrofontests aus dem Schlaf reißt. Das hört man bis Niehl. Dazu gab es eine parteienübergreifende Zusammenarbeit von Menschen aus der Bezirksvertretung, Ratsvertretern, Landtags- und Bundestagsabgeordneten, die aber bisher zu keinem Ergebnis geführt hat.

Die Verwaltung hat ja klar gemacht, dass sie selbst keine Klagemöglichkeit gegen das Eisenbahnbundesamt hat. Wir können nur betroffene Anwohner, die klagewillig sind, so gut es geht unterstützen. Immerhin hat das Umweltamt der Stadt Köln erkannt, dass die Sache ein ernstzunehmendes Problem ist und steht klar auf Seiten der Anwohner.

Wo hakt es noch?

Was die Gesamtschule angeht, da fehlt bis heute ein vernünftiges Verkehrskonzept – außer einem Kreisverkehr an der Ossietzkystraße ist da noch nicht viel passiert. Ärgerlich ist auch nach wie vor, dass die Umsetzung von Beschlüssen der Bezirksvertretung im Allgemeinen in der darauffolgenden Wahlperiode zu erwarten sind – bei unseren zahlreichen Beschlüssen zum Radverkehr zum Beispiel tut sich herzlich wenig.

Das sind eigentlich vermeintlich kleine Geschichten, die kaum Aufwand darstellen, aber den Bürgern viel helfen würden. Die Seniorenvertretung hat gerade noch einmal daran erinnert, dass die KVB-Haltestelle Scheibenstraße barrierefrei gemacht werden sollte, das rückt in weite Ferne.

Was wird für Nippes wichtig werden?

Ich hoffe zum einen, dass wir das Bürgerbeteiligungsverfahren zur Ausgestaltung des Gürtel-Radweges bis zum Ende der Wahlperiode auf den Weg bringen können. Da bin ich guter Dinge, auch wenn man realistisch sagen muss, dass wir die Umsetzung wohl frühestens in fünf Jahren sehen werden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Zum anderen hoffe ich, dass wir bei der Entwicklung des Bauprojekts am Simonskaul zu guten Entscheidungen kommen werden, dass dort einerseits Wohnungen geschaffen und gleichzeitig die Mängel, die dort aufgezeigt wurden, gering gehalten werden. Für Niehl wird der Bau des Dükers eine Herausforderung, das wird im zweiten Halbjahr aktuell werden. Dort soll etwa die Grundschule Halfengasse ausgelagert werden.

Wo ist der Bezirk gut aufgestellt, und welche Herausforderungen werden bleiben?

Die Kommunikation innerhalb des Bezirks, zwischen den Vereinen, den ehrenamtlichen Helfern sowie der Bezirkspolitik und der Verwaltung funktioniert sehr gut. Noch schöner wäre es allerdings, wenn wir nicht nur Beschlüsse fassen könnten, sondern auch das Geld hätten, diese umzusetzen. Aber die Stärkung der Bezirke ist tatsächlich schon weit gediehen. Da muss man einfach neidlos anerkennen, dass Frau Reker in dieser Sache Wort gehalten hat.

Sie haben sich entschieden, nicht noch einmal als Bezirksbürgermeister zu kandidieren. Warum?

Demokratie braucht Wechsel. Es ist an der Zeit, Verantwortung an Jüngere abzugeben.

Nachtmodus
Rundschau abonnieren